München:Hoch hinaus

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Mitreißender Typ: Von Center Mike Schmidbauer (li.) ging eine Trotzreaktion aus, die das ganze Team des BC Hellenen erfasste. (Foto: Stefanie Lübker)

Trotz anfänglicher Turbulenzen führen die Basketballer des BC Hellenen die 2. Regionalliga an. Ihre ambitionierten Pläne nehmen immer mehr Gestalt an

Von Andreas Liebmann, München

Konstantin Kirsch hatte eine Überraschung. Die neuen Plakate waren gekommen, die sie für ihre Basketball-Heimspiele bestellt hatten. Zwei riesige Transparente, fast zwei mal zwei Meter groß. Es war kurz vor Weihnachten, der Vorsitzende des BC Hellenen München hatte sich in kleiner Runde mit ein paar Spielern getroffen, darunter Christopher Herrmann, dem Kirsch nun freudestrahlend mitteilte, dass die Werbeagentur sein Foto dafür ausgewählt hatte. Klar: Der Fitnesscoach Herrmann, ein Modellathlet unter den Körben, ist mit seinen spektakulären Dunkings ein perfektes Motiv. Allerdings reagierte dieser mit einem gequälten Lächeln. Denn auch Herrmann hatte eine Überraschung: Er teilte den anderen mit, dass er nicht länger für den BC Hellenen spielen werde.

"Hoch hinaus" steht auf dem Plakat mit Herrmanns Dunking, das passt recht gut zu diesem Verein. Nun hängt es bei jedem Heimspiel an der Hallenwand, obwohl der Abgebildete gar nicht mehr dabei ist. "Ich bin Chris nicht böse", sagt Kirsch, "er ist ein feiner Kerl, und ich verstehe, was ihn dazu bewogen hat." Herrmann war Leistungsträger, als Fitnesscoach zählte er auch den ehemaligen FC-Bayern-Center John Bryant zu seinen Klienten, weshalb dieser sich bis zu einem Engagement in Monaco bei den Hellenen fit hielt. Herrmann habe sich nun mehr auf seinen Job konzentrieren wollen, berichtet Kirsch, und vor allem sei er nicht so recht zufrieden gewesen mit der Entwicklung des Teams.

Das klingt verwunderlich, denn der BC Hellenen kam mit der Rekordbilanz von 20:0 Punkten aus der Bayernliga. Und zumindest Herrmanns Plakat war live dabei, als die Münchner am vergangenen Samstag im Spitzenspiel der 2. Regionalliga Süd gegen die BG Leitershofen-Stadtbergen II ihre Tabellenführung ausbauten, durch einen erst in den letzten Minuten gesicherten 76:62-Erfolg über den bisherigen Tabellenzweiten. "Wir können uns jetzt theoretisch sogar zwei Niederlagen leisten", weiß Kirsch. Die Chance auf den Durchmarsch ist also sehr konkret geworden. Aber darum ging es Herrmann nicht.

Die aktuelle Saison ist - vom Tabellenstand abgesehen - völlig anders verlaufen als geplant. Wenige Wochen vor der Auftaktpartie hatte Kirsch im Urlaub eine SMS erhalten, um sechs Uhr morgens. Darin bedauerte der neue Trainer Lars Kohlrautz, dass er es zeitlich leider doch nicht schaffe mit seinem Engagement beim BC Hellenen. "Das war bitter", sagt Kirsch. Er hatte extra einen Coach mit A-Lizenz besorgt und seinen Urlaub so lange nach hinten geschoben, bis der komplette Kader stand. Von Naxos aus, einer griechischen Insel, organisierte er auf die Schnelle Dimitrios Linardou als Übergangstrainer, der schon diverse Hellenen-Teams betreut hatte.

Es lief dann aber sehr gut mit Linardou, erzählt Kirsch, irgendwann habe er die Spieler gefragt, ob sie nicht einfach so weitermachen wollten. Sie wollten. Alle bis auf Herrmann, der gerne einen A-Lizenz-Trainer gehabt hätte: "Er hat gesagt, er schaut sich das noch eine Zeit lang an." Bis kurz vor Weihnachten. Linardou, muss man wissen, ist "ein feiner Kerl", wie Kirsch versichert, er hatte aber gar keine Trainerscheine. Er speise sich aus seiner Erfahrung als Drittliga-Basketballer in Griechenland. "Wir spielen jetzt sehr unorthodox, nicht so, wie man es in den Lehrgängen vermittelt bekommt", sagt Kirsch, "dadurch sind wir aber auch schwerer zu scouten."

Herrmanns Plakat erinnert nun an so einige Turbulenzen der ersten Saisonhälfte. Wegen des Konkurrenzkampfs war der Kader mit 14 Spielern bewusst groß gehalten, doch irgendwann zwischen Trainer Kohlrautz und Center Herrmann waren auch Hergi Gjergji und Robel Atoberhan gegangen. Also besserte der Klub nach: Von seinem ersten Trainerkurs brachte Linardou den österreichischen Point Guard Raphael Miksch vom MTSV Schwabing mit, der nun per Doppellizenz bei den Hellenen ran darf, und Kirsch überredete Christian Hustert zum Kommen, einen 24-Jährigen, der in Schwabing kaum zum Zuge kam. "Bei uns spielt er eine ganz zentrale Rolle."

Vor allen anderen muss man aber den 2,10-Meter-Center Mike Schmidbauer erwähnen. Der musste Herrmanns Abschied, der den vierten personellen Rückschlag bedeutete, irgendwie persönlich genommen haben. Bis dahin wegen Leistenproblemen oft außer Gefecht, lief er plötzlich zu großer Form auf und zog alle mit. "Das Team sah sich vom Schicksal getroffen, das hat alle zusammengeschweißt", sagt Kirsch.

Nun stehen sie vor ambitionierten Rivalen wie München Basket und den Dachau Spurs.

An diesem Samstag (19.45 Uhr) ist nun das nächste Spitzenspiel, der BC Hellenen empfängt München Basket, den neuen Tabellenzweiten. Das Hinspiel ging verloren. "Wenn wir am Samstag gewinnen, wird es schwierig, uns noch einzuholen", weiß Kirsch. Die größten Sorgen bereite ihm der gegnerische Trainer Andy Sippach. Der sei neben seiner Eigenschaft als "feiner Kerl" auch "ein Künstler" auf der Trainerbank.

Vor einem Jahr gab Kirsch den Durchmarsch als Ziel aus, auch um von der Stadt mehr Hallenzeiten zu erhalten. Trotz der vielen Widrigkeiten im Herbst sieht es nun gut aus. Damals sagte Kirsch sogar: "Mein Plan wäre, unter die Top Drei in München zu kommen, das ist meine persönliche, vielleicht etwas verrückte Vision." Nun zieht der Verein bald in eine größere Halle, die 600 Zuschauer fasst. "Ich habe geschaut, dass sie bis zur ProB zugelassen ist", sagt Kirsch. So hoch spielt nur die zweite Mannschaft des FC Bayern. Dazu bräuchte es einen weiteren Aufstieg. Vermutlich würde sich der BC Hellenen bis dahin auch neue Plakate leisten.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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