Linksaußen:Neuer All-Zeit-Rekord

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Wer sich über die klimatischen Bedingungen beim München-Marathon beschwert, sollte mal Leute fragen, die dem Langstreckenlauf in der Wüste frönen - oder im Weltraum.

Von Sebastian Winter

Es war schon zum Davonlaufen, dieses Marathon-Wetter in München. Am Sonntag haben sich 21 000 Road-Runner durch Regen, zehn Grad und böigen Wind gequält, über 42, 21, zehn oder sonst-wie-viele Kilometer. Manche verschandelten dabei ihre schöne, gerade erst nach der Wiesn getrocknete Tracht.

Das sind aber alles Luxusprobleme, jedenfalls im Gegensatz zu jener Herausforderung, vor der Tim Peake im vergangenen Jahr stand. Peake, Vater zweier Söhne, lief damals am 24. April den London Marathon. Allerdings nicht auf der Erde, sondern 400 Kilometer über Normalnull - im All. Der Astronaut brauchte für die Strecke, die er parallel zum London Marathon auf einem Spezial-Laufband in der Internationalen Raumstation ISS bewältigte, 3:35 Stunden. Ein guter Wert für ambitionierte Hobbyathleten, der noch besser wird, wenn man eines bedenkt: Dass einem das Laufen da oben so vorkommt, als trüge man einen 20-Kilo-Rucksack auf dem Rücken.

Für Peake jedenfalls, das sei der Vollständigkeit halber erwähnt, folgte nach vielen kleinen Schritten in der Schwerelosigkeit ein gewaltiger Sprung ins Guinness-Buch der Rekorde. Kategorie "Schnellster Marathon im All". Bei den Männern. Schneller, im Sinne von 'früher dran', war eine Frau. 2007 lief die US-Astronautin Sunita Williams als erster Mensch einen Marathon im All - und brauchte 4:42 Stunden für ihren virtuellen Boston Marathon.

Man könnte nun Witzchen machen über Verpflegungsstationen auf dem Mond, Marsriegel oder davon schwebende Isodrinks in der ISS, aber lassen wir das. Das All ist schließlich erwiesenermaßen Marathon-freundlicher als mancher irdische Ort, wie das Beispiel von Mauro Prosperi zeigt. Beim 233 Kilometer langen "Marathon des Sables" hatte sich der arme Italiener im Jahr 1994 in einem Sahara-Sandsturm so übel verirrt, dass er erst neun Tage später völlig abgemagert und weit vom Kurs entfernt in Algerien von Nomaden gefunden wurde. In seiner Not hatte Prosperi - sicher von Pasta-Partys träumend - Fledermäusen das Blut ausgesaugt und seinen eigenen Urin getrunken. Prosperi hätte damals sein letztes Shirt dafür gegeben, im vergleichsweise wohligen Raumklima der ISS laufen zu dürfen. Oder in München bei Wind und Wetter. Immerhin fand Prosperis Geschichte ein spätes Happy End. 2012 kehrte er zurück in die Wüste. Und kam diesmal nach gerade einmal 34,5 Stunden wohlbehalten ins Ziel.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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