Judo:Beschwerlicher Gewichtsverlust

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Titelverteidiger TSV Großhadern startet mit ungewohnt bescheidenen Ansprüchen in die Judo-Bundesliga. Nach dem lauten Abschied von Alexander Wieczerzak, Aaron Hildebrand und Igor Wandtke muss die zweite Reihe beweisen, dass sie das Potenzial für die Playoffs hat

Von Julian Ignatowitsch, München

Die Lederhose hat Trainer Ralf Matusche schon eingepackt. Wenn am Samstag die Bundesliga-Saison für die Judoka des TSV Großhadern beginnt, schenkt der Wirt nebenbei Bier aus und verteilt Schweinshaxen. Das Festzelt auf dem Haderner Volksfest ist Schauplatz für den ersten Kampftag, Gegner ist der KSV Esslingen. Es ist die Neuauflage des Vorjahresfinales. So werden wieder Matten zwischen Bierbänken durchgetragen, und beim Anfeuern prostet sich das Publikum zu. Spitzensport inmitten bayerischer Festtagskultur hat in Großhadern Tradition und ist für die Mannschaft ein gutes Omen. In den vergangenen Jahren hat sie in diesem Rahmen meist gewonnen.

Das könnte in diesem Jahr anders sein. Denn der Anspruch des Vereins, der im vergangenen Herbst nach 14 Jahren Pause endlich die ersehnte elfte Mannschaftsmeisterschaft gewann, ist ungewohnt bescheiden. Von Titelverteidigung ist keine Rede. "Wir müssen uns in dieser Saison ganz schön strecken", sagt Trainer Matusche, "das Erreichen der Finalrunde wäre bereits ein Erfolg."

Matusche ist definitiv kein Tiefstapler. Sonst spricht er im April alle Jahre wieder offenherzig von der Meisterschaft. Diesmal nicht. Das hat seinen Grund. Das heißt: Eigentlich sind es drei Gründe.

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(Foto: Imago)

Vor einer großen Herausforderung stehen Großhaderns Nachwuchskämpfer wie David Karle, 20: Sie müssen etablierte Kräfte ersetzen.

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(Foto: dpa)

Nationalkader-Athleten wie Viola Wächter (bei der EM am vergangenen Wochenende) haben in dieser Saison die Olympischen Spiele im Fokus.

Im Februar verließen in Alexander Wieczerzak, Aaron Hildebrand und Igor Wandtke drei Schlüsselkämpfer die Meistermannschaft, noch dazu mit einigem "Getöse", wie es Matusche nennt. Zwischen Wieczerzak, dem Trainer und Großhaderns Sponsor war es am Ende nicht mehr zum Besten bestellt. Wieczerzak nahm seine beiden Freunde gleich mit zu seinem neuen Verein nach Hamburg. Großhadern büßt deshalb gleich in drei Gewichtsklassen enorm an Qualität ein. Die drei abgewanderten Bundeskaderathleten können nicht adäquat ersetzt werden. Der TSV versucht das auch erst gar nicht, sondern setzt nun auf Kämpfer aus der eigenen Jugend.

David Karle, Lukas Vennekold (im Leichtgewicht), Niklas Blöchl oder Tim Güther (im Mittelgewicht) heißen die vielversprechenden Talente, alle Anfang 20, in ihrer Altersklasse mehrfach ausgezeichnet - und vielleicht die Wieczerzaks von morgen. In der Vergangenheit durften sie bereits Bundesligaerfahrung sammeln. Jetzt sollen sie zeigen, dass sie für ihr Team auch die entscheidenden Punkte holen können. "Sie müssen nun den nächsten Schritt machen", sagt Matusche. "Das Potenzial ist zweifellos da."

Der Übergang von der Junioren- in die Erwachsenenklasse ist im Judo ein kritischer Schritt. Eben in diesem Alter entscheidet sich, wohin die sportliche Reise geht. In der Bundesliga können sich die Jungen mit internationalen Spitzensportlern messen. Allerdings stehen in diesem Jahr die Olympischen Spiele an, weshalb die Begegnungen nicht so hochkarätig besetzt sein werden wie in anderen Jahren. Der Termindruck ist höher, die Priorität liegt für die Top-Athleten auf den Sommerspielen. So ein Fall ist bei Großhadern der Schwergewichtler Karl-Richard Frey, ein Medaillenkandidat für Rio. "Er wird in der Vorrunde wohl gar nicht kämpfen", sagt Matusche. Erst in den Playoffs soll er eingreifen. Für die Qualifikation zur Finalrunde muss Großhadern in der Gruppe Süd einen Platz unter den ersten vier erreichen. Bei nur sechs Vereinen ist das trotz veränderter Vorzeichen machbar.

Das Ziel der TSV-Frauen, 2014 Meister, ist ebenfalls die Finalrunde, die sie zuletzt verpasst hatten. Als Trainer steht wieder Lorenz Trautmann am Mattenrand, seine Vorgängerin Theresa Diermeier tritt nach ihrem Berufseinstieg kürzer. Den Kader hat Großhadern aufgestockt. Im Leicht- und Mittelgewicht wurde mit internationalen Akteuren nachgebessert, dazu steht der Kern der Mannschaft um die deutschen Leistungsträgerinnen Laura Vargas Koch, Viola Wächter und Carolin Weiß. Wie oft diese drei auf dem Weg nach Rio zur Verfügung stehen, ist offen. Selbst ohne die Gröbenzellerin Wächter wird es in diesem Jahr aber wieder Bundesliga-Judo im Landkreis Fürstenfeldbruck geben. Denn die Frauen des SC Gröbenzell sind nach zwei Jahren zurück in der Bundesliga. Der SC tritt zum Auftakt bei Titelverteidiger Speyer an. Und auch beim TSV Großhadern bleiben die Dirndl am kommenden Wochenende im Schrank. Statt zum Volksfest geht es zum favorisierten TSV Backnang.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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