Linksaußen:Klinsi und die Magier

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Die Kunst des richtigen Verschwindens hat Jürgen Klinsmann vermutlich nicht von Houdini gelernt. Aber es gibt andere. Einer soll angeblich am Tegernsee leben.

Kolumne von Ralf Tögel

Ist es eigentlich unwiderruflich bewiesen, dass Erik Weisz tatsächlich auf dem jüdischen Friedhof Machpelah Cemetery im New Yorker Stadtteil Queens ruht? Beerdigt in einem Bronzesarg, den er sich für eine, Achtung, Krematoriumsillusion anfertigen ließ, gestorben wegen einer Perforation des Wurmfortsatzes in die freie Bauchhöhle. Oder ist es denkbar, dass der weltberühmte Entfesselungskünstler Harry Houdini, wie sich Weisz seit seinem 17. Lebensjahr nannte, einmal mehr die ganze Welt getäuscht hat und irgendwo heimlich seinen Lebensabend genießt? Er wäre jetzt 146 Jahre alt, okay, aber wer weiß schon, bei einem Zauberer. Ist schon eine verzwickte Sache mit dem Verschwinden.

Wer kennt nicht das Gefühl, wenn man sich wünscht, die Erde möge sich für einen Moment öffnen und einen verschlucken. Jürgen Klinsmann müsste eigentlich derlei Gedanken hegen, da sich derzeit mindestens europaweit Häme über ihn ergießt. Nach seinem Verschwinden, das er ja per Facebook mitgeteilt hat. Der Wahl-Amerikaner ist davon ausgegangen, dass auch hierzulande jeder fußballinteressierte Mitbürger einen Account besitzt - und selbigen Tag und Nacht im Blick hat. Dann würde man natürlich mitbekommen, was der Klinsi vorhat. Es hat ja geklappt, aber man stelle sich vor, dass gar keiner gemerkt hätte, dass der Berliner 76-Tage-Trainer ansatzlos abtaucht?

Was hätten das für schöne Bilder sein können: Stehen die Fußballspieler Marvin Plattenhardt und Davie Selke auf dem Platz in Paderborn, fragt Selke: "Weißt du, wo der Trainer ist?" Antwort: "Keine Ahnung, der hat sich wohl in Luft aufgelöst!" Hihihi.

Fußballer haben offenbar ein ganz spezielles Verhältnis zum Thema Verschwinden. Der große Magier Nicolas Anelka zum Beispiel, der sich schwuppdiwupp vom Trainingsgelände Real Madrids in den Kofferraum eines Autos gezaubert hat. Wie weiland David-Copperfield - wo ist der eigentlich abgeblieben? Egal, es gibt ja andere. Den berühmten Illusionisten Savio Nsereko natürlich, der seit Jahren auf einer Art Welttournee das Publikum verzaubert, immer wieder verschwindet und an völlig unerwarteten Orten wieder auftaucht. Früher war der mittlerweile 30-Jährige mal U-19-Europameister mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, der Weg zum Profi schien vorgezeichnet, aber das war ihm anscheinend zu langweilig. Er hatte andere Vorstellungen von seiner Zukunft im Showbusiness und verlegte sich zunehmend auf Kunststücke mit Verschwinde- und Erscheineffekten.

Legendär seine Vorstellungen in und um München, beim TSV 1860 haben sie ihn seinerzeit sogar als vermisst gemeldet. Mei, die Löwen halt, die waren schon immer ein bisschen langsam. Oder sein Kunststück in Unterhaching, als er sich aus dem Münchner Süden ins ferne Thailand zauberte, von wo er aber auch recht bald wieder verschwand. Um mal in Köln, in Kasachstan, Bulgarien oder Litauen wieder zu erscheinen. Einen Auftritt hatte er in Pipinsried, dort dachten sie allen Ernstes, dass er zum Fußballspielen gekommen sei. Und guckten verdutzt, als er, Abrakadabra, dreimal schwarzer Kater, von der Bildfläche verschwand. Zurzeit gibt er ein Gastspiel in Sendling, wo er bisher aber nur Kunststückchen mit dem Ball vorgeführt hat.

Womit man schon beim berühmtesten Magier der Fußballwelt wäre. Uli Hoeneß hat seine Karriere beendet, ohne es zu versäumen, sich standesgemäß per weltweit beachteter Pressekonferenz mit einem Knall zu verabschieden. Das war ja so geplant: Blitz, Rauch, Explosion und zwischen Rummenigge und Salihamidzic, ebenfalls zwei berühmte Illusionisten, bleibt nur noch ein Rauchwölkchen übrig. Hat nicht ganz geklappt, der FC-Bayern-Erfinder ist dann ganz leise von der Bildfläche verschwunden. Was haben sie nicht alles gedeutet, die Fachleute und Besserwisser, die Gedankenleser: So einer kann nie loslassen, jeden Tag wird er irgendwo auftauchen und sich mitteilen, der braucht die Aufmerksamkeit - und was ist passiert? Nichts dergleichen. Hoeneß genießt irgendwo den Ruhestand. Nur einmal war er kurz in der Öffentlichkeit aufgetaucht, bei einem Schafkopfturnier. Hatte aber rein gar nichts mit Kartenzauberei zu tun.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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