Süddeutsche Zeitung

Oberschleißheim:Zelten neben dem Olymp

Auf der Regattastrecke in Oberschleißheim beginnt diese Woche die deutsche Kanu-Meisterschaft. Die Athleten, selbst jene, die gerade von der Weltmeisterschaft zurückkehren, campen alle gemeinsam an der Strecke.

Von Raphael Weiss, Oberschleißheim

Noch sind Sommerferien, Zeltlager sind da vielleicht nichts Ungewöhnliches, selbst so riesige wie jenes, das da gerade an der olympischen Ruderregattastrecke in Oberschleißheim entstehen soll. Aber kurios ist das natürlich schon: Etwa tausend Kanuten werden dort von diesem Dienstag an bis Sonntag tagsüber mit ihren Paddeln das kristallklare Wasser zum Schäumen bringen und um jede Zehntelsekunde kämpfen, um die Konkurrenz im Wettstreit um die deutsche Meisterschaft zu besiegen. Und nachts schlafen sie dann alle Seite an Seite unter freiem Himmel mit Blick auf die Sterne. Nicht nur die Junioren und die Schüler, die neben der Leistungsklasse an den Start gehen, nein: auch Weltmeister und Olympiasieger wie Max Rendschmidt werden hier zelten, statt im Hotel zu nächtigen.

Am sportlichen Wert der Veranstaltung ändert das freilich nichts. Die deutschen Kanuten gehören zur absoluten Weltspitze. Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im vergangenen Jahr holten sie sieben Medaillen: viermal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze. Und so treten in Oberschleißheim beispielsweise Max Hoff und Rendschmidt, die im Vierer Gold holten, gemeinsam im Zweier an und versuchen dabei Tom Liebscher, ihren Teamkollegen aus Rio, zu schlagen.

Auch am vergangenen Wochenende haben die deutschen Kanuten bei der Weltmeisterschaft im tschechischen Racice eine herausragende Leistung gezeigt. Mit vier Titeln und sechs Medaillen war es die erfolgreichste WM seit zehn Jahren. Im Einzel über 1000 Meter gewannen Sebastian Brendel im Canadier und Liebscher im Kajak Gold. Yul Oeltze und Peter Kretschmer siegten im Canadier-Zweier, ebenso wie der Kajak-Vierer der Männer, die Frauen holten in der gleichen Disziplin Silber.

Die Weltmeister haben - ebenso wie die anderen deutschen Kaderathleten - nun nur wenig Zeit, um sich zu erholen. Am Sonntag fand der finale Wettkampftag in Racice statt, von dort aus geht es direkt weiter nach München. "Für die Athleten ist das aber kein Problem. Die hatten ja bei uns schon eine optimale Vorbereitung auf die Wettkämpfe", sagt Karl Kaiser vom Regattaverein München. Auf seiner Strecke hatten die Athleten vor der WM drei Wochen lang trainiert.

Neben Weltmeistern und erfolgreichen Kaderathleten findet auch der Kanu-Nachwuchs seinen Platz in Oberschleißheim. Sowohl die Schülermeisterschaft als auch die deutsche Junioren-Meisterschaft finden in dieser Woche auf der Olympia-Regattastrecke von 1972 statt. Vor allem für sie ist das Campen, Zelt an Zelt mit den Olympiasiegern, ein besonderes Erlebnis.

Auch die Parakanuten tragen ihre Meisterschaft sowie den Deutschland-Cup aus. Das bedeutet für die Veranstalter: Etwa 1000 Athleten, 111 Entscheidungen, alle vier Minuten ein Start. "Das ist alles nur mit sehr viel ehrenamtlicher Hilfe und bester technischer Ausrüstung möglich", sagt Kaiser und ist sich dennoch sicher: "Wenn der Wettergott mitspielt, werden wir keinerlei Probleme haben."

Aus Münchner Sicht sind besonders Nico Paufler, 19, und Lisa Köstle, 18, interessant. Der Ismaninger Paufler tritt im Einer-, Zweier- und Vierer-Kajak auf 1000 Meter an. In jeder Disziplin trifft er auf mindestens einen der Vierer-Olympiasieger von 2016. Köstle von der Kanu-Gemeinschaft München geht bei den Juniorinnen im Kajak über 200 und 500 Meter an den Start und hat gute Chancen, beide Male das Finale zu erreichen.

Nach den Qualifikationsläufen folgen von Freitag bis Sonntag die Titelkämpfe. Der Eintritt ist gratis. Die Veranstalter rechnen mit rund 3000 Zuschauern an den Finaltagen. Am Freitagabend wird der Nationalkader vorgestellt, anschließend gibt es eine Autogrammstunde. Die Besucher müssen sich vermutlich nicht mit den Nachwuchskanuten um einen Platz in der Schlange balgen. Die haben auf dem Zeltplatz genug Möglichkeiten, ihren Vorbildern zu begegnen.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2017
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