Linksaußen:Mit Abstand am besten

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Wohl dem, der Abstand halten kann - das sollte zurzeit auch im Sport das Motto sein. Ist es aber nicht, wie nicht nur diverse Fußballvereine beweisen.

Kolumne von Andreas Liebmann

D ie Welt wird immer kleiner. Nur die Abstände zwischen uns wachsen weiter."

Wen sonst sollte man in diesen Tagen als Kronzeugen zum Themenkomplex Distanz vs. Nähe anführen als einen Österreicher? In diesem Fall Ernst Ferstl, einen Lehrer und Dichter, dem man zugutehalten darf, dass er nicht aus Tirol, sondern aus Niederösterreich stammt; und der obigen Aphorismus ohne Mundschutz verfasste, in einer längst vergangenen Zeit, als man Corona noch für eine bierähnliche Substanz hielt. Abstand zwischen Menschen, Vereinzelung, Isolation galten damals als etwas Schlechtes. Heute versteht man den Sinnspruch anders.

Wohl dem, der Abstand halten kann - das sollte zurzeit auch im Sport das Motto sein. Findet Josef Hingerl, Rechtsanwalt und Chef des Golfclubs Bergkramerhof bei Wolfratshausen. Er hat vor zwei Wochen Briefe verschickt, an die Bundeskanzlerin, an Minister und Ministerpräsidenten, mit der Forderung, die Golfplätze zu öffnen. Weltweit und sofort. Es gehe um Bewegung an der frischen Luft, einen Beitrag zur emotionalen Stabilisierung, die positive gesellschaftliche Kraft des Sports. Und überhaupt könne man ja mit Privatautos zur Anlage kommen.

Man hätte Hingerl ähnlich antworten können, wie es am selben Tag Jonas Wahler tat. Der Münchner Leichtathletik-Trainer hatte einigermaßen empört einen offenen Brief an Heiko Herrlich verfasst, den Trainer des FC Augsburg. Der war als erster Profiklub aus der allgemeinen Trainingspause ausgeschert, mit Herrlichs verblüffender Begründung: "Jeder Fußballer möchte doch den Ball am Fuß haben und den Rasen spüren." Wahler wies also darauf hin, dass auch seine Athleten ganz gerne Spikes an den Füßen hätten, dass sich wohl auch Handballer nach etwas Harz sehnten, Schwimmer nach Wasser, und wohl kein Turner ein Reck zu Hause stehen habe (Marcel Nguyen hat einen kniehohen Barren im Garten, aber das nur am Rande). Was Wahler meinte: Es darf keine Ausnahmen geben von den Corona-Regeln. Auch nicht für Fußballer.

Inzwischen ist die Lage eine andere. Viele Fußballprofis dürfen wieder. In Kleingruppen. Mit Sicherheitsabstand. Ohne Zweikämpfe. Ganz vorbildlich. Womit man wieder bei Hingerl wäre. Denn natürlich ist Golf eine Sportart, bei der sich prima Abstand halten lässt. Man sollte vielleicht bis zum Ende der Pandemie darauf verzichten, einem Kollegen im eigenen Flight, der gerade einen Putt aus 30 Zentimetern versemmelt, aus nächster Nähe ins Gesicht zu lachen, ebenso auf die folgende Prügelei. Aber natürlich kann man auch ganz vereinzelt auf die Bahn gehen, oder im Familienverbund.

Jetzt, da es Ausnahmen gibt, wird es schwierig. Selbstverständlich, so werden Kugelstoßer nun reklamieren, stehen sie immer alleine im Ring, und wer ihnen näher kommt als 18, 19 Meter, ist sowieso selber schuld. Tischtennisspieler können mittels beschichteten Feinspans für einen Sicherheitsabstand von 2,74 Meter garantieren. Ringer und Boxer könnten es schwer haben, aber kann nicht fast jeder Mannschaftssport Kleingruppen bilden? Zählt Schach dagegen nun als Kontaktsport, sofern Spieler keine überlangen Arme haben? Die SpVgg Unterhaching jedenfalls hat den Vertrag mit Trainer Claus Schromm verlängert. Zwischen sie passe "kein Blatt Papier", erläuterte Klubchef Manfred Schwabl. Sicher haben sie eine Ausnahmegenehmigung für so viel Nähe. Und einen Mundschutz.

© SZ vom 14.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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