Hockey:Um ein paar Juwelen ärmer

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Das Abstiegsgespenst abschütteln: Momentan fehlen den MSC-Männern, vorne Florentin Burkhardt, sechs Punkte zu den rettenden Plätzen. (Foto: Claus Schunk)

Die Teams des Münchner SC kämpfen in der Bundesliga-Rückrunde nicht nur um Punkte, sondern auch gegen Standortnachteile.

Von Katrin Freiburghaus, München

Wer sich über die Vielfalt der Trainingsvariation informieren möchte, ist in der Frühvorbereitung von Sportmannschaften traditionell gut aufgehoben. Von durchs Wildwasser paddelnden Volleyballern bis zu Rugby-Teams auf der Yogamatte ist so ziemlich alles dabei. Teambuilding lautet der Sammelbegriff für vermeintlich fachfremde sportliche Betätigung. Das Mannschaftsfoto, das die Hockeyspieler des Münchner Sportclubs (MSC) vor drei Wochen beim Eishockey zeigte, hatte dagegen durchaus Symbolcharakter für die Rückrunden-Vorbereitung der gesamten Abteilung: Die Erstliga-Teams des MSC starten zwar an diesem Samstag in Berlin in die zweite Saisonhälfte auf dem Feld. Sonderlich viel trainiert haben sie aber noch nicht auf Kunstrasen.

"Wir haben viel im athletischen Bereich gemacht", sagt Frauen-Trainer André Schriever. Allerdings nicht, weil er darin schwerwiegende Defizite festgestellt hätte, sondern weil das Wetter einen normalen Trainingsbetrieb lange Zeit unmöglich machte. "Wir hatten zwei gute Wochen auf dem Platz", sagt er. In den übrigen beiden, in denen der Platz zumindest phasenweise bespielbar war, musste er die Einheiten am Abend vorzeitig abbrechen. Wegen der eisigen Temperaturen überfror der Kunstrasen, "und dieses Verletzungsrisiko", sagt Schriever, "gehen wir natürlich nicht ein".

Zumal sein Team am Samstag ohnehin schon auf fünf Verletzte verzichten muss: Mareike Konsek und Nike Beckhaus (beide Kreuzbandriss), Jacqueline Dorner (Leisten-Operation), Carolin Paus (Außenbandanriss) und Cosma Nouschirvan, die sich am Mittwoch einen Muskelfaserriss zugezogen hat. Die eingeplante Verstärkung aus der Jugend hat sich über den Winter zudem anderweitig orientiert. "Unsere drei Juwelen sind uns leider weggebrochen, das hat uns schon wehgetan", sagt Schriever. Die Rede ist von Sofie Stomps, Yara Mandel und Paulina Niklaus, die in die Schweiz, nach Hamburg beziehungsweise Mannheim gewechselt sind. Der einzige Zugang beim MSC ist U-18-Nationalspielerin Jule Bleuel vom ESV München.

Die Zugkraft der Standorte Hamburg und Mannheim für Jugend-Nationalspielerinnen ist kein Geheimnis. Die Schere zwischen dem MSC und der finanzstarken Konkurrenz in Nord und West gehe auch eher stetig weiter auseinander als dass sie sich schließe, bestätigt Chris Elste, der bis Ende März für die MSC-Jugend verantwortlich zeichnete. Dass Nachwuchskräfte den Klub ausgerechnet kurz vor dem Abitur verlassen, hänge jedoch mit dem bayerischen Schulsystem zusammen. "Das ist ein klarer Standortnachteil", sagt Schriever. "Die Spielerinnen können in München kein G9 machen", so Schriever. Das bedeutet: Selbst wenn der MSC, der momentan Geld für einen zweiten Kunstrasenplatz sammelt, seinen Besten mehr Einheiten anbieten könnte, wären sie aus Zeitgründen kaum in der Lage, dieses Angebot zu nutzen. Schule und Ausbildung gehen vor.

"Es geht jetzt darum, die Saison mit dem Klassenerhalt zu beenden. Das ist unser Ziel und Anspruch"

In Hamburg und Mannheim dagegen sei Hockey an Eliteschulen des Sports gekoppelt, auf denen das Abitur gestreckt und den sportlichen Aufgaben allgemein ein höherer Stellenwert zugebilligt werde. "Die dürfen dann zum Beispiel auf Lehrgängen Klausuren schreiben", sagt Schriever, "und am Montag danach schreibt auch niemand einen Test." In München sei das "etwas verschlafen worden", meint Schriever. An einer Lösung werde gearbeitet, bis dahin wird der MSC aber damit leben müssen, dass die Attraktivität für Talente in diesem Punkt leidet.

Attraktiv ist der MSC dagegen weiterhin als einziger bayerischer Klub mit je zwei Teams in der ersten Liga auf dem Feld und in der Halle. Damit das so bleibt, müssen die Männer in der Rückrunde allerdings zulegen. Für die Frauen geht es als Siebte der Zwölferliga vorrangig um die Binnenentwicklung des stark verjüngten Teams, aus dem sich zum Saisonende die langjährige Kapitänin Hannah Krüger verabschieden wird. Die Mannschaft von Männer-Trainer Patrick Fritsche trennen als Tabellenletzten dagegen sechs Punkte vom ersten Nichtabstiegsplatz.

Nachdem er in der Hinrunde eine Pokalmentalität ohne Platzvorgabe beschworen hatte, sagt Fritsche nun: "Es geht jetzt darum, das abzulegen und die Saison mit dem Klassenerhalt zu beenden. Das ist unser Ziel und Anspruch." Optimistisch stimmt den Trainer der knappe, umjubelte Klassenerhalt in der Halle. Sechs seiner Spieler wurden mit der A-Jugend des MSC zudem Zweite der deutschen Hallenmeisterschaft. "Die Jungs fahren jetzt mit einem ganz anderen Selbstwertgefühl nach Berlin als in der Hinrunde", sagt Fritsche. Schlittschuhe werden sie nicht brauchen. Der Wetterbericht verspricht für Berlin bis zu 20 Grad.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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