Süddeutsche Zeitung

Linksaußen:Das Glück der Suchenden

Den perfekten Job gibt es nicht. Das müssen sich auch Kovac, Canadi, Kostner immer wieder vor Augen halten - und all die anderen geschassten Trainer.

Kolumne von Stefan Galler

Sie treten auf der Stelle? Sie sind langfristig unzufrieden? Ihre Erwartungen haben sich geändert? Sie wollen sich gar neuen Herausforderungen stellen? Laut dem Jobportal karrierebibel.de sollten Sie dann dringend darüber nachdenken, sich beruflich zu verändern. Und zwar auch noch mit 50 und darüber, und natürlich auch, wenn Sie sich noch lange nicht zum alten Eisen zählen. Aber ein solcher Wechsel muss wohlüberlegt sein, schließlich sollte man eine wichtige Regel bedenken: Den perfekten Job gibt es nicht, der gehört ins Reich der Märchen und Sagen. Genauso wie dieses ständige Gefühl, man habe im Autobahnstau immer die falsche Spur oder im Supermarkt genau jene Kasse, an der es am längsten dauert. Psychologen haben herausgefunden: Das ist nur ein subjektives Empfinden, den anderen geht es auch nicht besser als einem selbst.

Also hat Daniel Bierofka mit seiner Kündigung beim TSV 1860 München womöglich vorschnell gehandelt? Kann gut sein, laut karrierebibel.de ist Besserung beim Tausch des Arbeitsplatzes nämlich vor allem eines: Glückssache. "Vielleicht werden Sie durch einen Wechsel den nervigen Chef los, bekommen dafür aber einen Kotzbrocken als Kollegen. Haken gibt es überall", schreiben die Sachverständigen aus dem Netz.

Nun ja, so manchem bayerischen Fußballlehrer blieb in der vergangenen Woche keine Wahl, etwa Timo Wenzel, der mit dem FC Schweinfurt 05 die Rücklichter von Türkgücü in der Regionalligatabelle zuletzt aus den Augen verlor - und nun vom früheren Pipinsried-Coach Tobias Strobl abgelöst wurde. Oder wie wäre es mit Kovac, Canadi, Kostner - nicht nur eine hübsche Alliteration, sondern das Trio der geschassten Übungsleiter von Bayern, Nürnberg, Kirchanschöring. Wobei sich Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic in den Interviews nach der Entlassung von Niko Kovac darum bemüht, die Trennung als einvernehmlich darzustellen. Das war wohl eher nicht so, obwohl Kovac mutmaßlich mindestens das Gefühl hatte, auf der Stelle zu treten. Womöglich aber haben sich auch seine Erwartungen geändert. Oder er suchte eine neue Herausforderung. Wobei, was soll nach den Bayern noch kommen?

Die Frage, was nun kommen soll, stellt sich bestimmt auch Philipp Bönig, der beim VfR Garching wirklich freiwillig aus dem Amt schied. Dass es erneut so läuft wie beim letzten Mal, als er gleich nach dem Abstieg mit dem BCF Wolfratshausen in die Bezirksliga ein Angebot aus der Regionalliga erhielt, sich dadurch also um drei Etagen verbesserte, ist unwahrscheinlich. Falls doch, würde er diesmal schon direkt in der Bundesliga landen.

Wobei: Bönig, geboren in Erding, hat ja einst in der Jugend und bei den Amateuren des FC Bayern gespielt und trägt den an der Säbener Straße so geschätzten Stallgeruch am Leib wie Brazzo und Niko. Schon wäre ein Nachfolger im besten Alter gefunden - Bönig ist gerade mal 39.

Aber jetzt sitzt erst mal Hansi Flick fest im Sattel, nachdem es kurz so aussah, als würde sich Arsène Wenger, 70, den Job schnappen. Im Frühjahr 2018 war der Elsässer nach 22 Jahren bei Arsenal zu der Erkenntnis gelangt, dort langfristig unzufrieden gewesen zu sein. Das galt damals übrigens auch für die Fans der Gunners.

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Quelle:
SZ vom 11.11.2019
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