Hockey:Im Blindflug über den Kontinent

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Ein Bild aus bald vergangenen Tagen: Hannah Krüger (r.) und die reaktivierte Nina Hasselmann stehen noch einmal gemeinsam auf dem Platz. (Foto: Johannes Simon)

Die MSC-Frauen spielen auf eigener Anlage erstmals um die europäische Club Trophy. Die Gegner kennen sie kaum.

Von Katrin Freiburghaus, München

Wer schon immer mal einem Dorf beim Wachsen zuschauen wollte, der konnte beim Vorbeifahren an der Klubanlage des Münchner Sportclubs (MSC) in den vergangenen Tagen beobachten, wie so etwas vor sich geht. Von Freitag an spielen dort die Bundesliga-Frauen des MSC als Ausrichter um die Euro-Hockey Club Trophy - und die infrastrukturellen Vorgaben, die der europäische Verband dem MSC für den erklärten Saisonhöhepunkt auferlegt hatte, waren für einen Amateurklub hoch: neue Anzeigetafel, eine Tribüne, Gastronomie sowie ausreichende sanitäre Anlagen. Was hinter den Kulissen seit mehr als einem halben Jahr vorbereitet wurde, lässt sich nun ganz real besichtigen.

Für einige Routiniers im Team wird das Turnier der letzte Auftritt im MSC-Trikot sein

"Wenn man zur Anlage kommt, ist jeden Tag was Neues da", sagt MSC-Coach André Schriever. Die Euphorie im Klub sei schon seit Monaten "gigantisch" gewesen, "aber es jetzt zu sehen, ist noch mal etwas anderes". Die Aussicht auf die erste Europacup-Teilnahme einer MSC-Mannschaft im Feld überstrahlte auch den durchwachsenen Verlauf der Bundesliga-Saison, die der MSC ohne Chance auf die Endrunde auf Platz sieben beendete. Elena Willig betont jedoch, dass es sich bei dem Turnier am Pfingstwochenende keinesfalls um ein Trostpflaster handle, sondern die Club Trophy von Saisonbeginn an "unser großes Ziel" gewesen sei. Spätestens mit Beginn der Rückrunde habe das Team "den Fokus klar auf diese Spiele gelegt". Die Bundesliga nahmen die Spielerinnen zwar ernst, "aber wir haben sie auch als Training gesehen", sagt sie.

Von Freitag an steht an vier Tagen hintereinander je ein Spiel auf dem Turnierplan. Die Teams spielen in zwei Pools jeder gegen jeden. Die beiden Gruppensieger tragen am Pfingstmontag das Finale, die übrigen Teams die Platzierungsspiele aus. Der MSC bekommt es in seiner Gruppe zum Auftakt mit Amsicora (Italien, Fr. 19 Uhr) sowie Minsk (Weißrussland) und Sumchanka (Ukraine) zu tun. Anders als in der Liga, wo Videoanalysen Usus sind, weiß Schriever über die Gegnerinnen allerdings relativ wenig zu berichten. Der zweithöchste europäische Wettbewerb, für den sich sein Team in der vorvergangenen Saison als Erster der Punktspielrunde qualifiziert hatte, gleicht einer Wundertüte.

Vor allem die erste Begegnung werde "ein Blindflug", prognostiziert Schriever, "ich kenne die Namen im Kader, aber ich habe keine Ahnung, wer sich dahinter verbirgt". Das müsse allerdings kein Nachteil sein, denn das gilt umgekehrt ja genauso: "Nachdem wir international noch nicht in Erscheinung getreten sind, weiß auch kein Mensch was über uns." Von der zweiten Partie an dürfte es analytischer zugehen, mutmaßt Willig, "da werden sich die Trainer die Spiele der Gegner angeschaut haben".

Die Taktik für die erste Partie lautet, sich auf das eigene Spiel zu konzentrieren. Hierfür steht Schriever der komplette Kader zur Verfügung. Um das sicher zu stellen, hatte er angeschlagene Stützen des Teams wie Hannah Krüger, Anissa Korte und die eigens für das Turnier reaktivierte Nina Hasselmann zuletzt geschont. Für einige Routiniers im Team wird das Turnier der letzte Auftritt im MSC-Trikot sein. Torhüterin Kim Platten etwa - ohnehin nur noch sporadisch im Einsatz - wird den Hockeyschläger ebenso aus beruflichen Gründen in die Ecke stellen wie Nina Hasselmann. "Es werden sich leider noch zwei, drei andere anschließen", sagt Schriever, "aber ich sehe das nicht so dramatisch, wir wussten, dass das kommt."

Die Euro Trophy ist damit die letzte Chance für die aktuelle Mannschaft, die starken Leistungen der vergangenen Jahre mit einem Titel zu krönen. Nach dem großen Umbruch rechnet Schriever mit einer Phase der Konsolidierung, ehe der MSC in der Liga wieder um die Plätze eins bis vier und damit um die Meisterschaft spielen wird. Beides wird er ohne ihn als Cheftrainer tun. Schriever war im Herbst für den erkrankten Chris Faust eingesprungen und hatte immer wieder betont, in der kommenden Saison aus Zeitgründen nicht mehr als Hauptverantwortlicher zur Verfügung zu stehen. Ein Sieg im Europapokal wäre nicht der schlechteste Zeitpunkt, um aufzuhören.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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