Süddeutsche Zeitung

Fußball-Regionalliga:Bank-Irrtum zu Heimstettens Gunsten

Weil Löwen-Stürmer Stephan Hain wegen eines Einsatzes bei den Profis angeblich nicht spielberechtigt war, wird das 4:0 des TSV 1860 II wohl als Sieg für den abstiegsgefährdeten SVH in die Statistik eingehen.

Von Matthias Schmid

Bei der Aufarbeitung eines peinlichen Irrtums suchte Daniel Bierofka Halt in der Vergangenheit. Der ehemalige Bundesligaprofi verklärte seine Zeit beim VfB Stuttgart nicht, wo er deutscher Meister geworden war, aber er offenbarte erstaunliche Erinnerungslücken, wie sich noch herausstellen sollte. "Ich habe da manchmal am Samstag bei den Profis gespielt und am nächsten Tag in der zweiten Mannschaft ausgeholfen", sagte Bierofka am Sonntag nach dem Spiel gegen den SV Heimstetten. Der Trainer der Regionalliga-Mannschaft des TSV 1860 München war ganz entspannt, er hatte einen erfolgreichen Arbeitstag erlebt, 4:0 gewonnen, sein erster Sieg, die ersten Tore seiner Mannschaft, seit er den Kader von Torsten Fröhling übernommen hat. Bierofka war ganz gelassen. Der 36-Jährige beantwortete die letzten Fragen, seine beiden Kinder standen schon neben ihm und warteten darauf, dass ihr Vater sie endlich in die Arme schließt. Er beendete seine Ausführungen mit dem unscheinbaren Satz: "Ich hätte Stephan Hain ein Tor gewünscht heute."

Dieser Stephan Hain wird Bierofka in den nächsten Tagen noch verfolgen. Denn Hains Einsatz in der zweiten Mannschaft ist zu einem "Fall Hain" geworden, weil er am Vortag bei der 0:2-Niederlage der Profis in Braunschweig in der 71. Minute eingewechselt worden war. Da nützte es auch nichts mehr, dass sein Trainer Bierofka sich geirrt hatte, als er während der Pressekonferenz das Gerücht um einen irrtümlichen Einsatz seines Stürmers in der Regionalliga mit seiner ganz eigenen Empirie in das Reich der Fabeln verwies. Auch Bierofkas Pendant auf Heimstettener Seite, Vitomir Moskovic, zuckte ratlos mit den Schultern. "Wer hätte nicht spielen dürfen?", fragte er verdutzt und blickte auf das Blatt mit dem Mannschaftsaufstellung. Als er den Namen hörte, entgegnete er: "Ich wusste das nicht." Doch ein Vertreter des SVH hatte die Spielordnung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) durchgeschaut, zunächst in der Annahme, dass Maximilian Wittek nicht hätte spielen dürfen. Erst als er dann Paragraf 11, Absatz 3 las, war er auf Stephan Hain gekommen. Da steht geschrieben, dass ein Spieler, der für die Lizenzspielermannschaft zum Einsatz gekommen ist, "für das nächste Pflichtspiel der zweiten Mannschaft, längstens für zehn Tage, nicht spielberechtigt ist". Die schön herausgespielten Tore der Münchner gegen überforderte Heimstettener werden wohl aus der Statistik verschwinden.

Josef Janker, Spielleiter der Regionalliga Bayern, will dem Urteil des Sportgerichts nicht vorgreifen. "Es müssen nun alle Fakten geprüft werden", kündigt Janker an. Im Gespräch mit der SZ bestätigte Heimstettens Präsident Ewald Matejka am Sonntagabend, dass der SVH Einspruch gegen die Spielwertung erwäge. Die Tatsachen ließen nur einen Schluss zu, sagte Matejka: "Das Spiel wird mit 2:0 Toren und drei Punkten für uns gewertet."

Sollte es so kommen, wäre vor allem Daniel Bierofka der Leidtragende, weil er sich auf seinen Klub verlassen hat. Er lebt an der Seitenlinie jeden Spielzug mit. Nachdem Nils Ehret mit einem Eigentor das 4:0 für die hoch überlegenen Sechziger erzielt hatte, fand er das erste Mal während des Spiels so etwas wie Ruhe. "Da konnte ich mich mal erholen, weil wir gut gespielt haben." In der Tat war es sogar ein Klassenunterschied. Bereits nach 67 Sekunden hatte Innenverteidiger Peter Kurzweg die Debatte beendet, dass die zweite Mannschaft unter Bierofka keine Tore mehr schieße, auch die folgenden Tore waren schön herausgespielt, abermals Kurzweg (24.) und Kasim Rabihic (51.) erhöhten auf 3:0, ehe Ehret ins eigene Tor traf. "Wir hätten noch viel mehr Tore machen müssen", haderte Bierofka, auch weil Hain mit einem Elfmeter gescheitert war (38.). Heimstetten hätte sich nicht beklagen können, wenn das Spiel zweistellig ausgegangen wäre. Der Tabellenvorletzte hatte im gesamten Spiel nur eine gute Gelegenheit, als 1860-Torhüter Michael Netolitzky den eingewechselten Andreas Neumeyer anschoss. "Wir wollten ein schnelles Anschlusstor machen und gingen großes Risiko ein", sagte Moskovic, der in der zweiten Hälfte auf eine Dreierkette umgestellt hatte und zeitweise mit vier Stürmern spielte. "Wir haben in Kauf genommen, dass wir ein paar Tore kriegen werden", sagte Moskovic.

In der Statistik wird kein einziges davon auftauchen, wenn das Sportgericht Heimstettens Einspruch folgen sollte.

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SZ vom 13.04.2015
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