Süddeutsche Zeitung

Fußball:Sie nannten ihn Paco

Der schillernde Paradiesvogel Francisco Copado, einst Profi in Frankfurt, Hoffenheim und Unterhaching, ist mit 41 beim Bezirksligisten TSV Moosach gelandet. Dort will er "einen Schritt in die richtige Richtung" machen

Von Stefan Galler, Unterhaching

Das Rauchen hat er aufgegeben. Nach 22 Jahren. "Und dass ich abends mal unterwegs war, ist ewig her. Bei der Geburtstagsfeier meiner Schwester im Februar", sagt Francisco Copado. Das ist insofern bemerkenswert, weil "Paco", wie der 41 Jahre alte ehemalige Fußball-Profi genannt wird, früher alles andere als den Ruf eines Abstinenzlers hatte. Mit Anfang 20 tanzte er im Trainingslager seines damaligen Klubs Tennis-Borussia Berlin mitten in der Nacht betrunken auf dem Klavier in der Lobby eines Hotels - in dem war dummerweise der FC Bayern untergebracht und zahlreiche Journalisten, die den Skandal in die Welt hinausposaunten. Als er 2000 bei der SpVgg Unterhaching auf den konservativen Trainer Lorenz-Günther Köstner traf, kam es zum nächsten Eklat: Copado wurde für zehn Monate suspendiert, weil er einen wenig professionellen Lebensstil pflegte. Köstners beleidigender Satz: "Er geht immer in die Disco, und dann hat er am nächsten Tag Durchfall", ist Teil der Hachinger Fußball-Historie. Nach seiner Begnadigung avancierte er unter Wolfgang Frank zum Leistungsträger und Kapitän - doch später forcierte er die Entlassung des Trainers. Und auch nach seiner Rückkehr 2009 kam es zum Streit mit Coach Ralph Hasenhüttl: Copado kritisierte die Mannschaftskollegen ("Die haben gespielt wie Mädchen"), drohte dem Trainer und flog nach nur sechs Partien aus dem Team.

Das sind ein paar Episoden, die belegen, dass Francisco Copado sich im Laufe seiner Karriere trotz seines großen Ehrgeizes immer wieder selbst im Weg stand. "Ich hätte viel mehr erreichen können", sagt er heute. "Manchmal ist es eine Frage der Einstellung." Die Einsicht kommt spät, aber womöglich nicht zu spät, um zumindest als Trainer seine Erfahrungen weiterzugeben ("Ich kann den jungen Spielern viel erzählen, ich habe ja alles selbst durchlebt") und Fuß zu fassen: "So richtig wohl fühle ich mich nur auf der grünen Wiese. Ich will den Fußballlehrer machen." Und dann irgendwann in den Profibereich zurückkehren. Seine Versuche, sich in der freien Wirtschaft zu etablieren, hat der Deutsch-Spanier nach wenig erbaulichen Tätigkeiten in der Bonbon-Industrie und bei einem Energy-Getränke-Hersteller abgebrochen. Und die kurze Episode, als er in Unterhaching Sportdirektor war und gemeinsam mit dem Präsidium den Klub fast in den Ruin geführt hätte, weil sie alle einem Hochstapler auf den Leim gegangen sind, sieht er heute distanziert: "Ich bin damals mehr oder weniger da reingedrängt worden."

Jetzt ist Copado in einer Lebensphase, in der er sich nicht mehr von anderen die Richtung weisen lassen will. Mehrmals betont er im Gespräch sein Alter: "Ich bin jetzt 41, da sollte man einen Schritt in die richtige Richtung machen." Seit August ist er Trainer beim TSV Moosach, einem Bezirksligisten aus dem Landkreis Ebersberg. Der Kontakt war über Copados Kumpel, den Garchinger Fußballer Florian de Prato, zustande gekommen, der in der vergangenen Saison dazu beitrug, dass der Verein Kreisligameister wurde und aufstieg. De Prato schaffte das gemeinsam mit seinen vier jüngeren Brüdern. Nun ist Florian zurück nach Garching, im Gegenzug überredete er Copado, zur Unterstützung der Brüder nach Moosach zu kommen - als Cheftrainer. Der frühere Profi nahm die Herausforderung dankbar an: "Es war mir wichtig, verantwortlich im Männerbereich arbeiten zu können, um Erfahrung zu sammeln." Derzeit kickt er als Spielertrainer noch selbst mit, das soll aber spätestens im Frühjahr vorbei sein.

Zuletzt war Copado Co-Trainer von Christian Ziege in Unterhaching gewesen, doch als jener im Frühjahr mitten im Drittliga-Abstiegskampf zurücktrat, ging auch der Assistent: "Ich habe mich mit Christian sehr gut verstanden, deswegen habe ich mich entschieden, mit ihm aufzuhören." SpVgg-Präsident Manfred Schwabl sagte damals in beinahe väterlichem Ton: "Für Paco wird es jetzt Zeit, dass er etwas anderes macht." Copado war ja nicht nur Zieges Assistent gewesen, er hatte als Jugendtrainer einen jüngeren Jahrgang über mehrere Spielzeiten betreut, in dem einer seiner beiden Söhne spielte, der zuletzt zum TSV 1860 wechselte. Und er war Co-Trainer von Florian Heller bei der U-17-Bundesliga-Mannschaft der SpVgg. Und so kam mit Zieges Weggang auch sein eigener. Copado sieht es nüchtern: "Ich war Spieler und Trainer bei Haching, und jetzt versuche ich, einen anderen Weg einzuschlagen."

Dass er Unterhaching ausgerechnet in diesem für ihn so einschneidenden Jahr den Rücken kehrte, ist kein Zufall. Der Abschied ist Teil seiner Neuausrichtung. Von der Mutter seiner beiden Söhne, der Unternehmerstochter Eva Schrobenhauser, deren einflussreicher Vater bei der SpVgg oft die schützende Hand über seinen Schwiegersohn gehalten hatte, ist der gebürtige Kieler getrennt. Er hat eine neue Lebensgefährtin und eine neue Lebenseinstellung: "Ich musste alles ein bisschen aufräumen. Jetzt läuft es gut, ich verbringe immer noch viel Zeit auf dem Fußballplatz, aber eben auch mit Freundin, Söhnen und Familie." Zu dieser gehört auch der Mann seiner Schwester, Hasan Salihamidzic ist eine enge Bezugsperson für Copado.

"Brazzo" lebte ihm immer das vor, womit sich "Paco" stets schwer tat: Eine professionelle Einstellung zum Fußball zu finden. Trotz seines außergewöhnlichen Talents bestritt Copado nur 49 Bundesligaspiele - für den HSV, Haching, Eintracht Frankfurt und die TSG Hoffenheim. Dazu kamen 160 Zweitliga- sowie 70 Dritt- und Regionalligaspiele. Und 48 Zweitligaspiele in Spanien, wo er mit Real Mallorca 1997 den Aufstieg in die Primera Division schaffte. "Das war mein größter Fehler", sagt der Techniker mit Torjägerqualitäten. "Ich war drauf und dran, mir beim HSV unter Felix Magath im Haifischbecken Bundesliga einen Stammplatz zu erkämpfen. Dann kam das Angebot aus Mallorca, dem ich mit 22 nicht widerstehen konnte."

Dass er sich danach immer wieder mit seinen Trainern überwarf oder es zumindest oftmals zu Streitereien kam, begründet Copado mit seinem Naturell: "Ich hatte halt sehr oft meinen eigenen Kopf und war deshalb nicht immer einverstanden mit Entscheidungen. Aber jetzt weiß ich, dass man manchmal nachdenken muss, um Dinge zu verstehen."

Und er erlebt als Übungsleiter, wie es ist, wenn die Jungs, die man trainiert, bei weitem nicht so professionell sind, wie man sich das wünschen würde: Während der Wiesn kamen in Moosach nicht mal zehn Leute ins Training, prompt setzte es zwei Niederlagen in Serie. "Ich bin froh, dass das Oktoberfest jetzt vorbei ist." Aber man dürfe den Jungs nicht böse sein, für die seien "andere Sachen wichtiger".

Ein bisschen wie bei ihm selbst früher. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass die lustigen Moosacher reine Amateure sind.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2015
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