Süddeutsche Zeitung

Pferd International:Spektakel um Rosi

Die Pferdemesse in Riem hat neben den Weltklasse-Wettkämpfen in Sprung und Dressur für jeden Pferdeliebhaber etwas zu bieten: Show, Spektakel und viele beste Freunde.

Von Elena Bruckner und Raphael Weiss

Eltern in Reiterhosen schlängeln sich durch das Gelände, vorbei an Ständen, Stadien und hübsch hergerichteten Pferden, an der Hand ihre Kinder, die gerade noch breit grinsend zum ersten Mal auf einem Pferd saßen oder nervös einen der vielen Reiter nach einem Autogramm fragen. Ob sie einen Amateur erwischen oder einen Weltklasse-Athleten wie Dorothee Schneider oder Simone Blum, ist ihnen egal. Zum 36. Mal hat die Pferd International das Gelände an der Olympia-Reitanlage in Riem in den vergangenen Tagen in eine Art Freiluftmuseum für Pferdeliebhaber verwandelt. Mehr als 70 Wettkämpfe in den Disziplinen Dressur, Springreiten, Paradressur, Voltigieren, Working Equitation und Para-Springreiten gab es zu sehen, dazu ein Schauprogramm und an die 200 Aussteller, die Sättel anboten, Ställe, Luxuscampingwagen oder Pferdefotoshootings.

Die Unerschrockenen

Während die Polospieler ihre Pferde den Rasen rauf- und runterjagen, dröhnt aus den Boxen im Reitstadion ein Remix von Bella Ciao. Zu der sehr modernen Version der sehr alten Arbeiterhymne wärmen sich die Reiter und Pferde auf, während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen. "Die Teams sind sehr gut drauf, die Stimmung ist toll, ich bin sehr zufrieden", sagt Wolf Jage, der Inhaber des Munich Polo Centers. "Wir spielen hier eine modernere Polo-Variante: kleineres Spielfeld, ein größerer Ball aus Leder, drei gegen drei. Ich glaube, das ist die Zukunft des Polosports." Wenig später sehen die Zuschauer, was die Vorteile der neuen Variante sind: Sie können ganz nah dran sein, wenn Pferde und Reiter im Galopp versuchen, sich den Ball abzujagen, in enge Zweikämpfe gehen, schieben, drücken und schließlich den Ball ins Tor schlagen. "Nach der Veranstaltung klingelt bei mir das Telefon. Vor allen Dingen Leute aus der Dressur und aus dem Springsport wollen unbedingt so ein Pferd probieren. Die sind cool, abgeklärt, die erschrecken sich vor nichts", erzählt Jage. Dietrich von Witzleben, der gerade noch das Team des Munich Polo Centers mit einem Tor zum Sieg geschossen hat, fügt an "Es ist purer Spaß. Man kämpft, attackiert, spielt. Ich empfehle jedem, der reiten kann, das auszuprobieren."

Abschied von Aramis

Nachdem die Pferd International im vergangenen Jahr Schauplatz der Weltmeisterschaft in der Working Equitation war, haben die Arbeitsreiter beim diesjährigen Turnier die ganz große Bühne bekommen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Veranstaltung dürfen die besten zehn Reiter der Disziplin "Speed Trail", in der ein Hindernisparcours auf Zeit geritten wird, im gesonderten "Masters of Speed"-Schauwettkampf auf dem Hufeisenplatz auftreten; dort also, wo normalerweise die Springreiter ihre Wettkämpfe austragen. Der Hufeisenplatz wird damit am Samstagnachmittag nicht nur zur Plattform, um die aufstrebende Working Equitation einem breiten Publikum vorzuführen, er stellt auch einen gebührenden Rahmen für den Abschied von Signums Aramis. Der 18-jährige Wallach hat Gernot Weber, der 2018 in München Team-Weltmeister wurde, elf Jahre lang als Turnierpferd begleitet. Weber und Aramis seien besonders für ihre Showeinlagen bekannt gewesen, erzählt der Stadionsprecher und bemüht ein Zitat von Webers Teamkollegen Stefan Schneider: "Gernot könnte bei 'Wetten, dass...?' auftreten, weil er jeden Turnierplatz am Sandgeschmack erkennen kann." Auch bei seiner Verabschiedung lässt sich Aramis eine kleine Slapstick-Einlage nicht nehmen. Beim Einmarsch aller Worker vor der Siegerehrung stößt er ein Springhindernis mitsamt Blumendekoration um, das sein Besitzer unter dem Beifall des Publikums wieder aufbaut.

Ruhe für Sir Locksley

Das Dressurreiten ist seit 1996 aus dem Programm der Paralympics nicht wegzudenken. Zur Pferd International hatte es die Disziplin bislang allerdings nicht geschafft. Nach dem Debüt des nicht-paralympischen Para-Springens im vergangenen Jahr sollte sich das ändern. 20 Reiterinnen und Reiter sind diesmal nach München gereist, um ihre deutschen Meisterschaften in fünf Kategorien auszutragen. Zahlreiche Besucher finden sich an den letzten drei Tagen der Veranstaltung trotz - oder vielleicht auch wegen - des strahlenden Sonnenscheins in der Olympia-Reithalle von 1972 ein und spenden begeistert Applaus für die Darbietungen - oder eben auch nicht. Angelika Trabert, Silbermedaillengewinnerin beim Paralympics-Debüt der Dressurreiter 1996, etwa bittet vor ihrer Kür mit Sir Locksley darum, auf Applaus zu verzichten. Der junge Wallach, mit dem sie erst seit drei Monaten trainiert, soll sich nicht zu sehr erschrecken.

Kunststücke im Galopp

Welches Kind hat nicht mal davon geträumt, mit seinem besten Freund, dem Pferd, unbeschwert über eine Wiese zu tollen? An diesen Traum kommt die Freiheitsdressur von Lucia Gloker mit ihrem blonden Wallach Sancho, den sie als ihren "besten Freund und Lehrmeister" beschreibt, ziemlich nah dran. Ohne Sattel reitet die 17-Jährige zu einem Lied von Ed Sheeran über den Rasen des Reitstadions, lässt Sancho sich hinlegen und eine Rolle machen und zeigt ihm Schrittfolgen, die er brav nachahmt. Dagegen hat der halsbrecherische Auftritt der französischen "Alliance Voltige" um Samuel Hafrad den Hinweis "Bitte nicht nachmachen!" verdient: Die vier Trickreiter lassen sich kopfüber von den Seiten ihrer Pferde hängen, schwingen unter dem Bauch des Tieres hindurch und ziehen sich auf der anderen Seite wieder in den Sattel - alles im vollen Galopp. Eindrucksvoll, aber natürlich nicht ganz das, was sich die zuschauenden Eltern für ihre pferdebegeisterten Kinder vorstellen.

Iltschi for Charity

Sie ist das ganze lange Wochenende über Stammgast gewesen in den VIP-Bereichen der Pferd International, hatte dabei immer ein Auge auf die Wettkämpfe und war doch stets für ein Foto mit Bewunderern bereit. Die Rede ist nicht etwa von einem pferdebegeisterten Promi, sondern von "Rosi International", dem Gesicht der diesjährigen Charity-Versteigerung. Mitte April hat der Münchner Karikaturist Bernhard Prinz eine weiße, lebensgroße Pferdefigur zum Bemalen in sein Atelier geliefert bekommen. In wochenlanger Arbeit wurde daraus, benannt nach der Mutter des Künstlers, Rosi - ein buntes Kunstwerk, das am Eröffnungsabend für 3700 Euro zugunsten der Patientenhilfe Darmkrebs der Felix-Burda-Stiftung den Besitzer wechselte. Bevor Rosi sich auf den Weg in ihre neue Heimat macht, darf sie dann noch drei Tage lang ihren lebendigen Artgenossen bei der Arbeit zuschauen. Als Botschafter der Aktion haben die Organisatoren den Schauspieler Erol Sander gewonnen. Der war allein schon wegen seiner Rolle als Winnetou, die er von 2007 bis 2012 bei den Karl-May-Festspielen ausfüllte, prädestiniert für diese Aufgabe wie kaum ein anderer.

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Quelle:
SZ vom 03.06.2019
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