Fußball-Regionalliga:Jugend forsch

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Goldkehlchen mit Goldriecher: Nicolas Hinterseer, 20, Neffe von Schlagerstar Hansi, singt und trifft - zur Freude der SpVgg. (Foto: Claus Schunk)

Die SpVgg Unterhaching schont gegen Viktoria Aschaffenburg etliche Stammkräfte für das DFB-Pokalspiel am Dienstag gegen RB Leipzig - und gewinnt trotzdem 2:1

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Nicolas Hinterseer kletterte nach dem Spiel am Zaun empor, der die Fans von den Spielern trennt. Vielleicht war es aber auch Hansi Hinterseer, so genau kann Claus Schromm das oft gar nicht sagen. "Er heißt Nicolas, Spitzname Hansi. Manchmal weiß ich schon gar nicht mehr, wie er richtig heißt", sagte der Trainer der SpVgg Unterhaching - den Spitznamen hat der Angreifer Hinterseer seinem Onkel zu verdanken, dem einstigen Weltklasse-Skirennläufer mit Après-Ski-Musikkarriere. Schromm versucht das jetzt zu trennen: Wenn Hinterseer Tore schießt, heißt er Nicolas, wenn er singt, heißt er Hansi. Und Hinterseer war am Samstagnachmittag gegen Viktoria Aschaffenburg eben für beides zuständig. Sein anschließendes "Gebt mir ein H!" in Richtung der auf dem Rasen kauernden Mannschaft hätte der echte Hansi nicht schöner brüllen können.

Wenig später stand der Matchwinner etwas heiser vor der Kabine und sagte mit einem breiten Grinsen: "So ganz glauben kann ich es noch nicht." Der 20-Jährige hatte beide Tore zum 2:1-Sieg gegen Viktoria Aschaffenburg erzielt, mit seinen Treffern in der 72. und 80. Minute hatte er die Partie gedreht. Dabei war er erst in der 56. Minute eingewechselt worden. Aufgelegt hatten Maximilian Nicu und Thomas Steinherr, die ebenfalls erst später ins Spiel gekommen waren. Hinterseers Tore zeugten zwar nicht von technischer Finesse oder Zweikampfstärke, dafür war der Angreifer zweimal zur richtigen Zeit am richtigen Ort. "Meine Rolle ist es auch, etwas zu machen, womit die Abwehrspieler nicht rechnen", sagte er und zeigte dann noch auf seine Nase: "Der Goldriecher." Während seiner Ausführungen standen zwei Männer aus Aschaffenburg neben ihm, die ebenfalls bekannte Nachnamen tragen: Trainer Rudi Bommer hatte Anfang der Woche den Fußball-Regionalligisten übernommen, und der in München lebende Felix Magath hatte es sich nicht nehmen lassen, dem Spiel seines Heimatvereins beizuwohnen.

Irgendwie können sie bei der SpVgg zurzeit einfach nichts falsch machen, so scheint es, selbst gegen erfahrene Teams mit erfahrenen Trainern. Die Mannschaft ließ sich auch nicht vom Rückstand aus der Fassung bringen, als Sascha Wolfert einen Eckball mit dem Kopf ins Unterhachinger Tor lenkte, unter Mithilfe eines Hachinger Abwehrrückens (31.). Zuvor hatten die Gäste eine gute Möglichkeit gehabt, doch Torwart Stefan Marinovic hatte einen Schuss von Björn Schnitzer aus kurzer Distanz sehenswert pariert, den Nachschuss klärte Josef Welzmüller auf der Linie (20.). Eine Minute nach dem Rückstand hätte Alexander Piller einen Elfmeter bekommen können, als er im gegnerischen Sechzehner gelegt wurde; in der 39. Minute vergaben Dominic Reisner und Orestis Kiomourtzoglou eine Doppelchance, und in der 44. Minute wäre der Ball nach einer Hereingabe von Luca Marseiler beinahe über die Torlinie gerutscht, weil ihn Aschaffenburgs Schlussmann Stefan Steigerwald nicht festhalten konnte. "Wir haben in der ersten Halbzeit nicht gerade super gespielt", sagte Torwart Marinovic später, man sei auch recht konteranfällig gewesen. Doch in der ersten Halbzeit hatte man bereits auf Augenhöhe agiert - mit fünf A-Junioren in der Startelf. Darunter der 18-jährige Marseiler, der nicht nur nach dem 2:1 erfolgreich eine gelb-rote Karte für Schnitzer provozierte, sondern immer wieder mutige Alleingänge startete. "Ich denke, das zeichnet mich aus. Und im Endeffekt soll sich auch der Gegner auf unser Spiel einstellen, nicht umgekehrt", sagte er, so selbstbewusst wie Goldriecher Hinterseer.

Schromm hatte einige Aketure für das DFB-Pokalspiel am Dienstag gegen RB Leipzig (20.30 Uhr, Sportpark) geschont. "Wir haben diese beiden Spiele immer im Paket gesehen", erklärte er. Man habe schon gemerkt, dass Eingewechselte wie Nicu und Steinherr daie Partie noch einmal belebt hätten. Einziger Wermutstropfen des angekündigten Wechselspiels: Tim Schels musste in der Schlussphase mit einer Schulterverletzung weiterspielen und fiel nach einem Zweikampf erneut auf die Schulter, dann wurde der Innenverteidiger unter Applaus vom Feld geführt. "Es war eine starke Leistung, er ist 16", betonte Schromm noch einmal. Nur habe er jetzt sein Engagement teuer bezahlen müssen. Schromm tippte nach der Partie auf eine Schultereckgelenksverletzung.

Während die jungen Spieler während und nach den Partien ihr Selbstvertrauen ausleben, betont Schromm immer wieder den Mannschaftsgeist, der in der Kabine herrsche. Hinterseer zum Beispiel sei "weit, weit weg gewesen von der Mannschaft", als er im Sommer gekommen sei, er meint damit vor allem den damaligen Fitnesszustand des Österreichers. Jetzt durfte dieser schon auf dem Zaun das "Humba tätärää" anstimmen, und die Mitspieler gaben ihm, vor ihm kniend, bereitwillig die Buchstaben. Zweitligist Leipzig wird es zumindest schwer haben, dieser Mannschaft die Laune zu verderben.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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