Handball:Das Herz der Löwen

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Matthias Haberthaler (li.) fehlte den Anzinger Handballern zu Saisonbeginn verletzt, in ihm kehrte ein wichtiger Faktor aufs Parkett zurück. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der SV Anzing hat sich zur zweiten Kraft in der Region München entwickelt. Jetzt will er sich in der Bayernliga etablieren - vorerst.

Von Ralf Tögel, Anzing

Erlangen, Rimpar, Günzburg, Unterhaching, Friedberg. Es liegt ein bisschen Ehrfurcht in der Stimme von Günter Erber, als er die Namen nur so herunterrattert. Verglichen mit dem kleinen Anzing alles bekannte Vereine, sagt er. Erber ist Teammanager der Anzinger Handballer, vielleicht zeigt er ein bisschen viel Demut, angesichts dessen, was sein Klub in den vergangenen Jahren erreicht hat. Der SV Anzing kann zurecht behaupten, die zweite Kraft im Großraum München zu sein. Trotzdem ist der Respekt groß, vor der Erlanger Reserve zum Beispiel. Die soll zukünftig den Erstliga-Profis zuarbeiten, der Aufstieg ist Teil des Konzepts, ein Spielertrainer wurde zum starken Kader hinzugeholt, der HCE II führt mit nur zwei Minuspunkten uneinholbar. Rimpars erste Mannschaft spielt in der zweiten Liga, solche Vereine haben ganz andere Möglichkeiten. Alle genannten Gegner haben mindestens drittklassig gespielt, der VfL Günzburg etwa spielte zu seinen Glanzzeiten erste und zweite Bundesliga. Anzing hat die Schwaben in der Tabelle überholt, beide Saisonvergleiche gewonnen. Das Ziel bleibt aber bescheiden: Klassenerhalt. "Eigentlich müssten wir durch sein", sagt Erber, 19 Punkte haben sie bislang gesammelt, Platz neun im Feld der vierzehn Teams. Am Samstag gastiert Primus Erlangen II (18 Uhr), diese Punkte sind im Plan. "Aber vier Spiele möchte ich schon noch gewinnen", sagt Erber.

Es steckt ein langer Weg mit viel Arbeit hinter dieser Bilanz, vor zehn Jahren hat alles mit einer Spielgemeinschaft mit dem Kirchheimer SC begonnen. Es gab einen Durchmarsch in die Landesliga, einen Rückschlag, die Rückkehr in die fünfte Klasse. 2012 baute der Anzinger Sportverein mit Hilfe der Gemeinde eine eigene Halle, zwei Jahre später folgte der Aufstieg in die Bayernliga, der bislang größte Erfolg in der Klubhistorie. Und das Bekenntnis zum Leistungssport, was die Abspaltung der Kirchheimer nach sich zog, dem Nachbarn war das Risiko zu groß.

Seit 2011 ist Hubert Müller Trainer in Anzing, und er hat Visionen mitgebracht. "Mit ihm ist es so richtig losgegangen", erinnert sich Erber, Müller kannte sich aus im hochklassigen Amateur-Handball, er hatte den TSV Unterhaching zur Marke im Münchner Handball geformt. In Anzing fand er ein williges und aktives Umfeld vor, gemeinsam machte man sich daran, die nötigen Strukturen zu schaffen. "Das beginnt beim sportlichen Unterbau, über das Management und endet im Umfeld", sagt der Trainer. Der Klub ist mittlerweile gut vernetzt in der Politik und der Wirtschaft im Ort, Müller erzählt von einer ausgefeilten medizinischen Betreuung, üppigen Trainingszeiten, weil man sich nicht mit anderen Vereinen herumplagen muss, von Heimspielen mit Eventcharakter und einem Zuschauerschnitt, der über 300 liegt. 50 000 Euro bringt der SVA in dieser Saison zusammen, sagt Teammanager Erber, mehr als zwei Drittel fließen in die erste Mannschaft. "Das Aushängeschild", sagt er, der Magnet, der Jugendspieler aus der ganzen Region anziehen soll. Die Nachwuchsarbeit ist das erklärte Kernstück im Verein, ausgebildete Trainer für alle Jugendteams sollen das gewährleisten, jede Altersklasse wird kommende Saison mit zwei Teams besetzt sein. Die Reserve soll als Talentbecken möglichst schnell in die Landesliga aufsteigen.

Trotz aller Ambitionen sei für Hirngespinste kein Platz, sagt Müller, "wir wollen uns in den nächsten zwei, drei Jahren in der Bayernliga etablieren". Schritt für Schritt, Strukturen verbessern, Identität schaffen, sein Credo: "Im Umfeld besser werden und nicht zuerst auf Meisterschaften schauen." Es geht dennoch zügig voran, nur der Drittligist Fürstenfeldbruck ist derzeit in der Region vor den Löwen notiert, der Markenname ist Teil der Klub-Strategie. In zwei Wochen gastiert der TSV Unterhaching zum Derby, "das wird ein Handballfest", sagt Erber, dann soll die Wachablösung vollzogen werden. Erber sagt das nicht, er muss es auch gar nicht sagen. Erber erzählt aber, dass mittlerweile Spielerberater beim SV vorstellig werden. Einmal seien sie schwach geworden, im Trainingslager in Kroatien hatten sie einen Profi von dort engagiert, dem wurde ein Job besorgt, doch Arbeit neben dem Sport war nicht in seinem Sinne - drei Monate nach Saisonbeginn war er wieder weg. "Nie wieder", sagt Erber jetzt. Anzing setzt auf eigene Talente, auf Spieler aus der Region, warum soll das nicht noch weiter nach oben führen? Bislang jedenfalls geht das Konzept auf, das Gros der Spieler stammt aus Anzing oder Umgebung, mit Ausnahme des kosovarischen Nationalspielers Florim Hoxa. Der ist aber keiner, der heraussticht oder einen Sonderstatus beansprucht. Das Team wird zum Großteil zusammenbleiben, eine Handvoll Spieler wird gehen, Eigengewächse rücken nach: "Wir sind gut aufgestellt", sagt Müller, "ich freue mich auf die nächste Saison."

Mit Spielern aus der Region, die einen entscheidenden Vorteil mitbringen, sagt Teammanager Erber: Die hätten einen ganz anderen Einsatzwillen als irgendwelche Legionäre: "Die Jungs hauen sich ganz anders rein, denn in ihrer Brust schlägt das Herz der Löwen."

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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