Hockey:Geografisches Manko

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Der MSC will "den Flow aus der Halle mitnehmen". Auch deshalb wird der bisherige Assistent Konstantin Rentrop Nachfolger von Stefan Kermas (v.r.). (Foto: Lackovic/imago)

Wieso sich der Münchner SC für die Rückrunde mit Übergangstrainern behilft

Von Katrin Freiburghaus, München

Am vergangenen Mittwoch hat für die Hockey-Teams des Münchner Sportclubs die Vorbereitung auf die Feld-Rückrunde begonnen. Die Frauen bereiten sich neben der Bundesliga auf ihre erste Europapokal-Teilnahme Anfang Juni vor, die Zweitliga-Männer haben in der Süd-Staffel auf dem einzigen Aufstiegsplatz überwintert. In der zurückliegenden Hallensaison erreichten sowohl die Männer als auch die Frauen das Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft. Es ist also keineswegs so, dass eines der Teams sportlich schwer vermittelbar wäre. Trotzdem werden beide von Interimstrainern gecoacht, und zwar nicht aufgrund unvorhersehbarer Entwicklungen am vergangenen Wochenende, sondern wohl überlegt und als Reaktion auf Ereignisse des vergangenen Herbstes.

André Schriever, bei den MSC-Frauen vormals Co-Trainer von Chris Faust, vertritt seinen Chef bereits seit dem Ende der Feld-Rückrunde. Faust hatte einen Hörsturz erlitten und laboriert seither an den Folgen. Er hat seinen Vertrag mit dem MSC aufgelöst. Nachdem Schriever zunächst lediglich für die Hallensaison übernehmen wollte, bleibt er nun bis zum Sommer. Die Männer wussten ebenfalls seit vergangenem Herbst, dass Stefan Kermas als neuer Bundestrainer ab der Feld-Rückrunde nicht mehr zur Verfügung stehen würde. Auch hier übernimmt nun der ehemalige Assistent, Konstantin Rentrop. Weil er wie Schriever voll berufstätig ist, werden ihn die Co-Trainer Klaus Holzmüller und Benjamin Lang umfangreich unterstützen und auch Trainingseinheiten leiten.

Rentrop tritt die Stelle auf ausdrücklichen Wunsch der Mannschaft an. "Er hat eng mit Stefan zusammengearbeitet und wir können mit ihm genau da weitermachen, wo wir aufgehört haben", sagt Kapitän Felix Greffenius, "wir wollten Anlaufschwierigkeiten vermeiden und den Flow aus der Halle mitnehmen." Kermas beurteilt die Situation ähnlich. ",Interne Lösung' hat immer so einen negativen Touch. Aber im Grund kennt die Mannschaften doch niemand besser. Wenn ich also einen aus dem eigenen Klub finden kann, hat das nur Vorteile", sagt er.

Tatsächlich kommt es im Hockey immer wieder vor, dass zunächst als Übergangslösungen aus den eigenen Reihen eingesetzte Trainer für langfristige Erfolgsgeschichten verantwortlich zeichnen. Beim einzigen bayerischen Männer-Erstligisten, dem Nürnberger HTC, sitzt seit 2011 Norbert Wolff auf der Bank. Der Jurist war Co-Trainer seiner Vorgänger, leitet parallel eine Kanzlei, sein Sohn spielt in der Bundesliga. Schriever betrachtet Klubbindung gerade bei finanzschwachen Bundesligisten als entscheidenden Faktor, "weil interne Kräfte über manche Sachen hinwegsehen können, über die ein Externer nicht hinwegsehen würde". Gemeint ist damit immer auch Geld, von dem es bei den Süd-Klubs traditionell wenig gibt.

Dass weder Schriever noch Rentrop als Dauerlösungen infrage kommen, ist ihre Entscheidung, nicht die des MSC. "Die Zusagen der Trainer gelten nur für die kommende Rückrunde, beide arbeiten Vollzeit", erklärt MSC-Abteilungsleiter Frank Ommert. Für August sucht er deshalb weiterhin zwei Trainer. "Wir möchten ab Herbst Ruhe reinbekommen und jemanden mit langfristigem Ansatz. In beiden Mannschaften ist ein Altersumbruch im Gang, das ist ein guter Zeitpunkt", sagt er.

So gut Zeitpunkt und sportliche Situation sind, so schwierig ist der Standort München aus finanzieller und geografischer Sicht. In Hamburg oder im Westen des Landes spielen viele hochklassige Klubs auf engem Raum. Wer dort bei einem Team nicht zurechtkommt, zieht zum nächsten weiter. In Oberbayern dagegen ist München in der ersten Liga beziehungsweise an der Schwelle dazu allein auf weiter Flur. "Es gibt hier keinen richtigen Trainermarkt, weil es auch keinen richtigen Vereinsmarkt gibt", sagt Kermas. "In Hamburg gibt es mit über 30 Hockeyabteilungen einen ganz anderen Arbeitsmarkt, daran bemessen stellt München für den einen oder anderen ein Risiko dar."

Der MSC weiß um die Konkurrenz-Situation am ligaweiten Markt und um die eigene Position. Ommert hat deshalb nicht nur die Namen der Etablierten auf dem Zettel. "Wir sind sehr offen für jüngere Trainertalente", erläutert er. "Für jemanden, der parallel noch ein Studium abschließen will oder einen Job hat, ist München womöglich eher eine Option." Dass der Münchner Sportclub für ambitionierte Trainer auch aus Gründen der persönlichen Entwicklung durchaus attraktiv ist, zeigt ein Blick auf die Vita der beiden jüngsten dauerhaft Verantwortlichen: Claas Henkel, Frauen-Trainer von 2008 bis 2013, wechselte zum Topklub UHC Hamburg, Kermas verlässt den MSC als Bundestrainer.

© SZ vom 25.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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