Neue Actionsporthalle in München:Feuer unterm Dach

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Am Anfang hatte Sabine Schmalschläger eine Vision, daraus wurde die erste Actionsporthalle in München. Wegen behördlicher Auflagen und großer Zurückhaltung der Verbände kämpft sie nun ums Überleben.

Nick wartet schon. Fünf vor Zehn, in seinen coolen Freestyler-Klamotten mit Basecap - den Schirm natürlich nach hinten - steht er vor der Gravity-Lab-Halle, Glasfront, schicke Fassade, gleich geht's los. Nick, 8, nimmt am Feriencamp teil, um Freestyle-Basics zu lernen. Das Gravity Lab, das Schwerkraft-Labor, ist die erste Actionsporthalle in der Landeshauptstadt, eine Halle, die diese jahrelang klaffende Lücke in der Sportstadt München geschlossen hat.

Nick stürmt durch die Tür, er kann es kaum erwarten, weitere Tricks in diesen jungen Sportarten kennenzulernen: Parkour, Tricking, Skateboarding, Slacklining, die Halle ist beeindruckend. Es gibt eine 260 Quadratmeter große Trampolinlandschaft mit großem Luftkissen, in das die Jungs und Mädchen Saltos springen. Eine riesige Rampe mit verschieden hohen Schanzen, eine Wave, das ist eine Kombination aus Bowl, Miniramp und Kicker, alles, was einen Skateboarder oder BMX-Fahrer glücklich macht. Dazwischen der Airbag, ein gewaltiges Luftkissen, in dem auch hohe Sprünge weich abgefedert werden. Sicherheit wird groß geschrieben, sagt Sabine Schmalschläger.

Versuchslabor in Gefahr: Ein Skater im Gravity Lab in München. (Foto: Florian Peljak)

Die 50-Jährige ist die Frau hinter der Actionsporthalle, ohne sie würde Nick jetzt nicht jauchzend durch die Luft segeln. Ihre beiden Söhne haben sie auf die Idee gebracht, je besser die Zwillinge Luca und Matteo im Freeski wurden, desto schwieriger war es, eine Gelegenheit für Trockentraining zu finden. Aus der Vision sind 1700 Quadratmeter Spielwiese für neue Sportarten geworden - eine einzigartige Möglichkeit für Kinder, sich unter fachmännischer Anleitung auszutoben.

"Ich finde das echt klasse", sagt Bianca Schneider, Nicks Mutter. Ihr Sohn habe einen ausgesprochenen Bewegungsdrang, "das ist schon nahe am ADHS". Im Gravity Lab weiß sie ihn in guten Händen, denn lizenzierte Trainer sind grundlegender Teil des Konzepts, "hier werden die Kinder nicht einfach losgelassen und es gibt immer einen Ansprechpartner", sagt sie. Vor jeder Aktivität steht der "Gravity Check", dabei werden die Fähigkeiten der Teilnehmer in kleinen Gruppen von ausgebildeten Übungsleitern, die immer anwesend sind, eingeordnet, erste Grundkenntnisse wie richtiges Landen im Airbag geübt und ein Einblick in die Trainingsmöglichkeiten gegeben. "Da probieren sie nicht irgendwas aus, was gefährlich ist", sagt Schneider, die schon deshalb die 199 Euro für den Ferienkurs, der viermal täglich fünf Stunden beinhaltet, "absolut in Ordnung" findet. Für eine Stunde Training verlangt Schmalschläger 13 Euro, die Zehnerkarte erlaubt das elfte Mal umsonst, die Jahreskarte kostet 599 Euro.

Sabine Schmalschläger glaubt trotz Anlaufproblemen an ihr Projekt, in dem sich Kinder und Actionsport-Fans in der Wave, auf Trampolinmatten, Kickern oder Minirampen austoben können. (Foto: Florian Peljak)

Schmalschläger sagt, sie wollte "ehrliche Preise". Denn das Equipment wie Helme, Schoner oder Skateboards ist inklusive, Helmkameras gibt es ebenfalls kostenlos, am Ende des Kurses können sich die Kinder filmen und an einer eigens eingerichteten Schnittstelle unter Anleitung ihr eigenes Actionsport-Video herstellen. Eine Stunde Bowling sei teurer, sagt Schmalschläger, "oder gehen Sie mal Wakeboarden. Da kostet die Stunde mehr und sie zahlen Anzug, Weste, Board alles extra".

Die Hallenchefin musste die Eröffnung verschieben und eine hohe Hypothek aufnehmen

Es war ein langer und steiniger Weg von der ersten Idee vor fünf Jahren zur Halle, Schmalschläger musste viele Hürden überwinden. Die letzte setzt ihr immer noch zu: Weil das Labor vorher eine Industriehalle war, benötigte sie eine Nutzungsänderungsgenehmigung, besonders der Brandschutz machte Probleme. So musste extra eine Fluchttür in eine Wand gebrochen werden, nebst Geländer und Leiter an der Außenfassade, weil die Behörde einen Sprung in den Airbag und anschließende Flucht durch die nahe Eingangstür, was viel schneller gehen würde, ablehnt. 250 000 Euro zusätzlich hätte der Brandschutz gefressen, erzählt Schmalschläger, die Gesamtkosten für die Halle seien so auf 1,5 Millionen angewachsen. Schlimmer aber war die Verzögerung.

Denn die Ablehnung der Nutzungsaufnahme kam just am geplanten Eröffnungstag, "ohne einen Termin, wann es weitergeht", erinnert sich Schmalschläger, so habe man einen neuen Eröffnungstermin gar nicht erst bewerben können. "Das war für uns dramatisch." Als im vergangenen August die Erlaubnis erteilt wurde, waren Sommerferien, "da brauchst du keine Halle aufmachen", sagt Schmalschläger. Als es am 4. Oktober endlich losging, war die Vorbereitungssaison für die Snowboard- und Ski-Freestyler vorbei, ein wichtiger Faktor in der Planung. Den Schaden der verzögerten Eröffnung beziffert sie auf weitere 150 000 Euro, weshalb sie ihr Projekt mit einer Hypothek von 400 000 Euro starten musste. "Ich stehe mit dem Rücken zur Wand", denn die Halle wurde wegen ausbleibender Unterstützung seitens Kommunen oder Verbänden mit Investoren ausschließlich privat finanziert.

Völlig schwerelos: Jugendliche beim Trampolinspringen. (Foto: Florian Peljak)

"Jetzt muss ich nachfinanzieren", sagt sie, momentan sucht sie nach Lösungen. Eine könnte ein Strategiewechsel sein, zumal das Interesse der in Frage kommenden Verbände verhalten bleibe. Dort herrsche die Meinung vor, dass man große Vergünstigungen verdiene, "ich frage mich, ob die Sportler umsonst am Gletscher trainieren dürfen", sagt Schmalschläger spitz. Ihre gute Laune will sie sich nicht nehmen lassen, dafür habe sie zu lange gekämpft und zu viel mitgemacht. "Wer einmal da war, kommt wieder", sagt sie trotzig, das zeige, dass der Weg richtig sei. Das Problem sei vielmehr, dass das Gravity Lab nicht bekannt genug sei. Für eine Werbekampagne fehle das Geld - ein Teufelskreis.

Nun will Schmalschläger ihr Angebot erweitern, weg von der Szene und hin zum Breitensportler. Es wird für Kinder und Jugendliche einen günstigen Nachmittagspreis geben, Nicht-Freestyle-Kurse, Schmalschläger kann sich auch Firmenevents gut vorstellen. Am Wochenende etwa gibt es einen besonderen Kurs, mit Challenge für die Hauptperson inklusive Video, erzählt Schmalschläger: "Es ist unser erster Junggesellenabschied."

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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