G-Judo:Kampf um einen Platz in der Gesellschaft

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"Roman ist der beste G-Judoka, den es derzeit gibt", sagt Alwin Brenner über seinen Schüler. Der 26-Jährige assistiert ihm mittlerweile im Training. (Foto: Catherina Hess)

Für den geistig behinderten Roman Peter bietet der Sport eine wichtige persönliche Bestätigung

Von Nikolai Huland, München

Roman Peter verliert kurz die Fassung. Er springt in die Luft, reißt die Arme hoch und schreit: "Jaa! Jaaa!" Gerade hat er seinen Gegner auf den Rücken gewuchtet, ihn aufs Kreuz gelegt. Der Kampf ist aus, Roman Peter hat gewonnen. Mal wieder. "Roman ist der beste G-Judoka, den es derzeit gibt", sagt sein Trainer Alwin Brenner. Der Münchner Verein Sportfreunde Harteck war am vergangenen Wochenende Ausrichter der deutschen Verbandsmeisterschaften für geistig Behinderte im sogenannten G-Judo; mehr als 90 Sportler nehmen daran teil. Roman Peter kämpft im Team Bayern in der höchsten Leistungsklasse, seine Disziplin: Schwergewicht, 90 Kilo plus. Gegner im Finale ist das Team aus Nordrhein-Westfalen.

Peter gewinnt seine Kämpfe souverän, doch die Teamwertung entscheiden die Westdeutschen zweimal mit 3:2 Punkten für sich. Zum elften Mal hintereinander - immer gegen Bayern. Peter, 26, sagt nach dem Finale: "Wir wollten unbedingt Meister werden. Aber der zweite Platz ist auch gut. Ich liebe mein Team, alle haben ihre Arbeit gut gemacht."

Roman Peter ist klein und stämmig, sein Gegner aus NRW überragt ihn um mehr als einen Kopf. Doch Peter ist wendig, hebelt den langen Kerl immer wieder aus. Wenn seine Kameraden kämpfen, brüllt er ins Publikum: "Bayern! Bayern!" Die Zuschauer reagieren, stimmen ein, es wird laut in der Halle. Trainer Brenner lernte Peter schon kennen, als dieser noch ein Kind war. "Durch das Kämpfen hat er seine Persönlichkeit gefestigt", sagt Brenner, der Judotrainer und Heilpädagoge ist.

Während Peter auf das Finale wartet, läuft er kreuz und quer über den orangefarbenen Boden der Turnhalle der Willy-Brandt-Gesamtschule, seine dunkelbraunen Augen wandern durch seine Umgebung wie ein Suchscheinwerfer durch die Dunkelheit. Er spricht mit vielen Leuten und tanzt zu der dröhnenden Musik. Dann wird er auf einmal ernst und sagt: "Ich bin nervös heute."

Alwin Brenner leitet die G-Judo-Abteilung der Sportfreunde Harteck, die auch im Leistungssport recht erfolgreich ist. Seit 25 Jahren macht er das schon, damals gründete er die G-Judo-Abteilung, die heute rund 70 Mitglieder hat. Sie entstand aus einer Kooperation mit Brenners Arbeitgeber, dem Heilpädagogischen Centrum Augustinum (HPCA). Seit fünf Jahren schickt er eine gemischte Mannschaft aus behinderten und nicht-behinderten Sportlern in die Kreisklasse, erreichte dort bislang immer Plätze im oberen Mittelfeld. "Das ist eine schöne Selbstbestätigung für die Jungs. Sie haben dadurch volle Teilhabe an der Gesellschaft und das merken sie auch", sagt Brenner.

Der Leiter der seit 50 Jahren bestehenden Judo-Abteilung der SF Harteck ist Yusuf Güngörmüs. "Die Entwicklung der G-Judo-Abteilung ist gigantisch. In Deutschland sind wir ganz vorne dabei", sagt er. Güngörmüs trainiert die Regionalligamannschaft des Vereins und außerdem auch einige der geistig behinderten Judoka. "Sie haben einen unglaublichen Willen und große Freude am Sport. Solche Menschen liebt man, wenn man als Trainer auf der Matte steht." Er weiß auch, wie es ist, wenn man als Trainer das Vertrauen der behinderten Sportler gewinnt. "Sie kennen ihre Schwächen und wollen geführt werden. Sie kommen dann und fragen: Kannst du mir helfen?" Ein Geben und Nehmen sei das, sagt Güngörmüs.

Alwin Brenner trainiert geistig behinderte Menschen mit verschiedenen Problemen: Manche sind Autisten, andere haben das Down-Syndrom oder sind aus verschiedenen Gründen geistig weniger entwickelt. Wenn ein Kind etwa bei der Geburt zu wenig Luft bekommt, kann eine geistige Behinderung, eine langsamere oder eingeschränkte Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten die Folge sein.

Auch Roman Peter ist in seinen geistigen Fähigkeiten eingeschränkt. Inzwischen arbeitet er aber als Küchenhilfe und unterstützt Brenner als Co-Trainer. "Mein größter Wunsch ist: Ich will auch Trainer werden", erzählt er und sagt: "Mein Trainer hat mir Judo beigebracht. Ohne ihn wäre ich heute nicht so, wie ich jetzt bin."

© SZ vom 26.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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