Kitesurfen:Glitzerndes Wasser

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Mit ihrem Kite-Schirm erreicht Alina Kornelli aus Reichersbeuern auf dem Wasser Durchschnittsgeschwindigkeiten von 40 Stundenkilometern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Alina Kornelli ist eine der besten deutschen Kitesurferinnen. Für ihren Sport braucht die 18-Jährige aus Reichersbeuern viel Organisationsgeschick.

Von Benjamin Engel, Reichersbeuern

Sogar über das Regenwetter kann sich Kitesurferin Alina Kornelli derzeit freuen. Die 18-Jährige aus der oberbayerischen Gemeinde Reichersbeuern bei Bad Tölz genießt die Zeit abseits des Wassers zuhause. "Jetzt habe ich ein paar Tage Ruhe", berichtet sie. "Dann geht es eh bald wieder los."

Mehr als einen Monat stand die junge Frau fast ununterbrochen auf dem Brett. Bei der Weltmeisterschaft der Erwachsenen im italienischen Gizzeria wurde sie Fünfte. Anschließend sammelte Kornelli im spanischen Dénia - dort hat ihre Großmutter ein Haus - Wettkampfpraxis, bevor sie zu den Kitesurf-Masters nach Sankt Peter-Ording anreiste. Mit Platz eins im Slalom, dem zweiten Rang im Big Air und Rang drei beim Freestyle war sie mehr als zufrieden. Häufig unterwegs zu sein und immer wieder die Koffer zu packen, stört sie kaum. "Ich mag es, wenn ich viel zu tun habe", sagt sie.

Kornelli zählt zu den besten Nachwuchs-Kitesurferinnen weltweit. Um auf Hochleistungsniveau mitzuhalten, braucht sie Organisationsgeschick. Ihre Abiturprüfungen am Tölzer Gabriel-von-Seidl-Gymnasium hat sie von Mai auf Juli verschoben. Nur so schaffte sie es zur Juniorenweltmeisterschaft im chinesischen Hainan. Dort qualifizierte sie sich im Kite-Slalom für die Olympischen Jugendspiele in Buenos Aires Mitte Oktober - als eine von nur zwölf Starterinnen weltweit. Ihr Abitur bestand sie dann eben später.

Wie vielseitig das Kitesurfen ist, fasziniert die junge Frau. Mit ihrem von einem Lenkdrachen gezogenen Surfboard erreicht sie Durchschnittsgeschwindigkeiten von 40 Stundenkilometern. Über den am Trapez eingehängten Lenkgriff mit den 20 bis 25 Meter langen Steuerungsleinen kann sie die Fahrtrichtung verändern oder sich meterhoch in die Luft katapultieren. Das erlaubt Tricks wie einen Rückwärtssalto, sich zügig um die eigene Achse zu drehen und viel mehr. Sie selbst hat schon Sprünge bis zu sieben, acht Meter über der Wasseroberfläche gestanden. Leicht kann es aber auch doppelt so weit hinaufgehen.

Am wohlsten fühlt sich Kornelli, wenn die Sonne das Wasser zum Glitzern bringt. "Wenn ich am Wasser bin, denke ich an nichts", schildert sie. Am Strand zu sein und sich mit anderen Sportlern auszutauschen, "das macht einfach Spaß".

Warum sie so erfolgreich ist, hängt wohl mit ihrer sportbegeisterten Familie zusammen. Ihr Vater Dietmar Kornelli war im Windsurfen Europa- und Weltmeister - und ist als Trainer ständig an ihrer Seite. "Er hilft mir und nimmt mir sehr viel ab", berichtet sie. In den Schulferien ist die Familie fast immer ans Meer gefahren. Mit zehn Jahren begann Kornelli mit dem Windsurfen. Mit elf sah sie ihren drei Jahre älteren Bruder Julian - er steht bei den Schwenninger Wild Wings in der Deutschen Eishockey-Liga unter Vertrag - mit dem Kite am Wasser und war wie elektrisiert. 2017 wurde sie Europameisterschafts-Zweite im Kite-Slalom.

Flexibel reagierten Schulleitung und Lehrer, wenn sie Zeit für ihren Sport brauchte. Selbst eine Woche war sie schon vom Unterricht befreit, etwa im Februar zu den europäischen Ausscheidungsläufen für die Olympischen Jugendspiele in Marokko. Doch der zweite Platz reichte nicht. Kornelli qualifizierte sich erst bei der Junioren-WM in Hainan mit Rang sieben über die Nationenwertung.

Im Slalom-Rennen messen sich die Kitesurfer auf einem mit Bojen markierten Kurs in einigen Läufen über mehrere Tage. Gleich zu Beginn der Junioren-WM hatte Kornelli Fehlstarts, einmal stürzte sie kurz vor dem Ziel. "Das war blöd", sagt sie. Daraus habe sie gelernt, noch mehr an der Konzentration zu arbeiten.

Das ist enorm wichtig, etwa am Start für den Countdown. Im Idealfall überfahren die Sportler die Startlinie genau dann, wenn die Uhr abgelaufen ist. Wer zu früh dran ist, wird disqualifiziert. Und das passiert Kornelli immer wieder einmal. Aber auch, um Fehler, die beim Kiten schnell in gefährliche Situationen münden können, zu umgehen, ist Konzentration nötig. Wer sich mit den Fingern in den Steuerungs- und Sicherungsleinen verheddert, wird wie ein Fisch am Haken mitgerissen. Daher habe sie ein Messer dabei, um die Leinen im Notfall kappen zu können, berichtet Kornelli. In eine brenzlige Situation ist sie im Herbst 2014 in Brasilien geraten. Damals verhakte sich der Bar genannte Lenkgriff im Trapez. 200 Meter wurde sie über den Strand geschleift. "Zum Glück war nichts im Weg", sagt Kornelli.

Früher war die erfolgreiche Sportlerin auch im Snowboarden erfolgreich. In bayerischen Jugendkadermannschaften war sie im Cross aktiv - dort treten vier Läufer in einem Parcours mit Rampen und Steilkurven gegeneinander an. Nach einem Sturz mit einer schweren Gehirnerschütterung konzentrierte sich Kornelli aufs Kitesurfen. Zum Ausgleich spielt sie Beachvolleyball und tanzt. Im September plant sie, zum Kiten noch an den Gardasee und ans Meer zu fahren. Auf die Olympischen Jugendspiele freut sie sich schon. "Es ist krass, dabei zu sein", sagt sie. Knapp 4000 Athleten aus aller Welt träfen sich dort. "Eine Medaille wäre cool", findet Kornelli, "ich versuche, so weit zu kommen wie es geht."

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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