Leichtathletik:Urschreie und Schafkopfkarten

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Nicht nur die LG-Stadtwerke-Athleten glänzen bei den Munich Indoors.

Von Jakob Schätzle, München

Es war nicht immer einfach, den Überblick in der Werner-von-Linde-Halle zu behalten. Mehr als 600 Teilnehmer, Trainer, all die Zuschauer - und natürlich häufig mehrere Wettkämpfe zeitgleich, es herrschte ein reges Treiben. Ein Tag vollgepackt mit Leichtathletik, Schafkopfkarten als Siegerprämie und einem Wettkampf, den wohl kein Mensch in der Halle übersehen oder besser gesagt überhören konnte. Um 10 Uhr ging es beim Munich Indoor in der Halle im Olympiapark los, Ausrichter war der TSV Forstenried, ein Mitgliedsverein der LG Stadtwerke München. Die LG war mit 137 Aktiven gemeldet, insgesamt waren knapp 700 Aktive in fast 1300 Wettbewerben angekündigt. "Fast jeder Sportler bestreitet im Schnitt zwei Wettkämpfe", rechnete LG-Geschäftsführer Christian Gadenne vor.

Wie etwa Chiara Wetzel, die für die LG über 60 Meter im Sprint und im Hürdenlauf antrat. Letzteren lief sie in 8,98 Sekunden, der drittbesten Zeit des Tages, aber zwei Zehntelsekunden zu langsam für die Qualifikation zur deutschen Meisterschaft. "Im Training kann ich deutlich mehr", sagte Wetzel, eine Steigerung im Vergleich zu den südbayerischen Meisterschaften vor zwei Wochen war es dennoch: "Ein Schritt in die richtige Richtung." Dasselbe Fazit zog Wetzel auch nach ihrem 60-Meter-Sprint, 7,95 Sekunden bedeuteten Rang sechs. "Der Start war gut, hinten raus hat es dann ein bisschen gefehlt", jedenfalls nehme sie "ein gutes Gefühl" für die kommenden Wettkämpfe mit.

Chiara Wetzel wurde über 60 Meter Hürden als beste LG-Athletin Dritte. (Foto: Claus Schunk)

Den Sprintern und Hürdenläufern gehörte die Mitte der Halle, an der Hochsprunganlage daneben wirkte es, als ob ein junger Mann in neongrünem Shirt zwischen all den Wettbewerben ein Aufwärmtraining abhält. Ein ums andere Mal überquerte er die Latte, ging nach der Landung zurück zum Start, atmete kurz durch und lief erneut zum Sprung an. Florian Roth vom TSV Vaterstetten war natürlich auch Wettkämpfer - nur ist ihm die Konkurrenz ausgegangen. Ob er zufrieden sei? "Nee!", antwortete er trocken. Übersprungene 1,85 Meter waren zehn Zentimeter weniger als seine Bestleistung. Den Grund wusste er auch: "Ich habe meinen Anlauf im Training vor Kurzem verändert. Da passt es dann am Anfang noch nicht ganz." Außerdem hatte Roth nach kurzer Zeit eben keinen Gegner mehr, er testete also ohne Konkurrenz. Besonders intensiv immerhin, denn mangels vorhandener Rivalen gab es auch keine langen Pausen zwischen den Versuchen. So verließ Roth das Munich Indoor mit der Erkenntnis, dass der neue Anlauf noch Feinjustierung benötigt. Und mit bayerischen Spielkarten, die er bei der Siegerehrung neben der Urkunde bekommen hatte. "Eigentlich ganz nice", fand der Abiturient, zumal er in seiner Freizeit gerne Schafkopf spiele.

Dann wurde es wieder laut, ein Brüllen schallte durch die Halle: Das Kugelstoßen der Männer stand an, und nachdem der erste Schrei beim Stoß der 7,26 Kilogramm schweren Kugel die Aufmerksamkeit vieler Zuschauer und des Stadionsprechers auf den Wettkampf gelenkt hatte, lieferte Christian Zimmermann ein Highlight. Der Modellathlet vom Kirchheimer SC steht ja gerne allein wegen seiner Größe von 2,13 Metern im Fokus, nun baute er Spannung auf: Er ließ sich viel Zeit, als er langsamen Schrittes den hinteren Ring betrat. Jemand fing an, im Takt zu klatschen, alle machten mit, er hatte die Halle: Eineinhalb Drehungen, der Stoß, ein Schrei und Jubel. "Ich habe ihn ein bisschen weiter gesehen", meinte er zu den 19,70 Metern, die beste Weite des Tagen natürlich - und deutsche Jahresbestleistung.

Christian Zimmermann war im Kugelstoßen nicht zu schlagen. (Foto: Claus Schunk)

Zimmermann war zufrieden, auch wenn er seinen eigenen Hallenrekord aus dem vergangenen Jahr (19,75 m) knapp verpasste. Der Student trainiert ja in der Werner-von-Linde-Halle, kennt "jede Ecke", wie er sagte, "mehr Heimspiel kann man glaube ich gar nicht haben." Für die laufende Wintersaison hat er sich die 20-Meter-Marke vorgenommen. Dazu hat er unter anderem am kommenden Wochenende die Möglichkeit, samstags an selber Stelle bei den bayerischen Meisterschaften und tags darauf beim Kugelstoßmeeting in Rochlitz. Neben dem Auftritt von Zimmermann gab es natürlich viele weitere Höhepunkte: Aleksandar Askovic von der LG Augsburg lief die 60 Meter in sehr guten 6,69 Sekunden, was er so kommentierte: "Einfach mal eskaliert." Und LG-Athlet Vincente Graiani schaffte über 200 Meter in 21,90 Sekunden eine neue persönliche Hallenbestzeit - nur der Tscheche Matej Krsek (21,78) war etwas schneller.

Christian Gadenne zeigte sich zufrieden mit dem Turnierverlauf: "Organisatorisch ist alles gut gelaufen. Wir sind im Zeitplan geblieben. Das Ärzteteam hatte wenig zu tun. Und auch die LG-Sportler haben gute Leistungen gezeigt."

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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