Süddeutsche Zeitung

Fußball-Regionalliga:Brutzeit

Die U23 des FC Bayern gewinnt gegen die Reserve des FC Ingolstadt trotz 50-minütiger Unterzahl 1:0 und bleibt Tabellenführer Würzburg auf den Fersen. Trainer Erik ten Hag lässt seine Zukunft weiter offen - der französische Weltmeister Patrick Vieira ist laut Verein kein Kandidat als möglicher Nachfolger

Von Ralf Tögel

Erik ten Hag zuckte mit den Schultern, blies die Backen auf, verdrehte die Augen und sagte: nichts. Es ist selten, dass dem Trainer des FC Bayern II die Worte fehlen, aber was sollte er schon sagen zu diesem Gerücht. Eine große Boulevardzeitung hatte einen Nachfolger für ihn ins Spiel gebracht, einen berühmten Namen in der Fußball-Szene. Der Vertrag mit dem Niederländer läuft nach Ende der Saison aus, derzeit befinde er sich mit seinem Verein in Verhandlungen. "Wir planen die Zukunft, es gibt gute Gespräche, es ist alles offen." Dann sagte der Niederländer: "Eine Henne, die brütet, soll man nicht stören", er musste lachen.

Mitten in seine Brutzeit hatte der Boulevard dem FC Bayern ein Ei ins Nest gelegt: Patrick Vieira, der französische Weltmeister, der Europameister, ein Schwergewicht im internationalen Fußball, werde ten Hag beerben, so lautete zumindest die nicht gerade unauffällige Schlagzeile. In München mögen sie derlei Störfeuer gar nicht, das war Wolfgang Dremmler, dem Chef der Jugendabteilung, deutlich anzumerken: "Wer sich ein bisschen mit diesem Namen beschäftigt, der kennt den Stellenwert, und dann erübrigt sich das schnell." Er habe keine Lust, so darf man Dremmler übersetzen, sich mit derlei Blödsinn zu befassen. Vieira ist Trainer der U19 von Manchester City, habe vor drei Wochen beim FC Bayern hospitiert und sich das Jugendzentrum an der Säbener Straße angeschaut. Mehr nicht. Gespräche mit ten Hag dagegen bestätigte er, Dremmler sagte: "Es liegt an ihm."

Die Münchner sind sehr zufrieden mit der Arbeit des Niederländers, was sicherlich nicht nur an dem 1:0-Erfolg gegen die Reserve des Zweitligisten FC Ingolstadt vom Donnerstagabend liegen dürfte. Ten Hag, der offenbar auch andere Angebote hat - zuletzt wurde der niederländische Verband als Interessent ins Spiel gebracht -, hat eine ganze Reihe an Talenten an den Profifußball herangeführt, zuletzt unterschrieb Ylli Sallahi einen Dreijahresvertrag beim ambitionierten Zweitligisten Karlsruher SC. Ten Hag wollte lieber über Fußball reden als über seine Zukunft. Das Spiel hatte auch genügend Gesprächsstoff zu bieten, die zentrale Nachricht ten Hags war indes recht kurz: Seine Spieler hätten noch viel zu lernen.

Dass sie bereits einiges zu bieten haben, belegte die Mannschaft in der ersten Halbzeit. Gegen einen Gegner, der in der Regionalliga Bayern keinesfalls zur Laufkundschaft zählt. Dr Tabellensechste Ingolstadt II ist durchaus in der Lage, richtig guten Fußball zu spielen. Die Münchner waren aber zweifellos das talentiertere Team. Hatte ten Hag nach der Niederlage in Augsburg noch die fehlende Gier bemängelt, so war er mit der Reaktion der Seinen zufrieden. "Die Mannschaft war sehr selbstkritisch", berichtete der Niederländer von den Tagen nach der jüngsten Pleite, entsprechend gingen die Bayern in die Partie, nahmen nach einem zehnminütigen Abtasten das Heft in die Hand. Steeven Ribéry machte viel Druck über die rechte Seite, die Münchner bestimmten fortan das Geschehen. Der aufgerückte Verteidiger Herbert Paul gab nach einem Pass des Franzosen, den er mit der Brust annahm und volley zum 1:0 (19.) vollendete, Zeugnis der feinen technischen Fertigkeiten der Gastgeber. Diese erarbeiteten sich in der Folge einige gute Möglichkeiten durch Lukas Görtler und Gerrit Wegkamp, die Führung indes blieb knapp.

Doch der Münchner Kapitän stellte kurz vor der Pause wieder Chancengleichheit her: Nico Strieder vertändelte am eigenen Strafraum den Ball und riss den durchgebrochenen Gegner um. Strieder sah Rot (38.), den Freistoß des ehemaligen Sechzigers Stefan Wannenwetsch von der Strafraumkante fischte Bayern-Keeper Leopold Zingerle mit einer Glanztat aus dem Winkel. Die Ingolstädter konnten aber auch nach der Pause wenig mit ihrer Überlegenheit anfangen, ten Hag hatte sein Team gut auf die Unterzahl eingestellt, die Bayern hatten sogar die besseren Möglichkeiten. Wofür der Trainer eine simple Erklärung hatte: Für gewöhnlich beschränke sich der Gegner auf eine abwartende, defensive Spielweise, die Überzahl indes zwang Ingolstadt in die Rolle des spielgestaltenden Teams. Was es für seine Mannschaft einfacher machte: "Wir haben gut gegen den Ball gearbeitet", resümierte ten Hag. Aloy Ihenacho verpasste für den FCI zwei gute Möglichkeiten, ansonsten kamen die Bayern nicht mehr sonderlich in Bedrängnis. Im Gegenteil: Sie hatte auch in der zweiten Halbzeit die besseren Möglichkeiten. Ten Hag sah dennoch einigen Verbesserungsbedarf, seine Spieler müssten vor allem lernen, in entscheidenden Situationen "auch über die Schmerzgrenze hinauszugehen".

Ob er diesen Lernprozess in leitender Position gestalten werde? Er sei derzeit auf die Mannschaft fokussiert, alles andere werde sich ergeben. Mit ungelegten Eiern wolle er sich nicht befassen - auch nicht vor Ostern.

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SZ vom 21.03.2015
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