Fußball und Wissenschaft:Die Säulen des Spiels

Das Internationale Fußball-Institut in Ismaning hat sich zum führenden Kompetenzzentrum entwickelt. Experten wie Manuel Baum und Urs Siegenthaler referieren vor künftigen Trainern und Managern.

Von Stefan Galler

Fußball sei keine Mathematik, hat Karl-Heinz Rummenigge einst den früheren Mathelehrer Ottmar Hitzfeld zurechtgewiesen. Der Bayern-Trainer hatte damals im Uefa-Pokal einige Spieler für ein wichtiges Bundesligaspiel geschont. Mit seinem Lehrsatz mag der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern Recht haben, der ebenfalls oft gebrauchte Spruch, wonach Fußball keine Wissenschaft sei, stimmt dagegen schon lange nicht mehr.

So viele Facetten umfasst dieser mittlerweile komplexe Sport, angefangen von der Trainingslehre und Leistungsdiagnostik über Scouting und Spielanalyse bis hin zu Bereichen, die in den ökonomischen Bereich ragen: Kaderplanung, Management, Controlling. Und weil sich immer mehr junge Menschen nicht nur privat mit dem Fußball auseinandersetzen, sondern beruflich in der Branche Fuß fassen wollen, rennen sie dem Internationalen Fußball-Institut (IFI) in Ismaning förmlich die Türen ein.

Seit knapp zehn Jahren gibt es das Institut bereits, aus vier Mitarbeitern ist eine Belegschaft von etwa 20 Personen geworden. "Unser Ziel war es, das führende Kompetenzzentrum für Fußball im deutschsprachigen Raum zu sein. Und ich denke, das haben wir erreicht", sagt Professor Florian Kainz, Leiter des IFI und Geschäftsführer der Hochschule für angewandtes Management, aus der das speziell auf den Fußball ausgelegte Institut 2011 hervorgegangen war. "Wir hatten damals viele Projekte und Forschungsarbeiten an der dortigen Fakultät für Sportmanagement. Irgendwann habe ich den Vorstoß gewagt, ein reines Fußballinstitut auszugliedern. Und das durfte ich dann als Direktor aufbauen", sagt Kainz. Eine Aufgabe, die ihm viel Freude gemacht habe.

Der Bachelor-Studiengang "Fußballmanagement" wurde damals aus der Taufe gehoben. Doch damit nicht genug: Mittlerweile bietet das IFI strategische Begleitung für Vereine und Verbände an, hat speziell auf den Fußballmarkt zugeschnittene Zertifikatsprogramme für Profis und Amateure im Portfolio und bietet - beispielsweise auch für Fernsehsender - anwendungsorientierte Analysen in allen Bereichen, die den Fußball betreffen. Nun startet im Herbst der zweite Studiengang Training und Coaching im Fußball. "Unsere Arbeit gründet sich auf drei Säulen: Beratung, Qualifizierung und praxisnahe Forschung", so Kainz.

13.01.2020, Fussball 3. Bundesliga 2019/2020, Trainingslager des TSV 1860 München in La Manga, Spanien. Taktiktafel. ***; Trainingslager des TSV 1860 München in La Manga, Spanien. Taktiktafel.

Praxisnah: Die Dozenten am IFI versuchen, ihre Erfahrungen anschaulich zu vermitteln.

(Foto: Bernd Feil/imago)

Schon früh hat man am IFI Kurse möglichst virtuell konzipiert, auch wenn es etwa bei den Zertifizierungen und bei den Studiengängen verpflichtende Präsenztage gibt. Die Corona-Krise beschäftigt auch das Institut intensiv. So sind Aufträge rund um die Champions League und die verschobene Europameisterschaft auf Eis gelegt. Doch dafür gewinnt der Bereich Aus- und Weiterbildung immens an Bedeutung. Aus dieser Not hat man in Ismaning eine Tugend gemacht und ein "Vier-Wochen-Programm" aufgelegt, in dem sich die Nutzer in verschiedenen Bereichen durch sogenannte Webinare (Online-Seminare) und Zugang zu den Lernplattformen fortbilden können. "Diese Workshops laufen wahnsinnig gut", sagt Anselm Küchle, der am IFI den Fachbereich Aus- und Weiterbildung leitet. Allein im April hatte man 400 Anmeldungen, deshalb bietet man im Mai weitere dieser Programme an.

Küchle, 28, ist nicht nur studierter Sportmanager, sondern aktuell auch noch Sportlicher Leiter beim Fußball-Landesligisten VfB Hallbergmoos-Goldach. Zwischenzeitlich war er auch Trainer, konnte diese Tätigkeit jedoch nicht fortführen, weil er derzeit auch noch an seiner Promotion zum Thema "Kompetenzen von Spitzen-Fußballtrainern" arbeitet. Küchle kickte einst in der Jugend beim FC Ismaning (wo er später auch mal nebenbei die Geschäftsstelle leitete), dann viele Jahre in Hallbergmoos, zwischenzeitlich anderthalb Jahre beim FC Moosinning. Mittlerweile kann er nicht mehr spielen, ein Knorpelschaden, der eine Beinbegradigung erforderte, hat seine Karriere vor zwei Jahren beendet.

Der 28-Jährige gibt zahlreiche Kurse am IFI, beschäftigt sich aber auch mit neuen Ausbildungsprogrammen. Und er betont die große Bedeutung der Forschung für die Praxis, auch im Fußball: "Wir sind hier im Institut nicht in einem Elfenbeinturm, deshalb müssen und wollen wir die Ergebnisse unserer Arbeit weitergeben."

Um den Fußball voranzubringen, hat man einen Stamm prominenter Mitarbeiter und Dozenten akquiriert: Der frühere Heimstettner Bayernligaspieler Alexander Schmalhofer, derzeit Leiter Spielanalyse und Innovationsprojekte in der Red Bull Akademie in Liefering bei Salzburg, gehört ebenso zum Stamm der festen Mitarbeiter wie Markus Hörwick, langjähriger Mediendirektor beim FC Bayern. Zu den Dozenten zählt U-20-Nationaltrainer Manuel Baum, der einst in Ismaning als Torwart gespielt hatte und den Aufbau des Instituts von Beginn an begleitet hatte. Oder auch die Cheftrainer des TSV 1860 München und von Austria Wien, Michael Köllner und Christian Ilzer. Und Urs Siegenthaler, einst Assistent von Bundestrainer Löw und seit vielen Jahren Chefscout der Nationalmannschaft. "Urs plaudert bei unseren Zertifizierungsworkshops zum Scouting auch viel aus dem Nähkästchen", verrät Florian Kainz. "Es ist natürlich eine Herausforderung, kompetente Leute zu bekommen. Wir müssen dabei ganzheitlich denken, nicht nur an die Profis, sondern auch an den Nachwuchs, Talententwicklung, kaufmännische Aspekte", sagt der Direktor.

Fußball und Wissenschaft: Institutschef Florian Kainz ist zudem Aufsichtsratsvorsitzender der SpVgg Unterhaching.

Institutschef Florian Kainz ist zudem Aufsichtsratsvorsitzender der SpVgg Unterhaching.

(Foto: Claus Schunk)

Dafür sei es eben auch wichtig, gut vernetzt zu sein, etwa in Form von Kooperationen mit Vereinen und Verbänden. Solche bestehen beim IFI etwa mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dem Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB), dem FC Bayern, der TSG Hoffenheim, dem FC Ingolstadt und der SpVgg Unterhaching - dort ist Kainz zudem seit dem Tod von Robert Perchtold im Januar Aufsichtsratsvorsitzender der GmbH und Co. KGaA.

Die Philosophie von Hachings Präsident Manfred Schwabl deckt sich durchaus mit den Ansichten von Kainz, der gerade in der aktuellen Krisensituation wahrnimmt, wie der Fußball "nicht funktioniert". Es könne doch nicht sein, dass namhafte Traditionsvereine "innerhalb kürzester Zeit insolvenzgefährdet" seien, sagt der Professor. "Da müssen wirtschaftliche Konzepte neu gedacht werden, Aus- und Weiterbildung müssen wichtiger werden." Würde man etwa die Ausbildung von Talenten in Profiklubs vernachlässigen, würde auch der Fußball an Wert verlieren und das Interesse der Öffentlichkeit lasse nach. "Das Financial Fairplay darf nicht ausgehebelt werden, der Fußball muss wieder bodenständiger werden." Er sehe das IFI auch in diesem Bereich gefordert, schließlich könne man mit entsprechenden Expertisen die Notwendigkeit von nachhaltigen Personalstrategien untermauern.

Seine Dienste lässt sich das Ismaninger Institut entsprechend entlohnen, selbst wenn der Chef betont, man versuche, "am Boden zu bleiben", was die Gebühren anbelangt. Die Preise für Zertifizierungskurse liegen etwa bei 1800 Euro für Institutszertifikate (Ausbildungsdauer sechs Monate) und bei 3500 Euro für Hochschulzertifikate (sieben Monate), die aktuellen Vier-Wochen-Programme kosten 149 Euro, die Studiengebühren belaufen sich auf 395 Euro monatlich. Kosten, die sich in vielen Fällen schon gerechnet haben, wie Kainz erläutert: "Zahlreiche unserer Absolventen haben anschließend gute Jobs im Fußballbereich bekommen." Die Nachfrage ist enorm, zwischen 750 und 800 Personen würden jährlich im IFI ausgebildet.

Wegen des Andrangs kann nicht in allen Kursen jeder aufgenommen werden: "Wir führen in einzelnen Bereichen Eignungsfeststellungen durch und müssen manchen Bewerbern auch absagen", sagt Anselm Küchle. "Es geht auch um die Homogenität der Gruppen."

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