Fußball:Stunde der Patrioten

Lesezeit: 3 min

In einer Pressekonferenz informiert der VfR Garching, dass er ums finanzielle Überleben in der Fußball-Regionalliga Bayern kämpft. Es geht um rund 100 000 Euro - und die Uhr tickt.

Von Christoph Leischwitz, Garching

Am vergangenen Montag war auch ein Groundhopper ins Stadion am See gekommen. In der Halbzeit stand er für ein Torwandschießen auf der Tartanbahn, dann bekam er kurz das Mikrofon. Er sei aus der Schweiz, sagte der Gast, angereist sei er aber gerade aus Russland. Sonntag, 19 Uhr: Spartak Moskau - Zenit St. Petersburg, Montag, 13 Uhr: VfR Garching - FC Schweinfurt. "Gerade erst gelandet. Alles sehr sympathisch hier", fand der Besucher, dessen Hobby es ist, Fußballplätze rund um den Globus abzuklappern. So viel Hingabe zum VfR würde sich der Verein auch von den Ansässigen wünschen.

Theoretisch gäbe es zwei Möglichkeiten, wie man die Garchinger Fußballmannschaft in der Regionalliga halten kann. Läge der Zuschauerschnitt bei etwa 1000 Besuchern, könnte man laut Abteilungsleiter Franz Hölzl eine Saison damit durchfinanzieren. Das ist beachtlich, denn diese Einnahmen würden den allermeisten Ligakonkurrenten bei Weitem nicht reichen. Zweitens: Es finden sich zusätzliche Sponsoren oder jemand, der sich den Namen des Stadions erkauft.

Weil aber beides bisher nicht passiert ist, lud der Verein am Mittwochabend zu einer Pressekonferenz in sein Vereinsheim, um in einem letzten Versuch noch einmal auf sich aufmerksam zu machen. "Wir sind an unsere Grenzen gestoßen", sagt Hölzl gleich zu Beginn. Die familiär geführte Abteilung steht sportlich eigentlich gut da, zehn Punkte sind es aktuell auf die Abstiegs-Relegationsplätze. Der VfR wuppt mit enormem ehrenamtlichen Einsatz regelmäßig alle Auflagen des Verbands. "Die Spieler betteln mich an, dass es hier weitergeht", sagt Trainer Daniel Weber. Er selbst würde im Fall eines nicht sportlich bedingten Abstiegs nicht mehr zur Verfügung stehen, sagt er. Gibt der Verein bis zum 5. Mai Bescheid, dass er zurückziehen will, könnte er kommende Saison in der Bayernliga spielen. Dasselbe Prozedere eine Woche später, und die Landesliga stünde offen. Es ist aber gut möglich, dass der Verein noch weiter, oder besser: noch tiefer geht. Dann würde die zweite Mannschaft aufgelöst, und die erste würde deren den Platz in der Kreisliga übernehmen.

VfR-Präsident Uwe Cygan spricht von "Peanuts", aber der Verein will Defizite nicht mehr mittragen

Es geht um rund 100 000 Euro, die der Verein bis zum Stichtag 5. Mai zusätzlich braucht, um nicht die "Reißleine zu ziehen", wie Hölzl es nennt. Etwa 70 000 Euro davon würde man benötigen, um die kommende Saison zu finanzieren und konkurrenzfähig zu bleiben, 2016 war ein Defizit von 35 000 Euro aufgelaufen, das man gerne an den Hauptverein zurückzahlen würde. Hölzl erklärte, dass man prinzipiell natürlich lieber eine langfristige Lösung anstrebe, sprich: mit einem Sponsor über mehrere Jahre. Für eine Übergangslösung auf ein Jahr spricht allerdings, dass man als Bayernligist noch weniger Chancen habe, neue Sponsoren zu finden.

"Das sind eigentlich Peanuts", sagt VfR-Präsident Uwe Cygan über den fehlenden Betrag - und er hat recht. Der Etat für eine Saison liege bei rund 200 000 Euro, bundesweit dürfte es nur sehr wenige Regionalligisten geben, die darunterliegen. Umso ärgerlicher sei es, am Ende womöglich an dieser vergleichsweise kleinen Hürde zu scheitern. Doch der Hauptverein, so hieß es am Mittwoch, würde künftige Defizite nicht mehr mittragen.

Garchings Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) war ebenfalls erschienen, obwohl er eigentlich gerade Urlaub habe. Doch er wollte ein Zeichen setzen. Das VfR-Förderkreismitglied lobte die ehrenamtliche Arbeit und appellierte an den "Patriotismus" der ansässigen Unternehmen und Geschäftsleute. Der Umbau des Stadions für die Regionalliga habe die Stadt rund 100 000 Euro gekostet, man habe einen Kunstrasenplatz gebaut und man werde selbstverständlich auch eine Zaunwerbung genehmigen, wenn der Ballfangzaun das hergebe. Dies sei bislang nicht an der Stadt, sondern allein am zu dünnen Zaun gescheitert. Man werde alles tun, um die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. "Aber den Spielbetrieb muss der Verein selbst stemmen", sagte Gruchmann.

Schon nachdem die Einladung zur Pressekonferenz vergangene Woche verschickt worden war, standen die Telefone der VfR-Verantwortlichen nicht mehr still. Nur: Der mögliche neue Sponsor, der habe nicht angerufen. Gespräche werde es in den kommenden Tagen geben, erklärt indes Trainer Weber, der stets auch organisatorisch in vorderster Reihe mitarbeitet. Termine habe man auch wegen der Osterfeiertage noch nicht wahrnehmen können. Es gibt Hoffnung, doch die Zeit drängt.

Zwischen 2011 und 2014 war Webers Mannschaft drei Mal aufgestiegen. Alles sei mitgewachsen, "es hat sich schon was entwickelt", sagt Weber, sportlich und organisatorisch. Aber eben sehr viel schneller als wirtschaftlich. Bis Anfang Mai muss man nicht nur dem Verband Bescheid geben, wo man finanziell steht, sondern auch den Spielern. "Sie haben gesagt, sie können nicht bis auf den letzten Drücker warten." Für den letzten Spieltag am 20. Mai gegen Wacker Burghausen sind mehrere Freikartenaktionen geplant. Man wolle alles dafür tun, einen neuen Besucherrekord aufzustellen. Im womöglich vorerst letzten Regionalliga-Spiel der VfR-Geschichte.

© SZ vom 21.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: