Olympische Jugendspiele:Von Gold gestreift

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Kitesurferin Alina Kornelli sieht bei den Olympischen Jugendspielen wie die sichere Siegerin aus - dann wird sie umgefahren.

Von Andreas Liebmann, Buenos Aires/München

Dass Dabeisein alles sein soll? Das galt vielleicht auch für Alina Kornelli. Vor einigen Monaten. Vielleicht auch vor Wochen noch. Ganz sicher nicht in den vergangenen Tagen und Stunden in Buenos Aires, wo zurzeit die Olympischen Jugendspiele stattfinden. Am Sonntagabend fielen der 18-jährigen Kite-Surferin aus Reichersbeuern bei Bad Tölz zu ihrem Wettkampf Attribute ein wie "ätzend" oder "frustrierend"; und das, obwohl sie es bis in den Finallauf der besten Vier geschafft hatte. Doch alle hätten sie auch dort als Siegerin erwartet, sagte sie, "ich habe selbst gedacht, dass ich Gold gewinne". Dann sei da dieser Aufprall gewesen.

Es hatte einige Schlagzeilen gegeben über Kornelli in den Tagen zuvor. "Kite-Surferin aus Bayern düpiert Weltelite", lauteten sie. Oder: "Germany's Alina Kornelli continues dominance at the Youth Olympic Games." Überlegen war sie also. Auch der Deutsche Segler-Verband sah sie "auf Medaillenkurs". Schließlich hatte Kornelli (WSC Starnberg) nach einem achten Rang zum Auftakt die folgenden fünf Rennen alle gewonnen. "Das ist sehr ungewöhnlich", weiß sie. Weitere Läufe fielen mangels Wind aus, bis zum Finale hatte sie also fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Und auch dort sah es gut aus. Bis die Französin Poema Newland kam. Diese sei von hinten in sie hineingefahren.

Die Münchner Kitesurferin Alina Kornelli im Club Náutico San Isidro von Buenos Aires. (Foto: Gabriel Heusi/AP)

"Es hätte schlechter nicht laufen können", sagte Kornelli am Sonntagabend. Sie war gerade in der Stadt unterwegs, auf der Suche nach Ablenkung. "Viele versuchen mich hier aufzumuntern, sie wissen ja, was ich für eine Leistung gebracht habe", erzählte sie. Das Problem: Alina Kornelli weiß auch selbst genau, was sie geleistet hat, ohne den Lohn dafür einzustreichen. Im Finale wurde sie letztlich nur Vierte.

Ann-Kathrin Spöri, 17-jährige Badmintonspielerin vom TuS Geretsried, kam gar nicht so weit. Auch sie hätte vielleicht sogar auf eine Medaille hoffen können, bei gutem Verlauf, stattdessen schied sie in ihrer Vorrundengruppe aus - und war irgendwie doch glücklich. Denn dass sie im Einzel keine Bäume ausreißen würde, hatte sie einige Tage vor Wettkampfbeginn bereits bei der Auslosung erfahren. Nur die Erste jeder Vorrundengruppe würde weiterkommen, das war klar, und in ihre Gruppe war Goh Jin Wei gelost worden, eine Malaysierin, die schon mit 16 Weltmeisterin der Altersklasse U19 war. Eine Ausnahmekönnerin, die später auch das Turnier gewann. "Klar ist das ein doofes Los", urteilte die Zweitligaspielerin Spöri, an ein Weiterkommen war kaum noch ernsthaft zu denken. "Aber man darf schließlich auch nicht alle Tage gegen solche Leute spielen."

Spöri machte das Beste aus ihrem Olympia-Auftritt. Nach nervösem Auftakt mit einem 2:1-Sieg gegen die Schwedin Ashwathi Pillai und einer 0:2-Niederlage gegen die Indonesierin Maharani Batari ("Kopfsache, da wäre mehr drin gewesen") sei sie von Gohs extremem Tempo im dritten Einzel zunächst "überrumpelt" worden. Dann aber steigerte sie sich enorm und gewann den zweiten Satz. "Das war mein bestes Badminton", fand Spöri, auch Bundestrainer Matthias Hütten fand den Auftritt "überragend". Bis zum 9:11 im dritten Satz forderte Spöri die Favoritin, hielt deren Niveau mit. "Dann bin ich weggebrochen." 7:21, 21:18, 9:21 hieß es am Ende. Spöri hat seitdem viel Zeit, das Olympische Dorf und die Gegend zu erkunden, bei anderen Sportarten vorbeizuschauen und sich vielleicht schon ein wenig auf die Olympischen Spiele 2024 einzustimmen.

Jugendnationalspielerin Ann-Kathrin Spöri macht demnächst Abitur und verzichtet auf internationale Turniere. (Foto: Badminton-Verband/oh)

Die Organisatoren hatten sich in Buenos Aires einiges einfallen lassen, nicht nur für die Eröffnungsfeier, sondern auch zu den einzelnen Wettkampfmodi. Im Badminton etwa gab es einen ungewöhnlichen Teamwettbewerb, für den internationale Mannschaften wild zusammengelost wurden, um dann in Einzel, Doppel und Mixed bis zum 110. Punkt gegeneinander zu spielen. Spöri trat im Doppel mal mit einer Kamerunerin, mal mit einer Chinesin an, im Mixed mit einem Holländer. Ihr Team verpasste eine Medaille knapp. Dieser Wettbewerb sei stark vom Glück abhängig, befand sie.

Auch der Sprinter Fabian Olbert, der dritte Starter aus der Region (LG Stadtwerke München) musste sich mit einem ungewöhnlichen Modus über die 100 Meter vertraut machen: Alle 38 Teilnehmer bekamen nach ihren Vorläufen zweite Startchancen - am Ende sollte gewinnen, wer in der Addition beider Versuche die niedrigste Summe aufweist. Olbert, 17, beendete den Vorlauf am Freitag als Sieger mit der viertbesten Zeit (10,93 Sekunden), bei sehr kühlen Temperaturen und starkem Wind. "Für die Bedingungen hat er das zufriedenstellend gelöst", lobte Trainer Michael Ehrenreich. Olberts Rückstand auf die Medaillenränge sei vor dem Finale trotzdem größer als sein Vorsprung auf die Verfolger.

Fabian Olbert. (Foto: privat)

Im Beachvolleyball wurde das olympische Turnier eher herkömmlich ausgetragen. Der Dachauer Lukas Pfretzschner dominierte mit seinem Partner Filip John (FC Schüttorf) die Vorrundengruppe, was man von den Zweiten der U-19-WM von Nanjing wohl auch erwarten durfte - wären da nicht auch die Schweden David Ahman und Jonatan Hellvig gewesen, die erst vor Kurzem Europameister wurden. Aber die Deutschen setzten sich durch, 2:1. Doch nach dem Achtelfinale bescherte ihnen das Los erneut Ahman/Hellvig. Und diesmal gewannen die Schweden. "Das war riesengroßes Pech", fand Pfretzschner, doppeltes Pech sogar, weil die Schweden ihre Niederlage in der Gruppe zur Analyse genutzt und sich "eine sehr clevere Taktik zurechtgelegt" hatten. Sie gewannen 21:17, 21:16. "Man muss sie loben, das ist ein sehr gutes Team", sagte Pfretzschner, der den beiden nun auch den Turniersieg zutraut.

Alina Kornelli hatte auch einen Tag später ihre kuriose Finalniederlage nicht verwunden. Auch hier waren die Organisatoren einfallsreich gewesen: Erstmals habe es das gegeben, dass ein Finallauf über alles entscheide, unabhängig von all den Vorläufen, die Kornellis Dominanz zeigten. Schon vor der Karambolage war die Französin im Finale mit ihrem Kite in das der Oberbayerin geraten. "Ich hatte Vorfahrt", sagte Kornelli. Hätte sie sich nicht befreit, wäre die Konkurrentin wohl disqualifiziert worden. Doch Kornelli wollte weiter, kam los - dann sei der Zusammenprall gefolgt, der ihren Siegeszug endgültig stoppte.

Lukas Pfretzschner. (Foto: privat)

Das Brett beschädigt und weit abgetrieben, dauerte es ewig, bis Kornelli wenigstens noch über die Ziellinie fuhr. Sie sei dann mit dem zerstörten Board vor den Wertungsrichtern gestanden, sei kurz angehört, dann aber in ihrem Protest abgewiesen worden. Die Italienerin Sofia Tomasoni wurde zur Siegerin erklärt, die mit Strafpunkten belasteten Nina Font (Spanien) und Newman bekamen zwei Silbermedaillen zugesprochen. Kornelli blieb nichts - außer dem Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein. Dabei war sie auf den Punkt da gewesen, hatte ihre alten Fehler, die vielen Frühstarts, vermieden. Danach seien sehr viele Menschen auf sie zugekommen, die ihr versichert hätten, dass sie ihre wahre Siegerin wäre. Das immerhin kann Alina Kornelli mit nach Hause nehmen.

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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