Süddeutsche Zeitung

Handball:Theater der Träume

Die A-Junioren des TSV Allach stehen als erste Münchner Mannschaft in der Hauptrunde um die deutsche Meisterschaft. Damit geben sie auch dem Handball in der Region einen Impuls auf dem erhofften Weg zurück zu alter Blüte.

Von Ralf Tögel

Jetzt werden wieder viele sagen, "der spinnt, der Krauß". Da mag er Recht haben, der Trainer der Allacher A-Junioren. Denn an diesem Samstag beginnt die Meisterrunde um die deutsche Handball-Meisterschaft, der TSV Allach spielt gegen die HSG Dutenhofen/Münchholzhausen (16 Uhr, Eversbuschhalle), die Nachwuchsabteilung des Erstligisten HSG Wetzlar. Und Krauß hat folgendes Ziel ausgegeben: "Wir wollen ins Finale."

Der Blick auf das Teilnehmerfeld lässt in der Tat eine gewisse Hybris beim TSV-Trainer vermuten, denn mit Allach werden unter anderem die Füchse Berlin, Minden, Balingen-Weilstetten und Gummersbach in der Gruppe eins um die Berechtigung für das Viertelfinale spielen. In der zweiten, acht Teams starken Meistergruppe stehen unter anderen Titelverteidiger SG Flensburg-Handewitt, SC Magdeburg, die Rhein-Neckar Löwen, SC DHfK Leipzig oder die JSG Melsungen. Der Nachwuchs aller deutschen Bundesliga-Topteams balgt sich also um den deutschen Titel, allein Kiel, Hannover-Burgdorf und der Bergische HC fehlen im Reigen der nationalen Elite, sie haben sich schlichtweg nicht für die Endrunde qualifizieren können.

Womit die forsche Einschätzung von Krauß an Realitätsnähe gewinnt. Außerdem führt er mannschaftspsychologische Gründe ins Feld: "Ja soll ich sagen: ,Schön war's, aber jetzt haben wir sowieso keine Chancen mehr'?" Er wisse schon, wie man eine Mannschaft motiviere.

Der TSV hat in der Vorrunde bewiesen, dass "wir in diesem Theater mitspielen können", wie Krauß findet. Seine Mannschaft, die er mit Fabian Heck und David Holzer trainiert, qualifizierte sich als Zweiter der Süd-Staffel für die Finalrunde. Göppingen und Bittenfeld-Stuttgart, ebenfalls Nachwuchsabteilungen eines Erstligisten, ist das nicht gelungen. Was im Übrigen auch für die Talentschmiede des Rekordmeisters THW Kiel gilt, bei dem sich ein Stab von 14 Trainern und Betreuern um die A-Junioren kümmert. Chefcoach ist Kreisläufer-Legende Klaus-Dieter Petersen, der bereits zwei Titel mit den THW-Junioren gewonnen hat.

Ihre Konkurrenzfähigkeit haben die Allacher Junioren, die als erstes Team aus der Region München in eine DM-Meisterrunde eingezogen sind, mehr als einmal belegt, nur gegen den Vorjahresfinalisten Rhein-Neckar Löwen und in Oftersheim musste der TSV Niederlagen hinnehmen. Natürlich ist Krauß kein Spinner, er wisse schon, dass seine Vorgabe "nicht realistisch ist". Man gehe mit Demut und Respekt in die Runde, "aber nicht mit Angst". Denn Krauß weiß einen großen Vorteil auf seiner Seite: "Wir gehen ohne jeden Druck in die Spiele", was wenige Konkurrenten von sich behaupten könnten. Die Berliner Füchse etwa, nationale Topadresse in Sachen Nachwuchsarbeit, "müssen dringend ins Finale", glaubt Krauß. Trainer der A-Junioren ist Bob Hanning, der auch DHB-Vizepräsident ist und Co-Trainer der Nationalmannschaft war, kein Handball-Funktionär hierzulande ist annähernd so bekannt er. Ähnlich verhalte es sich mit den Rhein-Neckar Löwen oder Flensburg: "Diese Mannschaften sind dazu verdammt, weit zu kommen."

Allach hingegen ist in der komfortablen Situation, bereits mehr erreicht zu haben, als je erwartet wurde. Was einem außerordentlichen Einsatz der Beteiligten zu verdanken ist, womit nicht nur die sportliche Abteilung - also Spieler und Trainer - gemeint ist. "Wir sind schon sehr eingespannt", sagt Abteilungsleiter Alexander Friedl, er spricht von Eltern, Vereinsmitgliedern und Offiziellen, die mit viel Leidenschaft und Einsatz helfen, diese Aufgabe zu stemmen. Das reiche von den Heimspieltagen, zu denen 500 Zuschauer im Schnitt in die Halle kämen, über die Sponsorenakquise bis zur Organisation der Auswärtsfahrten, die nun eine neue Dimension erreichen. Die Entdeckungstour durch Handball-Deutschland ist mit einem für Allacher Verhältnisse völlig neuem Aufwand verbunden, man könne die Spieler ja nicht mit acht Stunden Fahrt in den Beinen aufs Parkett schicken, sagt Friedel.

Die Anreise erfolgt also einen Tag vor der Partie, entweder mit Übernachtung in der Nähe oder am Spielort, in jedem Fall "geht immer ein ganzes Wochenende drauf", so Friedl. Zupass kommt dem Verein dabei die große Begeisterung, die der sportliche Erfolg der A-Jugend hervorruft. Für die Meisterrunde laufe eine Anfrage, die Kapazität der Sporthalle an der Eversbuschstraße per Ausnahmegenehmigung auf 800 Zuschauer zu erhöhen, erzählt Friedl, überhaupt habe das öffentliche Interesse nicht erwartetes Geld in die Kasse gespült, das nun bei der Finanzierung der Meisterrunde, die bis Anfang April dauert, gut zu gebrauchen sei, wie Friedl sagt.

Nicht zuletzt haben die Allacher Junioren dem Handball in München einen weiteren Schub versetzt. Lob gibt es dafür von höchster Stelle. Dominik Klein, 2007 Weltmeister unter Heiner Brand, mittlerweile Geschäftsführer der Marketing GmbH des Bayerischen Handballverbands (BHV), war schon in der Halle und wird die Spiele mit großem Interesse verfolgen: "Es ist schon toll, diese Mannschaft zu sehen, diese geschlossene Einheit, das ist auch Verdienst der Trainer." Besonders wichtig sei aber, dass die Attraktivität des Handballstandorts München gesteigert werde: "Talente müssen nicht mehr gehen, um eine sportliche Perspektive zu haben." Für die kommende Saison hat Allach die Bundesliga-Qualifikation bereits in der Tasche, der Klub strebt die Zugehörigkeit zur höchsten Spielklasse dauerhaft an. Zusammen mit dem Drittligisten Fürstenfeldbruck sieht Klein gute Voraussetzungen, Handball in München weiter voranzubringen.

Allachs Heimspiele in der Meisterrunde

Samstag, 30. November (16 Uhr): TSV Allach 09 - HSG Dutenhofen/Münchholzhausen

Samstag, 1. Februar (18 Uhr): Allach - GWD Minden

Sonntag, 1. März (17 Uhr): Allach - VfL Gummersbach

Samstag, 7. März (16 Uhr): Allach - Füchse Berlin

Samstag, 14. März (16 Uhr): Allach - JSG Balingen/Weilstetten

Samstag, 21. März (16 Uhr): Allach - HC Bremen

Samstag, 4. April (16 Uhr): Allach - TV Gelnhausen

Der nächste Schritt soll an diesem Samstag getan werden, gegen den Nachwuchs aus Wetzlar: "Der Gegner ist eine Hausnummer, die uns passt", sagt Trainer Krauß. "Da müssen wir liefern."

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Quelle:
SZ vom 30.11.2019
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