Süddeutsche Zeitung

Hannes Kronthaler:"Mir fehlt die Kraft"

Der Alpenvolleys-Manager über den dauernden Existenzkampf, Probleme mit Kooperationspartner Unterhaching - und die Corona-Pandemie.

Interview von Sebastian Winter

Hannes Kronthaler wuselt in der Halle herum, eine Hand an der Werbebande, die andere am Telefon. Auch an diesem Tag delegiert er noch, packt selbst mit an beim Aufräumen, mehr als einen Monat nach dem letzten Spiel, bevor die Volleyball-Saison in Deutschland abgebrochen wurde. Mit dem Kehraus endet nach drei Jahren auch die Zeit der Alpenvolleys in der Bundesliga. Die deutsch-österreichische Spielgemeinschaft zieht sich, nicht zuletzt wegen der Corona-Krise, aus dem Spielbetrieb zurück. Mit ihr verlässt einer der wortgewaltigsten und mächtigsten Manager die Liga.

SZ: Herr Kronthaler, am Dienstag haben Sie in Innsbrucks Olympiahalle das Feld abgebaut, fast fünf Wochen nach dem Geisterspiel gegen Giesen am 12. März. Warum der späte Abbau?

Hannes Kronthaler: Wir durften ja die ganze Zeit nicht rein wegen Corona. Deshalb war alles so, wie wir es vor Wochen aufgebaut haben. Ich habe beim Abbau zu unserem Trainer Stefan Chrtiansky gesagt: "Heute räumen wir unsere Karriere auf."

Das 3:0 gegen Giesen geht nun als letztes Bundesliga-Spiel der Alpenvolleys in die Geschichte ein. Nach drei Jahren zieht sich Ihr Verein aus dem deutschen Volleyball zurück. Wie weh tut das?

Ich hatte mich darauf eingestellt in meinem Kopf. Sechzig Prozent sind Wehmut, 40 Prozent Erleichterung. Die Verantwortung ist riesig, es ist ein dauernder Kampf ums Geld. Es ist doch so: Spieler und Trainer müssen schauen, dass sie gewinnen. Der Manager muss schauen, dass die Mannschaft gewinnt, die Halle voll ist und das Geld nicht ausgeht. All das hat sich in meiner Person vereint, am Ende musste sich immer der Kronthaler rechtfertigen - und noch mit meiner Baufirma einspringen, wenn es ein Finanzloch gab. Das alles ist zehrend. Und ich habe gespürt, dass ich das nicht mehr geschafft hätte. Ich kann in diesen unsicheren Zeiten kein Risiko eingehen und wieder in Vorlage gehen.

Welchen Anteil hat die Corona-Krise?

Sie ist nicht der Grund, hat aber im Endeffekt doch den Ausschlag gegeben. Sie war der letzte Todesstoß. Wir wollten unser Budget kommende Saison von 1,4 Millionen Euro um 30 Prozent steigern. Nun könnte ich mir nicht einmal mehr sicher sein, ob ich das derzeitige Budget zusammenbekomme. Mein Hauptsponsor hat mir zwar zugesagt, dann komme ich selber, aber man muss mit 20 Prozent weniger rechnen. Diese Schere ist zu groß, da bin ich zu sehr Unternehmer. Und jetzt wieder alle abzuklappern in der Krise, dazu fehlt mir schlicht die Kraft.

War es ein Fehler, mit diesem ersten grenzübergreifenden Volleyball-Projekt nach Deutschland zu wechseln?

Nein. Ich bin immer noch vom Konzept überzeugt. Es war sicher kein Blödsinn, den es nicht gebraucht hat. Es war das Innovativste und Außergewöhnlichste, was es bisher im deutschen Volleyball gegeben hat. Das ist die Geschichte. Und die letzten drei Jahre waren die beste, lässigste Zeit unseres Vereins, auch für mich in 25 Jahren Funktionärstätigkeit - zusammen mit dem ersten österreichischen Meistertitel und den Champions-League-Teilnahmen mit Innsbruck. Wir haben immer gesagt, dieses Projekt läuft über drei Jahre, danach wird evaluiert. Und ich bin ja anfangs nicht umsonst eineinhalb Monate nur am Businessplan gesessen, mit klar umrissenen Zielen.

Welche Ziele waren das?

Erstens: Belebung des Standorts Unterhaching - das ist zumindest zuschauermäßig passiert. Was der TSV Unterhaching sportlich daraus macht, muss man die Verantwortlichen selbst fragen. Zweitens: Ein weiterer Topklub, der die Liga sportlich bereichert. Das hat sich zu hundert Prozent erfüllt. Und drittens ein Pendant zu Berlin im Süden: Das ist nicht gelungen. Aber wir können unser Gesicht schon wahren.

Die Zuschauerzahlen schwankten zwischen 400 und 2500 im Playoff-Halbfinale 2019 gegen Berlin. Im Finale, so der Plan, standen die Alpenvolleys nie.

Ganz sind unsere Ziele nicht aufgegangen. 3000 oder 4000 Heimspiel-Fans, das war ja auch ein Grund, in die Bundesliga zu gehen. Davon waren wir weit entfernt. Und ja, auch das Playoff-Finale haben wir nicht erreicht. Aber wir haben uns unter den Top drei etabliert. Im zweiten Jahr haben wir im Grunddurchgang 19 Spiele gewonnen und waren lange Tabellenführer. Schwach ist, dass dieser Erfolg sich null Komma null auf das Zuschauer- oder Sponsoreninteresse niedergeschlagen hat. Wenn wir ganz Deutschland aus der Halle schießen, müssen die Fans einem doch die Tür einrennen, auch in Tirol.

War auch das lange Zeit eher unterkühlt wirkende Zweckbündnis mit Lizenzgeber Unterhaching ein Problem?

Ich möchte nicht auf die Hachinger einprügeln. Aber wenn man nicht mal 50 000 Euro Sponsorengelder aufreißt in Bayern, was hat das für einen Sinn? 200 000 Euro pro Saison sollten aus dem bayerischen Raum kommen. Die kamen nicht. Drei Jahre bin ich dafür gerade gestanden. Das geht jetzt nicht mehr. Das finanzielle Ziel ist nicht erreicht worden, wirtschaftlich ist das Projekt gescheitert. Man kann eben nicht von Luft, Liebe und dem schönen Wetter leben, und von den Zuschauern, die alle ihre Gaudi haben.

Hört sich nicht nach großer Harmonie an.

Wir haben uns gut verstanden, aber es hat der Unternehmer gefehlt.

Wie meinen Sie das?

Ich meine einen, der wirtschaftlich vernetzt ist. Unterhaching hätte mit uns ja einen gestandenen Unternehmer suchen können, der mein Pendant in Bayern ist, der gut vernetzt ist und mit seinen Kontakten andere Unternehmer einlädt. Aber das muss doch von ihnen selber kommen, jemanden zu finden. Ich kann ihnen den nicht alleine suchen.

Was war Ihr schlimmstes und schönstes sportliches Erlebnis in den drei Jahren?

Das Aus gegen Rottenburg in eigener Halle im Pokal-Achtelfinale im Herbst war am schlimmsten. Da wären wir bei der guten Auslosung im Finale gewesen. Und wir Trottel verscheißen es. Das Highlight war das Playoff-Halbfinale gegen Berlin: tolles Spiel, 2700 Fans, leider knapp verloren.

Der längste Satz der Geschichte, 50:48 vor Weihnachten 2019 gegen Lüneburg?

Das war auch geil. Die Mannschaft ist da über ihre Grenzen gegangen, weil alle krank waren. Und das Europapokalspiel gegen St. Petersburg mit Georg Grozer diesen Februar war ein super Event mit ausverkaufter Halle. Da haben sie alle in Unterhaching gedacht: Jetzt ist es so wie früher.

Was passiert nun mit Ihrem Sohn Niklas, dem Außenangreifer, mit den anderen Spielern und Trainer Chrtiansky?

Mein Sohn sucht sich einen neuen Verein, in Deutschland oder Frankreich. Unser Libero Florian Ringseis sucht ebenfalls, auch Blocker Pedro Frances. Zuspieler Danilo Gelinski hat schon in Cannes unterschrieben. Douglas da Silva hört auf, unser Kapitän Daniel Koncial auch, er wird sich in Österreich einen Job suchen. Alle anderen sind weg, in der Heimat, außer Paulo da Silva, unser Diagonalmann, weil er mit seiner Familie nicht mehr nach Brasilien fliegen konnte. Stefan Chrtiansky bleibt in Tirol.

Und Sie selbst?

Ich kümmere mich im Hintergrund ums Hypo Tirol Volleyballteam in der österreichischen zweiten Liga, das Stefan Chrtiansky als Trainer und Sportdirektor hauptberuflich weiterführt. Ansonsten ziehe ich mich nach 25 Jahren zurück als Manager, und sage auf Wiedersehen. Vielleicht schon nächste Saison im Audi Dome, wenn Herrsching spielt. Da komme ich sicher.

Was machen Sie eigentlich mit dem Interieur aus der Innsbrucker Olympiahalle?

Unseren Sportboden und die LED-Werbebanden verkaufen wir an andere Vereine, die Spielerbänke kann ich für die zweite Liga brauchen. Der Olympiahalle schenke ich meinen VIP-Raum-Vorhang. Und alles andere, auch die Werbetransparente, landet im Müll. Da fällt mir ein: Die Spielerwohnungen müssen wir noch ausräumen. Na ja, Urlaub geht grad eh nicht, höchstens Wandern in den Bergen Tirols. Spätestens im September möchte ich aber wieder mit dem Segelboot in der Ägäis schippern.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2020
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