Handball:Raus aus der Turnhalle

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Im Reich der Spekulationen: Wann und wie es losgehen kann für die TuS-Handballer (links Falk Kolodziej), ist völlig unklar. (Foto: Markus Fischer/imago)

Auf den TuS Fürstenfeldbruck warten in der zweiten Handball-Bundesliga riesige Arenen und drei ehemalige deutsche Meister. Wann es losgeht, ist völlig offen.

Von Ralf Tögel, Fürstenfeldbruck

Blazenko Lackovic zum Beispiel: Handball-Olympiasieger, Weltmeister, Champions-League-Sieger, Meister und Pokalsieger in Deutschland, Kroatien und Mazedonien - und bald zu Gast zum Punktspiel in der Wittelsbacher Halle. Der kroatische Rückraumspieler steht beim HSV Hamburg unter Vertrag, einem jener ambitionierten Zweitligavereine, mit denen sich der TuS in der kommenden Saison messen wird. Nun befindet sich Lackovic mit seinen 39 Jahren zwar im Spätherbst seiner Karriere, aber dieser Spieler gibt einen passablen Eindruck, auf welchem Terrain sich der TuS Fürstenfeldbruck zukünftig bewegt. Mit dem Aufstieg in die zweite Bundesliga ist Bruck im Profisport angekommen. Bislang durften die TuS-Spieler einen wie Lackovic aus der Ferne bewundern, demnächst können sie ihn persönlich auf dem Spielfeld bearbeiten.

Trainer Martin Wild spricht daher nicht ohne Grund von gewaltiger Vorfreude im Kader, auch wenn alles nach wie vor auf Eis gelegt ist: Die Saison längst storniert, die Hallen zu, Training ist nicht möglich. Eigentlich wollte Wild im Juni mit der Vorbereitung starten, Trainingslager sind organisiert. Eine herausragende körperliche Verfassung sieht der TuS-Trainer als Grundvoraussetzung, um einigermaßen mithalten zu können. Leidenschaft und Fitness gegen Qualität, so hat er sich das vorgestellt. Jetzt rennen seine Spieler durch den Wald oder machen zu Hause Liegestütze.

Bis auf Ole Schwagerus ist der komplette Kader geblieben, dazu kommen noch drei Allacher

Es gibt aber auch gute Nachrichten in diesen schlechten Zeiten: "Bis auf Ole Schwagerus wird der komplette Kader auch in der kommenden Saison für den TuS spielen", sagt Wild. Zudem werden in Cedric Riesner, Stefan Seitz und Torhüter Louis Oberosler drei Talente der Bundesliga-Junioren des TSV Allach per Zweitspielrecht eingebaut, Riesner und Seitz hatten bereits erste Einsätze. Sogar aus dem Bereich Finanzen ist Angenehmes zu hören: "Die Verträge mit den Bestandssponsoren wurden bereits vor der Krise verlängert." Michael Schneck sagt das, der Abteilungsleiter des TuS. Der Etat stehe also, man plane mit 350 000 Euro und versuche, weiter Geld aufzutreiben. Keine schöne Aufgabe derzeit, im Bereich Gastronomie- oder Reiseunternehmen, also potentielle TuS-Unterstützer, müsse man momentan erst gar nicht anklopfen.

So hat der TuS ein bisschen Planungssicherheit, in einer Zeit, in der man nichts planen kann. Schneck erzählt, dass er sich in wöchentlichen Videocalls mit den Vertretern der Handball-Bundesliga (HBL) und der Konkurrenten austausche, es gehe um Kurzarbeitergeld, Hygienevorgaben, Konzepte zum Spielbetrieb. Angesichts einer ständig wechselnden Nachrichtenlage bleibt es aber beim Gedankenaustausch, dem Entwickeln von Ideen. "Wir befinden uns weitgehend im Reich der Spekulationen", sagt Schneck, allein das Thema Saisonstart werfe nicht zu beantwortende Frage auf, von einem Spielplan ganz zu schweigen. Wann darf wieder gespielt werden? In welcher Form? Geisterspiele? Oder dürfen Zuschauer in die Hallen? Wenn ja, wie viele? Unter 1000? Ist ein begrenzter Zugang denkbar? Muss dann jeder zweite Platz frei bleiben? Jeder dritte? Die Szenarien jedenfalls reichen vom in das nächste Jahr verschobenen Saisonbeginn bis zu einem normalen Spielbetrieb von September an. Fakt ist: Alles bleibt offen.

In dieser unsicheren Gemengelage müssen dennoch Hausaufgaben erledigt werden, es kann ja auch plötzlich wieder losgehen. Egal was passiert, der TuS wird als großer Außenseiter in die Saison gehen, als eine Art Exot im elitären Kreis der Profis. In Hamburg, Gummersbach oder Großwallstadt stehen allein drei ehemalige deutsche Meister in der Liga, abgesehen von vielen ehemaligen Erstligisten. Mit völlig anderen Möglichkeiten: Großwallstadt etwa ist Mitaufsteiger, klagt zwar über die selben Schwierigkeiten in Sachen Budget für die kommende Saison, aber der TVG hat kürzlich einen israelischen Nationalspieler und einen ehemaligen kroatischen Champions-League-Sieger verpflichtet, der Etat liegt bei einer soliden Million Euro, wie Geschäftsführer Stefan Wüst mitteilt. Damit, so erklärt er weiter, werde man in dieser Spielklasse aber keine großen Sprünge machen können, Ziel sei erst einmal der Klassenerhalt. Auch der Wilhelmshavener SV ist aus der dritten Liga aufgestiegen, der Kader der Niedersachsen ist mit Erstligaspielern gespickt, zuletzt wurde der ehemalige deutsche Nationalspieler Jens Vortmann vom Erstligisten Leipzig mit einem Vierjahresvertrag gelockt.

Von derlei Personalien kann der TuS-Trainer Martin Wild nur träumen. Immerhin kann er mit Bewährtem arbeiten. Dabei hat der eine oder andere Akteur in seinem Kader sogar Offerten von höherklassigen Klubs ausgelassen. Alex Leindl, so ist zu hören, war vom Erstliga-Aufsteiger TUSEM Essen umworben. Nun wird er wie die Kollegen vom TuS mit einem Vertrag ausgestattet, Voraussetzung für die zweite Liga. Bisher waren alle blutige Amateure, daran ändert auch ein Vertrag wenig.

Der Trainier muss im Übrigen eine A-Lizenz vorweisen, doch der erste Lehrgang wurde bereits verschoben, erzählt Wild. Seine kleinste Sorge, ein Saisonstart ohne Zuschauer wäre schlimmer. Dann fehlen elementare Einnahmen. Oder ein verschobener Saisonstart nebst komprimiertem Spielplan, dann drohen Mittwochsspiele: "Konnte sein, dass dann der ein oder andere Spieler nicht kann. Oder ich", sagt Wild, er ist wie das Gros der Spieler berufstätig. Daran will er aber nicht denken, lieber gibt er sich solchen Gedankenspielen hin: "Spiele vor 50 Zuschauern sind vorbei, wir gehen raus aus den Turnhallen, rein in die Arenen." Vielleicht ja zum Weihnachtsspiel nach Hamburg, dort waren im vergangenen Dezember knapp 10 000 Zuschauer. Blazenko Lackovic war auch dabei.

© SZ vom 11.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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