Leichtathletik:Federschritt für Federschritt

Lesezeit: 3 min

Die neue 1500-Meter-Meisterin Katharina Trost von der LG München hat sich zuletzt rasant entwickelt.

Von Andreas Liebmann, München

Alina Reh kämpfte, sie ruderte mit den Armen, die Lockenmähne auf ihrem Kopf wogte hin und her. Sie wollte nicht klein beigeben, so kurz vor dem Ziel. Doch eingangs der Schlussgeraden war sie eingeholt worden, nun lief sie Schulter an Schulter mit Katharina Trost von der LG Stadtwerke München. Trost, lange blonde Haare, einiges kleiner als Reh, kämpfte zwar auch - doch ihr sah man das nicht an. Trosts Schritte wirkten selbst auf den letzten dieser 1500 Meter so federnd wie zu Beginn. Locker und entspannt sah das aus.

Genau das ist einer der Gründe, wieso ihre Trainer in München sie seit dieser Saison von einer 800- zu einer 1500-Meter-Läuferin umformen. "Über 800 Meter hatte sie oft Schwierigkeiten, das Tempo anzuziehen, über 1500 wirkt sie bis zum Schluss unverkrampft", erklärt Daniel Stoll. Für die Athletin selbst fühlt es sich allerdings ganz anders an. Am Ende kostet auch sie jeder einzelne Federschritt Überwindung.

Am Montag war Katharina Trost etwas nervös. Am Abend stand ihr ein Fernsehauftritt bei München TV bevor, "so etwas habe ich noch nie gemacht", sagte sie. Tags zuvor, am Sonntagnachmittag in Leverkusen, hatte sie als Erste die Ziellinie überquert, sie ist nun deutsche U23-Meisterin. "Das kann ihr keiner mehr nehmen", betonte Stoll. Auch Katharina Trost selbst muss sich das vor Augen halten. Denn im Ziel war sie doch hin- und hergerissen von ihren Gefühlen. Einerseits dieser Titel, "darüber habe ich mich riesig gefreut", versichert sie. "Die letzten drei Jahre ist es nicht wirklich gut gelaufen." Dass sie so schnell so weit kommen und sich auf der ungewohnten Distanz gleich um zehn Sekunden verbessern würde, hätte sie vor der Saison "nie gedacht". Andererseits hatte ihr der Blick auf die Uhr im Zielraum des Leverkusener Fritz-Jacobi-Stadions einen Hieb versetzt. 4:15,80 Minuten standen da, neue Bestleistung, aber eben auch: acht Zehntel an der Norm für die U23-Europameisterschaften vorbei, die Mitte Juli im polnischen Bydgoszcz stattfinden. Eine Winzigkeit. Es war die letzte Chance, die vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) geforderte Zeit zu laufen, und es war ihre vorerst letzte Chance auf eine EM-Teilnahme. Trost wird 22, in zwei Jahren zur nächsten U23-EM ist sie zu alt. Künftig muss sie sich im Frauenfeld durchsetzen. "Im Ziel war die Enttäuschung definitiv groß", gesteht sie. "Auf der Strecke dachte ich gar nicht, dass wir so schnell unterwegs sind."

Immer schwingt dieses "Schade" mit: Nur acht Zehntelsekunden fehlen ihr am Ende zur EM-Norm

Dabei war genau das der Plan gewesen. Sie hatte sich abgesprochen mit Alina Reh, einer 20-jährigen Langstreckenspezialistin aus Laichingen: Die erste Runde wollte sie selbst Tempo machen, mutig sein, dann sollte Reh vorbeiziehen. "Und am Ende wollten wir gemeinsame Sache machen." Exakt so lief es dann auch. Und beinahe wäre es eine Punktlandung geworden. "Vielleicht hätte ich schon 300 Meter vor dem Ziel anziehen sollen", sagte sie nun, "ich habe es mich nicht getraut, aus Angst, dass ich am Ende sterbe". Dass sie vorzeitig einbrechen würde. "Ich muss mir mehr zutrauen, mental stärker werden."

Ein Erfolg war es trotzdem. Vor einem halben Jahr kam Trost von der LG Rupertiwinkel nach München. Ihr Vater Werner Trost hatte sie dort trainiert. Dazwischen hatte sie zwei Jahre mit einem Stipendium in Iowa verbracht, im Mittleren Westen der USA. Doch weder ihr Sportmanagement-Studium noch das Training dort stellten sie zufrieden. "Es war eine tolle Erfahrung, ich habe viele Freunde gewonnen, und das erste Jahr lief super", erzählt sie. Doch dann habe ihr Trainer gewechselt und mit ihm die Methodik. Plötzlich sei sie bis zu vier Tage pro Woche im Kraftraum gestanden. "Eigentlich hatte ich ohnehin nur ein Jahr geplant, und dann war mir klar: Ich will noch etwas Vernünftiges studieren." Grundschullehramt in München. Sie trainierte zunächst wieder bei ihrem Vater, doch ihre Wettkampfleistung stagnierte. Ihre 800-Meter-Bestzeit (2:03,59) stammt immer noch von der U20-EM 2013 in Rieti. Sie lief dort gemeinsam mit Christine Gess und Christina Hering im Finale - ihren heutigen Trainingskolleginnen in München.

Auch Hering kämpft zurzeit um eine Norm, für die WM in London. Aber sie hat noch etwas Zeit. Trosts Zeit ist um. In Tübingen hatte sie es versucht, in Oordegem, in München, Regensburg und nun in Leverkusen. Bis zum Nominierungsschluss. "Wir hatten gar nicht so viele Rennen geplant", erzählt Stoll, "aber sie hat jedes Mal gesagt: ,Ich kann noch schneller'". Nur schwang bei jeder neuen Steigerung wieder dieses "Schade" mit. Natürlich könnte der DLV sie nun trotzdem nominieren angesichts ihrer rasanten Entwicklung, große Hoffnungen haben aber weder sie noch Trainer Stoll. Der betont trotzdem: "Dass sie jedes Mal neue Bestzeiten liefert, ist sicher nicht normal."

© SZ vom 20.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: