Hockey:Erstklassige Dramaturgie

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Mit dem Schlusspfiff des letzten Saisonspiels erzielt der Münchner SC den Ausgleich gegen Frankfurt, der den Verbleib in der obersten Hockeyliga bedeutet

Von Katrin Freiburghaus, München

Wenn Sportler ihre Karriere beenden, eröffnet sich eine Reihe von Möglichkeiten, um die gesammelten Erfahrungen und Meriten zu Geld zu machen. Vom Reality-Soap-Darsteller bis zum Experten für Sanitäreinrichtung hat man schon allerlei Skurriles gesehen. Falls die Hockey-Männer des Münchner Sportclubs allerdings je auf der Suche nach einer lukrativen Einnahmequelle sein sollten, gibt es seit dem Wochenende im Grunde nur eine seriöse Option: Gastprofessur an der Filmhochschule, Fachbereich Dramaturgie.

Weil Michael Rostek dem MSC in der letzten Sekunde vor Ablauf der Hallenuhr mit seinem Treffer zum 5:5 in Frankfurt ein weiteres Jahr Erstklassigkeit bescherte, darf man es nach etlichen Abstiegsendspielen in den vergangenen Jahren nun tatsächlich ohne Übertreibung aussprechen: Knapper geht es nicht.

Aber von vorn. Der MSC hatte die Hallen-Saison ab dem zweiten Spieltag durchgehend auf dem letzten Platz verbracht. Im vorletzten, äußerst sehenswerten Spiel erkämpfte er sich am Samstag gegen den Tabellenzweiten TSV Mannheim ein 7:7. Zwar hatte der MSC zwischenzeitlich 5:2 und bis zwölf Sekunden vor Schluss 7:6 geführt und war aus sportlicher Sicht entsprechend bedient. "Aber den Ärger, den wir gerade alle spüren, der muss sofort raus", forderte Trainer Stefan Kermas, den die taktischen Schludereien in der Schlussphase am meisten genervt hatten. Denn dieser eine Punkt, der sich für Kapitän Felix Greffenius unmittelbar nach Abpfiff "überhaupt nicht gut" anfühlte, sollte im Verlauf des Wochenendes wichtig werden. Er schob den MSC auf den vorletzten Rang und damit aus der Abstiegszone, wenn auch nur aufgrund der besseren Tordifferenz gegenüber dem neuen Schlusslicht Frankfurt.

Dem MSC genügte am folgenden Tag im direkten Duell mit Frankfurt also ein Unentschieden. Kermas und sein Team hatten die Hessen in der laufenden Saison bereits bezwungen, aber ein glatter Auswärtssieg hätte schlecht ins Konzept der maximalen Dramatik gepasst. Die erste Überraschung erlebten die 50 mitgereisten Anhänger, als der erst 18-jährige Kilian Potthoff ins Tor stiefelte; Stammkeeper Frederik Gürtler hatte sich gegen Mannheim das Knie verdreht. Der MSC startete solide, ging durch Florian Michel und Rostek in Führung und mit 2:1 in die Halbzeit. Nach der Pause glich Frankfurt jedoch aus. Der MSC ging 3:2 in Führung, Frankfurt glich aus (45.). Der MSC traf zum 4:3, Frankfurt glich aus (58.).

Bis zu diesem Zeitpunkt war aus Münchner Sicht alles in Ordnung. Doch dann sah Michael Hummel Gelb, Frankfurt legte erstmals vor. 20 Sekunden vor Spielende lag der MSC 4:5 zurück - in Unterzahl . Er wäre abgestiegen, wenn Rostek den Ball nicht mit der Schlusssirene ein letztes Mal über die Torlinie geschubst hätte.

"So was brauch ich nie wieder", sagte Greffenius später. Sein Trainer dagegen wirkte gelöst und vergaß dabei sogar, den Klassenerhalt in einen übergeordneten Kontext wie Jugendförderung oder Standortausbau einzubetten. "Dieses Spiel ist für mich die Definition von Herzschlagfinale", sagte er stattdessen. Er wolle den Begriff "historisch" vermeiden, "aber das war ein einmaliges Erlebnis für alle". Man darf diese Einordnung beachtlich finden, Kermas hat aus seiner Zeit als Co-Trainer der Nationalmannschaft immerhin zweimal olympisches Gold zu Hause hängen.

Für die kommende Saison steht der MSC nun vor der Herausforderung, sich etwas Neues einfallen zu lassen - knapper geht es ja nicht mehr. Auf kommunikativer Ebene gibt es dagegen noch Spielraum, denn Greffenius hatte bislang die schlechte Angewohnheit, das Ende immer vorher zu verraten. Spoilern heißt das in Fachkreisen, und ging am Samstag so: "Wir spielen in der Halle seit 24 Jahren erstklassig, im nächsten Jahr also 25." Wenn es was werden soll mit der Professur, sollte er sich das abgewöhnen.

© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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