Handball:Trippelschritte gegen den Abstieg

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"Dass man irgendwann besser wird, ist normal": In Konstanz war Torhüter Michael Luderschmid der entscheidende Rückhalt seines Teams. (Foto: Marco Wolf/Imago)

Endspiel für Endspiel: Zweitligist Fürstenfeldbruck wahrt durch einen Erfolg in Konstanz die Hoffnung auf den Ligaverbleib. Großen Anteil daran hat Torhüter Michael Luderschmid.

Von Thomas Jensen, Konstanz/Fürstenfeldbruck

Ein paar Schritte aus dem Tor gehen. Mit den Füßen trippeln und etwas mit Armen und Beinen zucken, wenn der gegnerische Schütze antäuscht. Michael Luderschmid kennt die Spielchen beim Siebenmeter. Der erfahrene Torwart der Fürstenfeldbrucker Handballer hat diese Situationen unzählige Male erlebt.

Am späten Sonntagnachmittag war es mal wieder soweit, eigentlich Torhüteralltag - wenn diesem Duell nicht so viel Bedeutung zugekommen wäre. 1:38 Minuten waren in der Partie des TuS Fürstenfeldbruck bei der HSG Konstanz noch zu spielen. Das Tabellenschlusslicht der zweiten Liga führte mit zwei Toren Vorsprung beim Tabellensechzehnten. Ein Sieg würde den Rückstand auf Konstanz und damit auf die Nichtabstiegsplätze auf fünf Punkte schrumpfen lassen, eine Niederlage hätte stattdessen die letzten Hoffnungen auf den Klassenerhalt vernichtet, gab Trainer Martin Wild zu: "Wir haben davor klipp und klar gesagt, wenn wir heute verlieren, war es das mit der Saison."

Luderschmid trippelte und zuckte zweimal, bevor er den rechten Arm zur Seite riss und den Wurf des gegnerischen Kapitäns Tom Wolf abwehrte. Kein Anschlusstreffer für die Gäste - und ausnahmsweise kein Zittern bis zum Ende: Die Brucker Panther gewannen mit 33:29. Die Gesamtsituation habe er in diesem Moment ausgeblendet, "da geht es nur darum, diesen Siebenmeter jetzt zu halten", beschrieb Luderschmid seine Gefühlswelt.

Von der 45. Minute an sei er sehr ruhig gewesen, stellte Trainer Wild fest. Der Grund: sein Bauchgefühl

Nach der Parade schrie er die Euphorie kurz heraus und ballte die Faust, ähnlich wie viele seiner Teamkollegen. Anders hingegen als Trainer Wild, der die Szene regungslos vor der Bank stehend beobachtete, die Arme vor der Brust und das Kinn auf die rechte Hand gestützt. Er habe nach eigener Aussage gewusst, dass sein Torhüter den Ball halten würde, und nicht nur das: "Circa ab Minute 45 war ich relativ ruhig. Ich kann es nicht hundertprozentig erklären, aber irgendwie hatte ich so ein Bauchgefühl, dass das heute gut ausgeht." Direkt danach fügte er lachend an, dass ihn sein Bauchgefühl allerdings auch schon oft genug getäuscht habe.

Wenige Minuten zuvor dürfte es im Magen des Trainers eher noch gegrummelt haben, zur Pause lag seine Mannschaft mit 11:15 zurück: "Das war einfach zu harmlos in den Zweikämpfen, da mussten wir noch eine Schippe drauflegen, das haben wir in der Pause erkannt. Außerdem haben wir gesagt, dass das jetzt die entscheidenden 30 Minuten sind, wenn es nicht vorbei sein soll." 22 Tore erzielte sein Team im zweiten Abschnitt, so viele wie noch nie in einer Hälfte der bisherigen Saison. "Eine Energieleistung und mal wieder ein Beweis für die unglaubliche Moral dieser Truppe", kommentierte Wild.

Entscheidend waren die Minuten nach Wiederanpfiff, als Fürstenfeldbruck mehrere Male in der Defensive den Ball stahl und ausnutzte, dass die Gastgeber meist mit einem siebten Feldspieler und ohne Torwart agierten. Zahlreiche Distanzwürfe flogen ins leere Netz. Wild merkte an, dass es nicht seine Aufgabe sei zu beurteilen, ob diese Taktik der HSG clever gewesen sei. "Aber ich finde, dass wir es clever verteidigt haben", lobte er seine Mannschaft. Obwohl er nicht gerne einzelne Spieler herausgreift, ging er insbesondere auf Korbinian Lex ein: "Er hat die Abwehr mal wieder überragend dirigiert und war auch vorne wichtig." Neun Treffer erzielte Lex am Sonntag und wurde so bester Werfer seiner Mannschaft.

Luderschmid erzielt sogar selbst ein Tor - zum ersten Mal in dieser Saison

Torwart Luderschmid erzielte ebenfalls ein Tor, für ihn das erste der Saison. Es wirkt beinahe sinnbildlich, dass das ausgerechnet nun gelang. Lange hatten sowohl er als auch der zwischenzeitlich verletzte Kollege Stefan Hanemann nicht überzeugen können mit eher schlechten Quoten bei den gehaltenen Bällen. Im Ligavergleich weisen beide in dieser Statistik weniger als 25 Prozent auf. Doch in den zurückliegenden Wochen präsentierte sich immer öfter mindestens einer der beiden in guter Form und verbesserte den Schnitt gelungener Paraden nach oben.

So auch am Sonntag, denn der Siebenmeter zum Ende der Partie war nicht die einzige gelungene Aktion zwischen den Pfosten. Mehr als 30 Prozent der Bälle auf sein Tor wehrte Luderschmid ab und verhinderte so einen noch größeren Rückstand in der ersten Hälfte beziehungsweise ein Aufholen der Gastgeber im zweiten Abschnitt.

Der 37-Jährige zeigte sich im Anschluss unaufgeregt und wollte auf die Bedeutung dieser Einzelleistung und der Formsteigerung kaum eingehen: "Das ist für uns alle eine neue Liga und neue Situation. Da muss man sich erstmal reinfinden und die Gegner kennenlernen. Dass man dann irgendwann besser wird, ist normal." Sein Trainer fand das typisch, Luderschmid sei ein bescheidener Teamplayer und kein Showmensch. "Aber er weiß sehr wohl, was er heute für einen Anteil hatte."

Wild ist klar, dass die Lage für die weiterhin letztplatzierten Panther prekär bleibt: "Eigentlich ist es am Samstag gegen Aue dasselbe, wenn wir da verlieren, sieht es wieder ganz schlecht aus. Heute war es ein Endspiel, und desto mehr Endspiele wir noch haben, desto besser." Das Hinspiel gegen Aue im Dezember hatten sie ebenso wie das gegen Konstanz gewonnen. Anschließend setzte es acht Niederlagen in Serie. Aber damals waren das ja noch keine Endspiele - und die Brucker Torhüter waren noch auf Formsuche.

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