Gespräch:"Das war ein richtiger Befreiungsschlag"

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Tischtennisspieler Florian Schreiner hat in China hart trainiert. Platz zwei im Bundesranglistenfinale ist der erste Erfolg nach frustrierenden Monaten

Interview Von Andreas Liebmann, Fürstenfeldbruck

Englisch, Mathe, Physik. Je eine Doppelstunde. So ganz konnte sich Florian Schreiner am vergangenen Montag nicht auf den Unterricht konzentrieren. Es war erst wenige Stunden her, da stand der 18-Jährige im Endspiel des Bundesranglistenfinales der Männer in Bayreuth gegen Ricardo Walther an der Platte, die Nummer zehn der deutschen Tischtennisrangliste. 2:2 nach Sätzen stand es, ehe sich Walther durchsetzte. Doch auch Rang zwei war für Schreiner, den jungen Zweitligaspieler des SC Fürstenfeldbruck, ein riesiger Erfolg. Er ließ eine ganze Reihe Spieler hinter sich, die in der nationalen Rangfolge vor ihm stehen, und er setzte damit nach einigen turbulenten Monaten ein Ausrufezeichen: Seht her, der deutsche Jugendmeister von 2013 ist auch noch da!

SZ: Glückwunsch zu Ihrer Finalteilnahme. Waren Sie von sich selbst überrascht?

Florian Schreiner: Ach, am Anfang des Turniers habe ich gar nicht so gut gespielt, aber ich wurde immer besser, hatte immer mehr Selbstvertrauen. Dass ich dann im Finale mit Ricardo mithalten konnte und eine echte Siegchance hatte, das hat mich selbst gewundert. Er spielt ja in der ersten Liga und hat dort auch einiges gewonnen.

Das war Ihr größter nationaler Erfolg ?

Ja, und er war für mich sehr wichtig. Bei mir sind in letzter Zeit nicht so viele Sachen toll gelaufen, da ist wirklich ein Knoten geplatzt, es war ein richtiger Befreiungsschlag. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Ich konnte mir selbst beweisen, dass ich es doch kann, und dass sich die ganze Arbeit zuletzt ausgezahlt hat.

Sie haben in Bayreuth einige hinter sich gelassen, die zuletzt eher an Ihnen vorbeigezogen waren, wie Kilian Ort, Ihren Nachfolger als deutscher Jugendmeister, oder die Brüder Qiu aus Frickenhausen.

Die trainieren natürlich auch fleißig, alle haben ein ähnliches Niveau. Aber stimmt schon: Ich war diesmal der Weiteste der jungen Spieler, natürlich freut mich das.

Kann es sein, dass Ihnen solche Turniere mehr liegen als der Ligabetrieb?

Schwer zu sagen. Man ist den ganzen Tag in der Halle, hat viele Spiele. Da ist Ausdauer gefragt, mentale Stärke, man muss sich auf viele verschiedene Gegner einstellen. Das Positive an Turnieren ist, dass man sich dort Selbstvertrauen erspielen und sich immer mehr reinsteigern kann.

Eigentlich sollte zurzeit Ihr erstes Profijahr laufen, doch im Frühjahr sind Sie durch die Abiturprüfungen gefallen und mussten umdenken. Wie schwer war das?

Hart. Ich hatte mein Training zurückgefahren und wirklich was für die Schule getan. Aber in meinen beiden Problemfächern, Mathe und Deutsch, hat es nicht geklappt. Das war bitter. Ich wollte richtig durchstarten, hatte mit vielen Leuten über meine Zukunft gesprochen, über Verträge. Das hat dann schon wehgetan. Eine Zeitlang war ich echt am Boden. Aber so etwas passiert.

Hatten Sie mal überlegt, das Abitur einfach bleiben zu lassen?

Doch, lange, gemeinsam mit meinen Eltern. Am Anfang sah es auch so aus. Aber dann habe ich mich doch für die Schule entscheiden. Das Abitur in der Tasche ist einfach eine Absicherung. Und eine Woche später bin ich dann nach China geflogen.

Wo sie zwei Monate lang trainiert und in der Liga mitgespielt haben. Eine gute Ablenkung in dieser Situation, oder?

"Wenn man zurückkommt, ist man ein höheres Niveau gewohnt": Florian Schreiner hat zwei Monate bei seiner Tante in Shandong trainiert. (Foto: Nils Rack/oh)

Die ersten zwei Wochen waren hart, ich hatte noch nicht so den Kopf dafür, dazu kam der Trainingsrückstand. Aber als ich mich dann reingebissen hatte, waren die Gedanken weg und es hat Spaß gemacht.

Ihre chinesische Tante ist Provinztrainerin in Shandong, daher konnten Sie dort mittrainieren. War sie streng mit Ihnen?

Es ging. Sie hatte viel zu tun, ich habe sie leider nicht oft gesehen. Aber wenn sie da war, war sie gewohnt streng.

Wie war der Tagesablauf?

Dort gibt es einen Sportkomplex, wo ich mit im Internat wohnen durfte. Sieben Uhr essen, halb neun bis zwölf Training, zwei Stunden Pause im Zimmer, halb drei wieder zur Halle, bis halb sechs. Manchmal bin ich nach dem Abendessen wieder in die Halle gegangen, aber selten. Du bist so kaputt, dass du dich nur ausruhen willst. Ich war ja schon oft dort und kannte das, nur noch nie für so eine lange Zeit.

Ist das Training härter als in Europa?

Viel härter. Du bist dort abgeschottet, kannst nicht einfach rausgehen, wann du willst, nur am Sonntag ist frei, da hast du Freigang. Du bist weg von deinen Freunden, deiner Familie, am Anfang hatte ich auch kein Internet. Etwas einseitig.

Und schließlich durften Sie sogar in der zweiten Liga mitspielen?

In der Pro B, sprich: dritte Liga. Es hat mich sehr gefreut, dass meine Tante das erlaubt hat. Wir sind nach Chengdu gefahren, in der Provinz Sichuan. In China läuft die Liga anders, sie ist in Stationen aufgebaut, eher wie eine Turnierserie für Mannschaften. Ich habe die zweite Station mitgemacht, eine Woche lang wird da nur gespielt. Am Ende ging es für uns gegen den Abstieg, aber meine eigene Leistung war ganz gut: sieben Siege, fünf Niederlagen.

Und Sie waren der einzige Ausländer?

Fast. In einer anderen Mannschaft haben noch zwei Italiener gespielt.

Ihr Verein in Fürstenfeldbruck hatte erwartet, dass Sie deutlich gestärkt aus China zurückkehren würden. Man hört, Ihre Rückhand sei druckvoller geworden.

Stimmt. Dort ist das Spielsystem anders, schneller, mehr mit Risiko verbunden, aggressiver. Du machst dort viele Aufschlag-Rückschlag-Übungen. Wenn man zurückkommt, ist man im Aufschlag-Rückschlag ein höheres Niveau gewohnt. Es fällt dann viel leichter, gegen Europäer zu spielen.

Trotzdem läuft es in der zweiten Bundesliga noch nicht, Sie haben erst eins Ihrer sechs Einzel gewonnen. Was ist los?

Die eingleisige zweite Liga ist stark, viele Leute aus den ersten 200 sind dabei. . .

. . . nach Weltranglistenpunkten soll sie die viertstärkste europäische Liga sein.

Kann sein. Im ersten Spiel gegen Bad Königshofen habe ich Kilian Ort geschlagen und knapp gegen Joao Geraldo verloren, aber dann hat sich mein Hüftwirbel verschoben, ich hatte Rückenschmerzen. Entsprechend chancenlos war ich gegen Weinheim. Die nächsten Niederlagen waren wieder knapp. Deshalb war der Erfolg in Bayreuth so wichtig: Wenn du dauernd knapp verlierst, fehlt dir das Selbstvertrauen.

Das dürfte ja jetzt zurück sein. Pünktlich zum Derby in Passau am Samstag. Und wie läuft's in der Schule?

Ganz gut, noch ist nicht viel passiert. Sechs Monate noch, dann starte ich durch.

Dass Sie fließend Mandarin sprechen, nützt Ihnen im Abitur ja leider nichts.

Stimmt. Eigentlich schade.

© SZ vom 18.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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