Süddeutsche Zeitung

Linksaußen:Wickler und die Wickel

Wie bitte? Ein Hamburger? Von wegen: Einen Beinahe-Weltmeister im Beachvolleyball sollte man keinesfalls kampflos rausrücken. Clemens Wickler kommt selbstverständlich aus Starnberg. Quasi schon fast aus Tirol. Aber das ist wieder ein anderes Grenzgänger-Thema...

Von Andreas Liebmann

Simon Schwarz (das ist jener rothaarige Schauspieler, der den Birkenberger Rudi in den Dampfnudelkrimis von Rita Falk spielt) lebt in Berlin. An sich tut das nichts zur Sache. Er bleibt trotzdem Österreicher. Wiener, um genau zu sein. Keiner käme je auf die Schnapsidee, den Schwarz Simon ernsthaft als Berliner zu bezeichnen - oder gar zu besetzen.

Und Sebastian Bezzel (das ist der zugehörige Dorfpolizist aus den Winterkartoffelknödelfilmen) ist Garmischer. Für ihn gilt ganz Ähnliches. Obwohl er seit Jahren in Hamburg lebt: Trotzdem Oberbayer!

Das führt nun gleich in doppelter Hinsicht zur Beachvolleyball-WM. Die fand bekanntlich in Hamburg statt, also beim Bezzel vor der Haustür (wo die Eingeborenen jede Form von Sch-Lauten durch einfache S ersetzen und all die gesparten Schs in kleinen Päckchen großzügig ins Allgäu und nach Schwaben schicken, damit auch dort sich Menschen artikulieren können). Jedenfalls meldete der Nachrichtensender B5 (also: der Bayerische Rundfunk) am Freitag fröhlich, dass Clemens Wickler und sein Partner Julius Thole gerade das Achtelfinale erreicht hätten. Die beiden Hamburger! In Hamburg!! Ihrer "Heimatstadt"!!! Muss man einen Fast-Weltmeister kampflos herausrücken? Nein. Clemens Wickler kommt trotzdem aus Starnberg. Er hat hier für Fürstenfeldbruck, Bad Tölz und Kempfenhausen gespielt. Ein paar Umzugskartons machen noch keinen zum Südskandinavier!

Während die Grenzen zwischen Nord- und Süddeutschland gemeinhin leicht zu überblicken sind, fällt es Auswärtigen oft schwerer, Bayern und Österreicher trennscharf auseinanderzuhalten. Deshalb ist die (Schnaps-?)Idee, österreichische Schauspieler wie Schwarz in bayerischen Serien wie der Grießnockerl-Reihe einzusetzen, gar nicht so selten. Nach dem Motto: Klingen eh alle gleich. Umso lustiger, dass sich Bezzel und Schwarz gerade im Fernsehen darüber ausgetauscht haben, dass sie Tiroler und Vorarlberger Dialekte (Kch-Laute) kaum verstünden. "Manchmal steht man so davor und denkt sich...", sprach der Bezzel und fuhr fort: "...eine grobe Grundrichtung verstehe ich."

Der Dialog stammt übrigens aus ihrer neuen Reportage-Sendung "Grenzgänger", bei der die zwei Schauspieler allerlei Menschen zwischen Österreich und Bayern kennenlernen. Schnellstmöglich sollte man den beiden empfehlen, samt Kamerateam auch bei den Alpenvolleys einzufallen. Um darzustellen, wie die auf ihre Idee mit ihrer Kooperation kamen (keine Schnapsidee); wie sie kulturelle und sprachliche Barrieren zwischen Unterhaching und Innsbruck überwinden (etwa dadurch, dass sie nur einen Tiroler, einen Wiener, aber weder Bayern noch Hamburger im Kader haben, sondern Brasilianer, Australier...). Und wie sie es schaffen, den erbitterten Mautstreit (österr.: Wickel) in ihrer doppelten Heimat auszublenden.

Nur beeilen sollten sich die beiden vielleicht, sicherheitshalber. Denn die Alpenvolleys waren mal als Dreijahresprojekt konzipiert, und wenn man so durchzählt (aans, zwaa, dr..., Verzeihung: oans, zwoa, drei), dann könnte diese Grenzgeschichte in einigen Monaten theoretisch auch zu Ende gehen. Bis dahin haben die Alpenvolleys aber noch einiges vor. Gerade erst haben sie zum Beispiel einen 2,14-Meter-Slowenen geholt. Das könnte in der Mitte eine recht nette Blockabfertigung ergeben. Wenn es ihnen auf dem Feld gelingt, die Ausweichrouten dicht zu machen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4514939
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.07.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.