Süddeutsche Zeitung

Futsal:Langsamer Walzer statt Hallensamba

Fünf Minuten vor Saisonende rettet sich der TSV Neuried durch das 1:1 gegen den schon abgestiegenen TSV 1860.

Von Fabian Dilger, Neuried

Die Ausgangslage vor dem Match hatte einer jener mitteilungsfreudigen Sechziger-Fans unter den 80 Zuschauern in der Neurieder Halle präzise zusammengefasst: "Wir steigen ab, wir nehmen euch mit", krähte der Mann und bewies damit, dass er die Tabelle der Futsal-Regionalliga eingehend studiert hatte. Der Klub aus Giesing und der TSV Neuried sind erst vor einem Jahr in die höchste Spielklasse im Hallenfußball aufgestiegen. Die Löwen standen vor dem letzten Spiel schon als Absteiger fest, konnten die Neurieder aber noch mit in die Bayernliga ziehen. Denn Neuried brauchte einen Punkt, um sich noch auf den letzten Metern über den Strich zu hechten. Der direkte Konkurrent der Neurieder im Abstiegskampf, Croatia Stuttgart, einen Punkt voraus und mit dem schlechteren Torverhältnis, war zeitgleich beim ungeschlagenen Liga-Primus Weilimdorf zu Gast. Eine Niederlage Croatias war also zu erwarten. Damit reduzierte sich die Aufgabe der Neurieder auf die machbare Mission: Ein Unentschieden würde den Klassenerhalt sichern.

Der Landkreis-TSV begann gegen den Stadt-TSV aber nicht im Remis-Modus. Neuried war die deutlich aktivere Mannschaft und konnte - von 1860 meist tunlichst in Ruhe gelassen - von hinten heraus immer wieder versuchen, Angriffe aufzubauen. Je weiter es in Richtung des 1860-Tores ging, desto stockender wurde es dann aber. Die vier Feldspieler der Löwen erwarteten die Neurieder Angriffe meist tief in der eigenen Hälfte, verknappten den Raum um den Strafraum und versperrten vielbeinig alle Passwege und Schussmöglichkeiten.

Zunächst geht die Kontertaktik von Sechzig auf, Ivanek erzielt die 1:0-Führung für die Löwen

Zweiter Teil des Spielkonzepts der Gäste waren dann eilends ausgespielte Gegenangriffe nach Balleroberung. Mit dieser Taktik waren die Sechziger offensiv gefährlicher als die bemühten Neurieder: Immer wieder konnten der bullige Stürmer Sebastian Rutkowski und Flügelspieler Mihael Ivanek die Abwehr der Würmtaler in Einzelduelle zwingen und abschließen. Nach zehn Minuten verwertete Ivanek dann einen solchen Konter. Auf der rechten Seite brach er durch, sein Schuss wurde noch abgefälscht und landete im Winkel des Neurieder Tors. Bis zur Halbzeit verlor Neuried daraufhin für lange Zeit die Orientierung im eigenen Defensiv-Spiel - nach der Pause fingen sich die Hausherren aber deutlich.

"Wir wollten mit Kopf spielen, wir wollten die Ruhe bewahren", sagte Neurieds Trainer Mathieu Jerzewski nach der Partie. Offensiv war es aber mehr als ruhig, geradezu totenstill: Im Futsal fallen fast in jedem Spiel mehr als fünf Tore, in der Neurieder Halle sah man statt Hallensamba aber einen langsamen Walzer. Beide Teams kamen nur selten zu gefährlichen Abschlüssen. Jerzewski erklärte das auch mit der Vita seiner Spieler, die alle noch keine Erfahrung in höheren Klassen hätten: "Die fühlen in solchen Spielen den Druck."

Der Druck für Neuried steigerte sich mit jeder ablaufenden Sekunde, das Ausgleichstor musste her. In den letzten zehn Minuten wurden die Abwürfe weiter, die Bälle schneller und die Mienen finsterer. Fünf Minuten vor Ende bot sich dann doch einmal der freie Passweg durch die vielen Verteidigerbeine vor dem Tor der Sechziger: Pavlo Stohniienko konnte von rechts durchspielen, Erik Martori stand richtig und traf zum wichtigsten Tor der Saison. Gleichzeitig wurde auf der Zuschauertribüne die Info lanciert: Croatia deutlich hinten, Neuried in diesem Moment nicht abgestiegen. Fünf Minuten Spielzeit und eine Minute danach musste Trainer Jerzewski noch überstehen: Während des Spiels wollte der 32-Jährige keine Zwischenstände wissen, als das Internet die Croatia-Niederlage lieferte, gab es einen kollektiven Freudenschrei, geballte Fäuste und die ersten Getränkebestellungen bei den Neuriedern.

Für die Würmtaler geht das "Abenteuer Regionalliga", wie es Jerzewski nennt, in der nächsten Saison in Runde zwei. "Wir haben nur für die Bayernliga kalkuliert", sagte Jerzewski, einige grundsätzliche Gedanken habe er sich aber schon gemacht: Sowohl Trainerstab als auch Kader sollen größer werden. Dieses Jahr habe man Glück gehabt, dass alle fit blieben, jetzt will man nach Futsal-Spezialisten fahnden. Der internationale Kader mit vielen Studenten wird im Kern aber nicht verändert: "80 Prozent bleiben, bei 20 Prozent wird man schauen."

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SZ vom 25.03.2019/tbr
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