Leichtathletik:Tapfer bis zum Schluss

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Valentin Döbler, 23. (Foto: Claus Schunk)

Der Kugelstoßer Valentin Döbler beendet mit 23 seine Karriere. Gut ein Jahr nach seiner jüngeren Schwester und aus ähnlichen Gründen - doch er hatte alles probiert.

Von Andreas Liebmann, München

Die Geschichte vom Anfang war so schön, dass sie zwingend ein Happy End verdient hätte. Vor vielen Jahren stöberte Valentin Döbler im Keller seines Elternhauses in alten Sachen herum, dabei entdeckte er Urkunden seines Vaters Jörg, aus einer Zeit, als der ein erfolgreicher junger Kugelstoßer war. Valentin wollte dann selbst ein Kugelstoßer werden, also ging der Vater zu seinem ehemaligen Trainer Gerhard Neubauer, der sich eigentlich schon ziemlich zur Ruhe gesetzt hatte. Er fragte, ob er nicht seine Kinder trainieren wolle, Valentin und dessen jüngere Schwester Amelie gleich mit. Neubauer willigte ein. Er entschied, Jörg Döbler wäre sein erster Athlet gewesen, also sollten dessen Kinder seine letzten sein.

Beide wurden sehr gut. Amelie gewann mit dem Diskus EM-Silber in der Altersklasse U18. Sie profitierte anfangs auch davon, um einiges größer zu sein als ihre Konkurrentinnen. Valentin hatte diesen Wettbewerbsvorteil nicht, aber mit 1,98 Meter hat er ebenfalls eine sehr ordentliche Höhe für einen Kugelstoßer erreicht. In den Altersklassen U20 und U23 holte er bei deutschen Meisterschaften vier Bronzemedaillen. Die Geschwister trainierten ständig zusammen, der Bruder chauffierte die Schwester durch die Gegend, als er seinen Führerschein hatte.

"Wir haben immer gesagt: Wir ziehen das gemeinsam durch, und irgendwann stehen wir zusammen bei Olympia", hat seine Schwester mal erzählt. Doch im Sommer 2018 beendete Amelie ihre Karriere. Mit 19. Die Leistungen hätten zu sehr stagniert für all den Aufwand und die Entbehrungen. Die Aussicht sei zu gering, sich auch bei den Erwachsenen durchzusetzen. Das ist zumindest die Kurzform einer langen Geschichte. Für Trainer Neubauer war das nicht leicht zu verdauen.

Seit Sommer 2019 zeichnete sich ab, was die LG Stadtwerke München nun bekannt gab: Auch Valentin Döbler hat seine Laufbahn beendet. Er ist gerade 23 geworden. Die Leistungen hatten zu sehr stagniert für all den Aufwand, die Entbehrungen, und die Aussichten, sich bei den Erwachsenen durchzusetzen...

"Das tut uns weh", sagt LG-Manager Christian Gadenne. "Er hat es probiert", sagt Trainer Neubauer, "er hat gekämpft. Wir haben alles probiert." Der 66-Jährige ist nicht geknickt, er hat den Entscheidungsprozess eng begleitet. Sie hätten sich Zwischenziele gesetzt, als sich Valentin Döbler für die Polizeiausbildung entschied. Eines war, jene 19,50 Meter zu erreichen, die ihm die weitere Förderung im Bundeskader gesichert hätten. Es habe zwischendurch nicht übel ausgesehen, doch die Bestleistung ist dann doch bei 18,98 Metern geblieben - sie ist zweieinhalb Jahre alt. Man fange an, "das Ganze zu hinterfragen", sagt Döbler. "Das nagt an der Motivation. Am Ende hat mir der Sport bei Weitem nicht mehr so viel Freude bereitet wie zwei Jahre zuvor."

Valentin Döbler habe mehr kämpfen müssen als seine Schwester, sagt Neubauer, "und er hat sehr tapfer gekämpft". Bayerische Rekorde stellte er auf, übertraf die Bestweiten seines Vaters. Doch zuletzt kratzte er trotz vieler Umstellungen eher an der 18- als der 19-Meter-Marke. Einmal, bei einem Leistungstest in Leipzig im Winter, habe Döbler 19,40 Meter gestoßen, er sah also, dass es möglich wäre. Doch in ein Wettkampfresultat bekam er das nie umgesetzt. Die internationale Elite ist ohnehin weit weg. Seit Juli hat er keine Wettkämpfe mehr bestritten. "Er wird jetzt genauso tapfer seine Ausbildung fertigmachen", sagt Neubauer.

Der Start, erinnert sich der Trainer, sei schwierig gewesen. Valentin war 14, Amelie elf, als sie zu ihm kamen, etwas spät, und beide "ohne athletische Vorbildung". Dieses Defizit seien sie nie ganz losgeworden, hätten das aber immer wieder durch andere Dinge zu kompensieren vermocht.

An diesem Samstag (14 Uhr, Sieboldstraße 4) veranstaltet der TSV München-Ost, zu dem die in der LG Stadtwerke eingebundene Werfergruppe der Trainer Neubauer und Andreas Bücheler gehört, das alljährliche Weihnachtskugelstoßen. Die beiden Döbler-Kinder werden höchstens noch als Zuschauer erwartet. Neubauer ist inzwischen Präsident des Bayerischen Leichtathletik-Verbands. Er wird die Gruppe weiter unterstützen, sagt er, es sind viele neue Talente da, die er vor allem mit dem Diskus schulen will. "Als Präsident schadet es nicht, ein bisschen Kontakt zum Sport zu behalten." Doch die Zeit, in der er Athleten alleinverantwortlich trainiert, die seien damit nun tatsächlich vorbei.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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