"Linksaußen":Kontaktfasten mit Klopstock

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Worüber berichten Sportreporter ohne Sport? Und was, wenn selbst die Nothelfer Goethe und die Bibel versagen?

Kolumne von Johannes Schnitzler

Die meist gestellte Frage an Sportreporter in diesen Tagen lautet: Worüber berichten Sportreporter eigentlich, wenn es keinen Sport mehr gibt? Nun, ...

Gute Frage.

Wenn nichts mehr geht, kein Startschuss fällt, kein Anpfiff gellt, dann gibt es immer noch die drei verlässlichen Nothelfer, die einem normalerweise in jeder Inspirations- und Kreativitätskrise flugs zur Seite springen: Goethe, Asterix und die Bibel. Mal sehen.

Der Olympier Goethe hat natürlich auch zum Thema Sport etwas beizutragen. Unter den deutschen Dichtern und Denkern des 18. Jahrhunderts war das Eislaufen offenbar derart beliebt, dass unter anderem Kleist, Klopstock (hat nichts mit Eishockey zu tun), Schiller und Novalis dem eleganten Übers-gefrorene-Wasser-Gleiten warme Zeilen widmeten. Der oberste Kufenkünstler Goethe schreibt in seinen Jugenderinnerungen "Dichtung und Wahrheit", Band IV: "Ein sehr harter Winter hatte den Main völlig mit Eis bedeckt und in einen festen Boden verwandelt. Der lebhafteste, notwendige und lustig gesellige Verkehr regte sich auf dem Eise. Grenzenlose Schlittschuhbahnen, glattgefrorne weite Stellen wimmelten von bewegter Versammlung. Ich fehlte nicht vom frühen Morgen an (...)." Nur sind die Eisbahnen längst abgetaut und von "bewegter Versammlung" und "großem Gedränge", wie Goethe weiter schreibt, gilt es sich in diesen Tagen tunlichst fern zu halten. Interessanterweise findet sich obige Passage wieder in der Sozialkritik von Elisabeth von Thadden, Titel: "Die berührungslose Gesellschaft" (C.H. Beck, 2018). Hoch aktuell.

Diagonalpass ins Jahr 50 v. Chr. in ein uns wohl bekanntes kleines gallisches Dorf. In Band XII, 1972 in deutscher Sprache erschienen, im Jahr der Spiele von München also, startet "Asterix bei den Olympischen Spielen". Als Walros, der Kampfsport-Koloss von Rhodos, von seinem Bruder zaghaft angefeuert wird ("Huhu, Brüderchen, huhu. Nur zu!"), zischen die gallischen Tribünengäste ihn böse an: "Immer fair bleiben!" Und liefern damit, beim Teutates!, ein Beispiel von eher zweifelhaftem olympischem Geist. Darüber hinaus verherrlichen die Abenteuer des listigen Kriegers und seines eigentlich überhaupt nicht dicken Kumpels Gewalt und allerlei üble Tricks inklusive Doping. Das führt in die Irre.

Die Bibel also. Nicht eben der sportlichste Ort. Die im Christentum lange tradierte Leibfeindlichkeit hat zwar wenig mit Social Distancing zu tun (das sich in diesen vorösterlichen Tagen immerhin als Kontaktfasten gutschreiben ließe); sehr wohl aber damit, dass die Olympischen Spiele just dann verboten wurden, als der christliche Glaube im römischen Reich zur Staatsreligion avancierte.

Nein, es hilft nichts. Der Sportreporter muss sich etwas einfallen lassen. Klopstocks Ode "Der Eislauf" (1764) lesen etwa, eine Warnung davor, sich auf zu dünnes Eis zu begeben. Die meist gestellte Einstiegsfrage, sonst eher unoriginell, ist momentan eh die angemessenste: "Wie geht es Ihnen?" Alles andere ergibt sich.

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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