Pferdesport:Elegant im Viereck

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"Ich habe fast schon ein bisschen Angst vor der Frühform": Bundestrainerin Monica Theodorescu zeigte sich mit den Leistungen der deutschen Reiter und Reiterinnen um Jessica von Bredow-Werndl (im Bild auf Dalera BB) zufrieden. (Foto: Claus Schunk)

Der deutsche Dressursport zeigt sich bei der Pferd International in einer sehr guten Verfassung. Vor allem ein Paar ist in München aber kaum zu schlagen: Jessica von Bredow-Werndl auf ihrer Stute Dalera.

Von Celine Chorus, München

Die Wertung der fünf Richter war noch nicht verkündet, als Jessica von Bredow-Werndl ihrem Pferd unter dem lauten Applaus des Publikums den Hals tätschelte. Auf dem Rücken von Dalera BB näherte sie sich langsamen Schrittes ihrem Sohn, der sich für eine bessere Sicht vor seinen Vater auf das Geländer gestellt hatte. Über die Mikrofone war bereits zu erahnen, in welche Richtung sich die Wertungsnoten bewegen würden, als von Bredow-Werndl den Jungen mit einem Luftkuss begrüßte. Unterwegs zum Abreiteplatz erreichte sie schließlich die frohe Nachricht: Die Richter bewerteten die Vorstellung des Paares mit 84,702 Prozent - neue persönliche Bestleistung für von Bredow-Werndl.

Mit vier Siegen in den wichtigsten Prüfungen war sie die überragende Reiterin bei der Pferd International in München-Riem, wo von Donnerstag bis Sonntag die Dressurprüfungen auf internationalem 1*- bis 4*-Niveau ausgetragen wurden. So war bis auf wenige Ausnahmen der gesamte deutsche Kader für einen letzten Vergleich vor den deutschen Meisterschaften in Balve (3. bis 6. Juni) auf die Olympia-Reitanlage gekommen. Vor den Augen von Bundestrainerin Monica Theodorescu waren mit Isabell Werth, Hubertus Schmidt und Dorothee Schneider, die knapp einen Monat nach ihrem Schlüsselbeinbruch ihr Comeback im Dressur-Viereck gegeben hat, auch drei deutsche Olympiasieger vertreten.

"Ich sehe jedes Turnier wie einen ehrlichen Blick in den Spiegel - wo stehe ich und woran kann ich noch arbeiten?"

Nachdem die größte Veranstaltung des bayerischen Pferdesports 2020 ausgefallen war, hatte für die Organisatoren schon Anfang dieses Jahres festgestanden, dass das Turnier 2021 wieder stattfinden muss. Um Kosten zu senken, wurde sowohl in der Dressur als auch im Springen die Schwierigkeit der Prüfungen reduziert: "Das Preisgeld ist bei schwereren Prüfungen höher", hatte Sprecherin Lisa Birnstiel Ende April in der SZ erklärt. Trotzdem konnte sich Rolf Beutler-Bath, ehemaliger internationaler Dressurrichter und seit einigen Jahren Leiter des Dressurbereichs bei der Pferd International, über ein hochkarätiges Starterfeld freuen: "Unsere Erwartungen sind in sportlicher Hinsicht mehr als erfüllt worden."

So war das internationale Turnier in München bereits ein guter Test für die Olympischen Spiele in Tokio. "Wir haben aus deutscher Sicht von den acht, die potenziell für einen Start in Tokio in Betracht zu ziehen sind, sechs Reiter hier gehabt", betonte Beutler-Bath: "Der Leistungsstand ist erstaunlich gut und lässt sehr viele Erwartungen reifen." Denn seit Ingrid Klimke mit ihrem Pferd Franziskus wegen einer Verletzung absagen musste, ist ein weiterer Platz im deutschen Kader zu vergeben.

Von Bredow-Werndl und Dalera BB haben sich nochmals weiterentwickelt

Dagegen gehören von Bredow-Werndl und Dalera BB zu den Paaren, die wegen ihrer starken Leistungen wohl sicher bei Olympia starten werden. So hatte die 35-Jährige aus Tuntenhausen im Sattel ihres Drittpferdes Ferdinand BB bereits den Grand Prix und den Grand Prix Special auf Drei-Sterne-Niveau dominiert. In beiden Prüfungen gewann van Bredow-Werndl vor ihrer niederländischen Konkurrentin Dinja van Liere auf Haute Couture. Auch in der Vier-Sterne-Prüfung zeigte sie auf ihrer Stute Dalera BB, dass sie es derzeit ist, die im deutschen Dressursport den Ton angibt. Neben ihrer starken Leistung im Finale erhielt sie auch für ihren Ritt im Grand Prix 81,609 Prozent und lag damit wie schon am Freitag vor Dorothee Schneider auf Showtime (79,109).

"Es muss alles passen, um sowas auf den Punkt abliefern zu können", sagte von Bredow-Werndl, und fügte schmunzelnd hinzu: "Ich sehe jedes Turnier wie einen ehrlichen Blick in den Spiegel - wo stehe ich und woran kann ich noch arbeiten? Aber der Blick wird gerade immer angenehmer." Die anderen Ritte habe sie sich trotzdem nicht angesehen, um in ihrer eigenen Prüfung nicht den Fokus zu verlieren: "Ich habe gelernt, mit meiner Energie zu haushalten, und mich einfach nur auf mich zu konzentrieren", sagte die Mannschafts-Weltmeisterin von 2018.

Neben großer Nervenstärke bescheinigt ihr Monica Theodorescu auch einen besonders guten Sitz auf dem Pferd: "Sie bringt es sehr gut im Viereck herüber, dass es immer leicht und elegant aussieht, und das ist wichtig im Dressursport", so die Bundestrainerin, die die 14-jährige Dalera als ein "fantastisches Pferd" bezeichnete. Doch auch mit den Leistungen der anderen deutschen Paare war Theodorescu sehr zufrieden: "Ich habe fast schon ein bisschen Angst vor der Frühform", erklärte Theodorescu im Hinblick auf Olympia: "Dadurch, dass die Bedingungen so gut sind, sind eigentlich immer gute Ergebnisse erzielt worden, und das bringt uns auch in diesem Jahr in die richtige Spur."

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