Linksaußen:Nachsitzen in Neuss

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Der Münchner Eishockey-Profi Steve Pinizzotto pöbelt, provoziert und polarisiert wie kein anderer Profi in der DEL. Was tun? Ihn ohne Nachtisch ins Bett schicken? Die Liga hat sich etwas anderes ausgedacht: eine "Benimm-Nachhilfe".

Von Johannes Schnitzler

Ob es ums Pausengeld geht, die gemopste Bommelmütze oder abgekupferte Hausaufgaben - kleine Erpressungen auf dem Schulhof enden klassisch mit der Formel: " ... sonst hol ich meinen großen Bruder!" Die implizite Drohung: "Und der gibt es dir dann!" Der Eishockeyspieler Steve Pinizzotto, 34, vom EHC Red Bull München hat sogar zwei große Brüder, Jason, 37, und Marc, 35, beide sind ebenfalls Eishockeyspieler. Man kann sich vorstellen, wie der kleine Stevie im Sandkasten auftrumpfte, wenn ihm einer das Schäufelchen klauen wollte. Statt ihren Jüngsten zu beschützen, brachten Jason und Marc ihm aber bei, wie hart das Leben ist. "Als wir klein waren, haben sie es mir ordentlich gegeben", hat Pinizzotto im SZ-Interview einmal verraten.

Vielleicht liegt es an jenen traumatische Erfahrungen im Kinderzimmer. Vielleicht auch am Zeitpunkt seiner Geburt. Pinizzotto ist Jahrgang 1984, jener Jahrgang, den George Orwell für seine berühmteste Dystopie als Titel wählte. In "1984" herrscht ein totalitäres Überwachungssystem, die Parole lautet: Big Brother is watching you. Der Große Bruder beobachtet dich. Jedenfalls erweckt Pinizzotto den Eindruck, als wolle er eigenen Wunden vorbeugen, indem er anderen welche zufügt. Gleich bei seinem ersten Heimspiel für München brach er einem Gegenspieler den Unterkiefer, pro Saison sammelt er deutlich mehr als 100 Strafminuten.

Der Deutschkanadier - Spitzname "Sheriff" - pöbelt, provoziert und polarisiert wie kein anderer DEL-Profi. Die Meinung unter den Kollegen ist einhellig: Einen wie Pinizzotto hat man vorsichtshalber lieber in der eigenen Mannschaft. Hinter vorgehaltener Hand aber finden viele seine Ausbrüche nicht hinnehmbar. Der jüngste vor einer Woche in Wolfsburg, als er Grizzlys-Stürmer Sebastian Furchner hinterrücks niederstreckte und nach Spielschluss mit der Faust gegen den Kopf schlug, war offenbar der Schritt über die rote Linie. Wolfsburgs Manager Charly Fliegauf schnaubte ungewohnt offen: "Das war gemeingefährlich!" Pinizzotto sei außer Kontrolle.

Beim EHC weisen Trainer, Manager und Mitspieler gebetsmühlenartig darauf hin, Pinizzotto sei mehr als ein Prügler. Er sei ein guter Spieler und ein prima Kerl, der vor allem dem Team helfen wolle. Gleichwohl sagte Pinizzotto im selben SZ-Interview: "Ich mag es nun mal." Er meinte: zu kämpfen.

Die Liga hat nun mangels sportjuristischer Handhabe - keine Seite hat ein Ermittlungsverfahren beantragt - eine "unkonventionelle Vorgehensweise" angekündigt. Muss Pinizzotto bei der nächsten Verfehlung zusammen mit Marc und Jason in den Big Brother-Container? Muss der Rolling Stones-Fan vor der Kabine 48 Stunden lang "Street Fighting Man" singen? Muss er ohne Nachtisch ins Bett? Oder hundert Mal abschreiben: Ich darf nicht die Gesundheit von Kollegen gefährden? So ähnlich. Nach SZ-Informationen bestellte die DEL Pinizzotto am Freitag in ihr Büro nach Neuss ein - zur "Benimm-Nachhilfe". Pinizzotto soll zeigen, dass er lernfähig ist. Seine Bilanz am Wochenende: Ein Tor und eine Vorlage in Iserlohn, eine kleine Strafe gegen Berlin. Brav.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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