Jockey Martin Seidl:Ambitionierter Aufsteiger

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Ehrgeiz, Konzentration und das Gespür für Pferde: Nachwuchsjockey Martin Seidl bringt alles mit für eine große Karriere.

Hüseyin Ince

Auf Vicenzo, Fönig, Windlicht und Dance Every Dance ist Martin Seidl an diesem Tag schon geritten. Es ist ein Montag, und wie fast jeden Tag steht Seidl, der auszubildende Pferdewirt, seit 6 Uhr morgens in Jutta Mayers Münchner Pferdestall Nummer zehn, wo rund 20 Pferde neugierig aus ihren Boxen schauen und kauen. Als nächstes ist PiSurra, ein junger Hengst und noch sehr ungestüm.

"Achtzig Prozent Pferd, zwanzig Prozent Mensch", lautet Martin Seidls Erfolgsrezept. Seine Trainerin Jutta Mayer prophezeit: "Martin wird in nächster Zeit viele Rennen gewinnen." (Foto: Claus Schunk)

An diesem Montag soll der Zweijährige zum ersten Mal überhaupt mit Reiter auf der Rennbahn laufen. Als Martin Seidl, 16, Pi Surra in der Box aufzäumt, wirft der Hengst den Kopf hin und her. Seidl beruhigt das Tier, tätschelt das Pferd am Hals. Er wirkt dabei sehr routiniert und völlig angstfrei. Jutta Mayer, 48, Trainerin und Ausbildungsleiterin von Seidl, sieht genau darin sein Talent, "mit allen Pferden klarzukommen, dazu dieser Ehrgeiz und die Konzentration". Mit anderen Worten: Seidl bringt die wichtigsten Voraussetzungen mit, um ein Meisterjockey zu werden.

Mit fünf Jahren fing Seidl auf dem Pferdehof seines Vaters an zu reiten. Bis zu seinem 13. Lebensjahr ritt er Ponymeisterschaften und wurde Sieger in Serie. Vergleicht man den Pferderennsport mit dem Autorennsport, sind die Ponymeisterschaften für angehende Jockeys das, was Kartrennen für künftige Formel-1-Piloten sind. Nun sind Pferde aber keine Karts und haben ihren Eigensinn. Pi Surra macht das deutlich.

Unvermittelt stellt sich der Hengst auf die Hinterbeine und wirft seinen Reiter in hohem Bogen ab. Wie eine Katze landet Seidl auf allen Vieren in der Wiese, steht auf, schüttelt sich - und führt das Pferd erst einmal zurück in seinen Stall. Wer von den beiden überraschter dreinblickt, lässt sich kaum sagen. "Pi Surra ist ein wenig nervös", sagt Seidl und wirkt froh, sich nicht verletzt zu haben.

"Ihm steht die Welt offen"

Als Seidl Pi Surra in seine Box bringt, drehen sich links und rechts die Köpfe der anderen Pferde nach den beiden um und wirken genauso überrascht, dass Ross und Reiter schon wieder da sind. "80 Prozent Pferd, 20 Prozent Mensch halt", sagt Seidl mit wiedergewonnener Routine. Man könne ein Pferd eben nie zu 100 Prozent kontrollieren. Um das zu belegen, erzählt Seidl von einem Hengst, der mit Reiterinnen im Sattel jedes Rennen gewonnen habe, mit Reitern aber keines. Wer weiß schon, was in einem Pferd vorgeht. Pi Surra jedenfalls hat sich beruhigt. Seidl steigt noch mal auf.

Warum Martin Seidl ein Jockeytalent ist, kann seine Trainerin Jutta Mayer auch an Äußerlichkeiten erklären. Etwa 1,70 Meter groß ist der 16-Jährige und knapp unter 50 Kilogramm schwer. Sehr viel zulegen werde er wohl nicht mehr. Seidl hat im August zwei seiner ersten drei Rennen unter Berufsjockeys gewonnen. "Das klingt vielleicht überheblich, aber er wird in nächster Zeit viele Rennen gewinnen", sagt Mayer. "Ich kenne ihn. Wenn er so weitermacht, steht ihm die ganze Welt offen."

Zunächst steht an diesem Montag einem kleinen Ausritt nichts im Weg. Beim zweiten Versuch lässt sich Pi Surra doch noch um die Bahn lenken. Mit diesem Erfolgserlebnis beendet Seidl den Trainingstag. Ob er weiterhin so konsequent und ehrgeizig seine Ausbildung zum Pferdewirt, Fachrichtung Galopprennsport, betreibt, kann Mayer aus nächster Nähe verfolgen. "Seitdem ich für meine Ausbildung aus Vilsbiburg nach München gezogen bin, wohne ich bei Jutta Mayer", sagt Seidl, "so lange, bis meine Wohnung auf dem Trainingsgelände fertig gebaut ist". Pi Surra wird sich wohl an ihn gewöhnen müssen.

© SZ vom 14.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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