Süddeutsche Zeitung

Fußball:Warten auf die Atempause

Zu viele Einsätze für zu wenig Personal: Der FC Bayern verliert in der Regionalliga beim 1:1 gegen Fürth II weitere Punkte. Die Spieler sind zurzeit im Akkord gefordert, auch bei den Profis.

Von Raphael Weiß

70. Spielminute. Der letzte Feldspieler des FC Bayern ist 60 Meter vom eigenen Tor entfernt. Der Torwart wartet an der Mittellinie, um etwaige Konter zu unterbinden. Ein Bild, an das man sich in der Bundesliga gewöhnt hat. Nur am Dienstagabend stand da nicht Manuel Neuer knapp vor des Gegners Hälfte, sondern Christian Früchtl, der letzte Verteidiger hieß Adrian Fein und nicht Jérôme Boateng und der Spielstand lautete 0:1. Greuther Fürth II führte. In dieser Phase schaffte es der FC Bayern II, das Spiel für 20 Minuten komplett zu dominieren, nachdem es lange vor sich hingeplätschert war.

Nicht nur während solcher Druckphasen verschwimmen derzeit die Grenzen zwischen den kleinen und den großen Bayern. Verletzungssorgen und das derzeitige Programm der ersten Mannschaft erschweren die Arbeit von U23-Trainer Tim Walter erheblich. "Ich habe gerade wenig Möglichkeiten, irgendwo anzusetzen", sagte Walter nach der dritten sieglosen Partie in Serie. Er wirkte angefressen. "Ich muss immer wieder nach oben abgeben, dazu die Verletzungen. Jetzt muss ich warten, bis ich wieder Spieler hab." Vier Mal in zwölf Tagen musste sein Regionalligist zuletzt ran, acht Spieler fehlen verletzt, großteils Stammpersonal - "und dann angeschlossen so ein Traumspiel für die Profis", sagte Walter und meinte das 8:1 in Coburg, für das er am Sonntag neun Spieler abstellen musste. Stützen wie Pantovic, Benko oder Dorsch standen gegen Fürth das dritte Mal in vier Tagen in einer Startelf.

Viel Zeit zum Ärgern bleibt nicht. Am Freitag in Augsburg steht schon die nächste Partie an

Obwohl fünf der acht Verletzten Innenverteidiger sind, setzte Walter in der Defensive auf eine Dreierkette mit Fein, Köhn und Obermair - keiner von ihnen ausgebildet fürs Abwehrzentrum. Der Plan schien anfangs aufzugehen, die Bayern ließen wenig zu. In der Offensive kam Kwasi Wriedt in den ersten 20 Minuten gleich dreimal zu hochkarätigen Chancen, scheiterte allerdings zweimal unbedrängt an Torwart Sascha Burchert und einmal an der eigenen Ballkontrolle. Danach verflachte das Spiel.

In der zweiten Hälfte wurde das Spiel ansehnlicher, nicht zuletzt, weil auch die Fürther sich mehr trauten. Mit schnellen Kontern versuchten sie immer wieder, die nun weit aufrückende Bayern-Defensive zu bezwingen. Bei den Bayern waren vor allem Timothy Tillman und Milos Pantovic auf den Flügeln gefährlich. "Wir spielen die Chancen ja raus, aber mir fehlt dieser unbändige Wille, das Tor zu machen. Ohne den können wir keinen Erfolg haben", das war der einzige Vorwurf, den Walter seinem Team machen wollte. Und dann war einer dieser Fürther Konter erfolgreich: Eine Flanke von Mario Baldauf erreichte den freistehenden Stefan Maderer, der Früchtl per Kopf keine Chance ließ (64.).

Doch die jungen Bayern reagierten. In den letzten 25 Minuten zeigten sie jenen unbedingten Willen zum Torabschluss, den Walter gerne das ganze Spiel über gesehen hätte. Sie schnürten die Fürther in deren Hälfte ein, versuchten immer wieder eins gegen eins zu gehen, ohne dabei leichtfertig Konter zuzulassen, und wurden zehn Minuten nach dem Gegentor belohnt: Ein abgefälschter Schuss des eingewechselten Maximilian Franzke landete direkt vor Wriedts Füßen, der nur noch einschieben musste. Es war das vierte Tor im fünften Spiel des Zugangs aus Osnabrück.

Es folgte ein wilder Schlagabtausch, mit den besseren Möglichkeiten für die Fürther, aber es blieb beim 1:1. "Am Ende können wir sogar froh sein, dass es Unentschieden ausgeht, weil wir so viel versiebt haben", sagte Walter und fügte an: "Die Jungs machen es ja gut, aber ich bin unzufrieden: Wenn du so viel mehr als jemand kannst, dann musst du auch Ergebnisse einfahren." Viel Zeit zum Ärgern bleibt den Bayern ohnehin nicht. In wenigen Tagen steht das nächste Spiel an. Am Freitag in Augsburg. "Wir müssen jetzt einfach weitermachen, ich muss die Jungs aufbauen. Und wenn wir da alles geben, kommt auch was Zählbares raus", sagte Walter. Danach kommt endlich die Länderspielpause, dann hofft der Coach darauf, dass seine Verletzten zurückkommen und die Grenzen zwischen den großen und den kleinen Bayern wieder etwas deutlicher werden.

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Quelle:
SZ vom 24.08.2017
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