Münchner Sportpolitik:Appell im Alten Rathaus

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Die Stadt investiert viel in den Sport, findet die Stadt. Nicht alle Vereinsvertreter teilen diese Ansicht. Bei einem Empfang werben die Akteure vor allem für Kommunikation.

Von Sebastian Winter, München

Jeder Stehtisch ist besetzt im Festsaal des Alten Rathauses am Marienplatz, nach den Reden und Ehrungen wandern Schweinefilet mit Spätzle, Fischhäppchen und zur Nachspeise mit Mousse-au-Chocolat gefüllte Kugeln und kleine Panna-cotta-Küchlein in die Münder. Unter dem riesigen Kronleuchter hat die Stadt München an diesem Dienstagabend auch zu einem besonderen Zusammentreffen geladen - dem Jahresempfang für die Münchner Sportvereine und -organisationen. Verena Dietl (SPD), Stadträtin, Sprecherin für Sport und die Vertreterin für ihre kurzfristig erkrankte Parteikollegin und Sportbürgermeisterin Christine Strobl, macht in ihrer Eröffnungs- und Dankesrede gleich klar: "Wir tun viel für den Sport in München. Alleine in diesem Jahr geben wir 72 Millionen Euro dafür aus. Das ist viel Geld, vielleicht sehen Sie das genauso." Zögerlicher Applaus. Denn längst nicht alle Spitzenvertreter der inzwischen 711 Sportvereine in München mit ihren 585 000 Mitgliedern sind da gleicher Meinung.

Die Stadt investierte zuletzt massiv in den Sport, durch einen Dreiklang an Maßnahmen: Mit ihrem ehrgeizigen Bauprogramm renoviert und erneuert sie gerade viele städtische Frei- und Bezirkssportanlagen; sie investiert in Großprojekte wie die neue Actionsporthalle in der ehemaligen Eggenfabrik, die Renovierung des Dantestadions und die Neukonzeption der teilweise maroden, inzwischen unter Denkmalschutz stehenden Olympiaregattaanlage in Oberschleißheim; und sie gibt Zuschüsse und Darlehen für Klubneubauten.

Zugleich müssen die Vereine den massiven Zuzug, knappe Flächen und ohnehin teure Mieten unter einen Hut bringen, die Folge: Immer mehr Klubs klagen über Aufnahmestopps, nicht wenige trainieren und spielen in renovierungsbedürftigen Anlagen. Und manche, wie der Schachclub Sendling, haben akute Raumprobleme. Der Träger Caritas habe dem SC die Räumlichkeiten zum Jahresende gekündigt, erzählt der Klubvorsitzende Jens Nissen, der sich auch deshalb an diesem Abend mit den Vertretern der Stadt und mit anderen Klubs austauschen möchte.

Nicht wenige Vereine fanden aber gerade die Zusammenarbeit mit der Stadt recht zermürbend in der Vergangenheit. Ein paar Klubs haben sich daher kürzlich zu einer Interessengemeinschaft verbunden, sie wollen weniger Bürokratiestau bei Infrastrukturprojekten und generell eine neue Kultur der Zusammenarbeit. Auch weil die Kommunikation mit der Stadt offenbar ausbaufähig ist. Dass auch Dietl diesen Ball aufnimmt und einen Appell startet, ist Teil der durchaus feierlichen, respektvollen Atmosphäre. "Wir nehmen die Probleme für Sie auf. Lassen Sie uns in Zukunft an einem Strang ziehen und miteinander reden statt übereinander."

Ein Lob hat Dietl auch für den FC Bayern übrig, der 2018 auf 70 000 Euro Unterhaltszuschuss für vereinseigene Anlagen wie die Allianz-Arena und den Jugend-Campus verzichtet habe - das Geld fließt auch an 133 andere Münchner Klubs, die in diesem Jahr rund drei Millionen Euro solcher städtischen Zuschüsse erhalten. Beim Blick in die doch recht männerlastige (und nicht unbedingt jugendliche) Runde sagt Dietl noch, dass sie nur die "Damen animieren" könne, mehr in die Vorstandschaften der Vereine zu drängen, in denen es immerhin 43,6 Prozent weibliche Mitglieder gebe. Die Ehrungen zeigen diese Vakanz ziemlich deutlich. Ob nun Norbert Kreitl (SVN München), Josef Kröll (SV 1880 München), Josef Wäsler (Betriebssportgemeinschaft Stadtsparkasse München, alle Ehrennadel in Gold), Alfred Schaller (1. Münchner Club für Ausgleichs- und Gesundheitssport, Ehrennadel in Bronze) oder auch der langjährige Vorstand des Sportbeirats, Hans-Ulrich Hesse (Medaille München leuchtet) und Landesschützenmeister Wolfgang Kink (Goldener Ehrenring): Keine einzige Frau durchbricht diese Phalanx verdienter sportbegeisterter Männer.

Immerhin: Es wird danach auch im informellen Rahmen noch viel geredet, der Abend dauert weit länger als drei Stunden. Stadträte tauschen sich mit Vereinsvorsitzenden aus, und die Initiatoren der kritischen Interessengemeinschaft unterhalten sich auch noch mit dem scheidenden Sportamtsleiter Günter Schwarz. Schwarz, der im Dezember in Ruhestand geht, war zuvor noch ganz gerührt gewesen von den warmen Worten, die Gastgeberin Dietl ihm zu Ehren an die Vereinsvertreter richtete - samt kleinem Lacher, sie habe ja gar nicht gewusst, dass er auch mal im Standesamt gearbeitet habe, das 50-jährige Jubiläum werde er aber leider nicht mehr schaffen.

"48 Jahre und vier Monate bin ich jetzt im Dienst der Stadt, davon 29 im Sportamt", sagt Schwarz selbst, der auch von manchem "Kommunikationsproblem" zwischen Vereinen und Sportamt spricht, aber immer noch für seine Sache brennt. Wo er den Sport künftig sieht? "Wir müssen überlegen, auf die Dächer zu gehen", sagt Schwarz. Die Aussichten könnten schlechter sein.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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