Süddeutsche Zeitung

Kitesurfen:Weit weg von Buenos Aires

Die 19-jährige Kitesurferin Alina Kornelli hat lange mit ihrem Pech bei den Olympischen Jugendspielen gehadert. Jetzt ist sie deutsche Meisterin geworden - und kann sich ganz auf ihren Sport konzentrieren.

Von Benjamin Engel, Reichersbeuern

In einem Sportlerleben kann ein Jahr alles drehen. Monatelang hatten die Kitesurferin Alina Kornelli ihre verpatzten Olympischen Jugendspiele in Buenos Aires beschäftigt. 2018 hatte die junge Frau aus Reichersbeuern bei Bad Tölz die Rennen lange überlegen dominiert. Am Ende war sie dann aber nur auf dem vierten Platz gelandet, nach einer Karambolage, für die sie nichts konnte. Jetzt ist Kornelli in der deutschen Tourserie erstmals deutsche Meisterin im Slalom geworden. Jeweils Dritte wurde sie im Hydrofoil Racing und Freestyle. "Es gibt immer Hochs und Tiefs", sagt sie. "Es ist wie eine Wiedergutmachung, wie weit ich jetzt gekommen bin."

Inzwischen kann sich die 19-Jährige ganz auf den Sport konzentrieren. Ein großer deutscher Automobilhersteller sponsert sie seit dem Frühjahr. Dafür ist Kornelli umso mehr für Werbe- und Messeauftritte unterwegs. Doch den neuen Trubel kann sie genießen. Sie erzählt von einem Shooting in Kroatien für ihren Sponsor. Am Set habe sie mit 20 Leuten zusammengearbeitet. Wie hochprofessionell alle gearbeitet hätten, sei interessant zu beobachten gewesen, schildert sie. Daran habe sie großen Spaß gehabt.

Bald will sich Kornelli wieder international messen. Die nächste EM steht Ende September an

Auf ihrer derzeitigen Erfolgswelle will sich die junge Frau nicht ausruhen. "Ich möchte trotzdem noch weiterkommen", sagt sie. Das bedeutet, viel zu trainieren - und das in allen drei Kitesurf-Disziplinen. In ihrem Sport ist Kornelli Allrounderin, was eher ungewöhnlich ist, weil sich die meisten spezialisieren. Doch so könne sie mehr am Wasser sein, wo sie sich am wohlsten fühlt, sagt sie.

Mit Sylt, Norderney, Usedom, Heiligenhafen und St. Peter Ording hatte die deutsche Meisterschaftstour in diesem Jahr fünf Austragungsorte. Doch Kitesurfen ist sehr windabhängig, weswegen nur drei Slalomrennen gefahren werden konnten. Die hat Kornelli alle gewonnen, ist in dieser Disziplin an der Spitze angekommen. Doch im Hydrofoil-Racing - in dieser Disziplin gleiten die Kiter auf einer langen Spezialfinne hoch über dem Wasser, was selbst bei wenig Wind hohe Geschwindigkeiten erlaubt - sowie im Freestyle will sie sich noch verbessern. "Da geht noch mehr", davon ist Kornelli überzeugt. Die Tricks für spektakuläre Sprünge im Freestyle einzustudieren, braucht viel Zeit. Denn die müssen perfekt funktionieren, ob es nun viel oder wenig Wind oder hohen Wellengang hat. "Das ist cool, weil du nie zu Ende gelernt hast", erklärt Kornelli.

Am längsten auf dem Wasser sind die Kitesurfer jedoch beim Hydrofoil-Racing. Für ein Rennen brauchen die Sportler zehn bis zwanzig Minuten. Fünf bis sechs Läufe gibt es an einem Tag. "Da musst du nicht so lange warten, bis du drankommst", beschreibt Kornelli, was ihr an dieser Disziplin gefällt. In allen drei Disziplinen anzutreten, macht es aber auch besonders stressig. Manchmal hat Kornelli nur eine halbe Stunde Zeit, um ihre Ausrüstung nach einem Rennen zu wechseln und erneut ins Wasser zu gehen. Deshalb ist sie froh, dass ihr Vater Dietmar - selbst erfolgreicher Surfer - noch immer zu vielen Wettkämpfen anreist und sie unterstützt.

Mit den deutschen Kitesurfern an der Spitze mithalten zu können, ist für Kornelli manchmal immer noch überraschend. "Ich dachte, ich schaffe das nicht, weil ich in Bayern wohne", erzählt sie. Gegenüber ihren Konkurrentinnen an Nord- und Ostsee sah sie sich wegen der besseren Trainingsbedingungen benachteiligt. Doch nach dem letzten Tourstopp der deutschen Meisterschaftsserie in St. Peter-Ording am vergangenen Wochenende war Kornelli drei Tage daheim in Reichersbeuern. Die Zeit nutzte sie, um am Tegernsee zu trainieren. Frühmorgens zwischen 6.30 und 9 Uhr sind dort die besten Windbedingungen. "Das ist geil", sagt die Kitesurferin. "Du fährst über den ganzen Tegernsee und siehst, wie die Sonne aufgeht." Jetzt reist sie wegen eines Auftritts für ihren Sponsor zur Messe Caravan Salon nach Düsseldorf, ehe es wieder nach Hause geht.

Mit den anderen Kitesurferinnen auf der deutschen Tour unterwegs zu sein, macht Kornelli Spaß. Im Großen und Ganzen verstünden sie sich alle gut, schildert sie. Mit der deutschen Europameisterschaftszweiten Lonia Häger könne sie auch mal einen Witz reißen. Bei anderen merke sie aber schon die direkte Konkurrenz. "Ich mache eigentlich mehr mit den Jungs als mit den Mädels", sagt Kornelli.

Heuer hat sich die Oberbayerin vor allem auf die deutsche Kitesurf-Tour konzentriert. Jetzt möchte sie sehen, wie sie sich auf internationalen Events gegen erheblich mehr Konkurrenz schlagen kann. Denn in Deutschland ist das Teilnehmerfeld mit zumeist um die zehn Starterinnen überschaubarer. Bei einer Europameisterschaft treten meist zwischen 20 und 30 Kitesurferinnen gegeneinander an. 2017 ist Kornelli bereits Zweite im kalabrischen Gizzeria geworden. Die nächste EM steht Ende September vor Sardinien an. Auch auf einem internationalen Tourstopp möchte sich Kornelli mit den Weltbesten messen und sich künftig vermehrt auf Hydrofoil-Racing und Freestyle konzentrieren. "Ich werde sehen, wie schnell ich mich hochkämpfen kann", sagt sie. Ihren deutschen Meistertitel im Slalom zu verteidigen, wäre ebenfalls ein reizvolles Ziel für das nächste Jahr. Dann möchte Kornelli auch zu studieren beginnen.

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Quelle:
SZ vom 30.08.2019
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