Fußball:Mit Bulldogge in Bangkok

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Der Unterhachinger Alexander Sieghart, 23, ausgebildet beim FC Bayern München, hat in Asien sein Glück als Profi gefunden. Nun lockt die thailändische Nationalmannschaft.

Von Jonas Kraus

Fußballkennern ist "Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs" ein Begriff. Die Sendung, moderiert vom namensgebenden Arndt Zeigler, beschäftigt sich seit 2007 mit den Kuriositäten des Fußballs. In diesem Rahmen kürt Zeigler zusammen mit seinen Zuschauern das Äquivalent zum "Tor des Monats" der ARD-Sportschau: das, ähem, "Kacktor des Monats". In dieser Rubrik werden Treffer ausgezeichnet, die "besonders unterdurchschnittlich" sind. Vorgabe: je unglücklicher, desto besser. Im März 2016 spielte der Unterhachinger Alexander Sieghart dabei eine zentrale Rolle. Im Regionalligaspiel gegen die Reserve des FC Bayern stürmte FCB-Keeper Andreas Lössl nach einer zu kurz geratenen Kopfball-Rückgabe aus seinem Kasten - und schlug ein Luftloch, wie es im Buche steht. Sieghart profitierte von diesem Fauxpas und schob den Ball ins verwaiste Tor.

Drei Monate nach diesem Treffer wurde Sieghart Profi: In Thailand, beim Hauptstadtklub Bangkok United, wo er nach einer Zwischenstation bei Buriram United mittlerweile einer der besten Mittelfeldspieler der Liga ist.

Der Wechsel nach Südostasien erfolgte natürlich nicht des kuriosen Treffers wegen. Vielmehr lockte seine starke Saison mit fünf Treffern und sieben Vorlagen die Interessenten an. Noch wichtiger: Siegharts Mutter ist Thailänderin, er ist in Bangkok geboren und besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft, in seinem Pass steht als zweiter Vorname Kasidit. Dennoch dachte Sieghart erst an einen Witz, als er vom Interesse des thailändischen Spitzenklubs Buriram erfuhr. "Das nimmt man am Anfang gar nicht richtig ernst", erinnert sich der 23-Jährige.

Buriram meinte es jedoch sehr ernst, lud Sieghart ein und machte ihm einen Wechsel schmackhaft. "Die Anlagen waren alle auf dem neuesten Stand, absolut professionell. Das hat mich schnell überzeugt", sagt er. Finanziell lohnte sich der Wechsel ebenso, neben einem anständigen Lohn lockte der Klub mit einer Wohnung und einem Auto. Auch die SpVgg Unterhaching, die Sieghart gerne behalten hätte, ging nicht leer aus. "Sein neuer Klub hat sich sehr um ihn bemüht, so dass das Gesamtpaket bei diesem Transfer letztlich stimmt", sagte Hachings Klubchef Manfred Schwabl damals.

Zu den Spielen der Premier League kommen oft mehr als 20 000 Besucher. Taktisch, sagt Sieghart, "gibt es noch Defizite"

Auch in Thailand hat sich der Fußball professionalisiert. Zwar ist Thai-Boxen noch immer die Sportart Nummer eins, dennoch kommen oft mehr als 20 000 Besucher zu Spielen der Premier League. Auch das Niveau ist ordentlich, wenngleich Sieghart einschränkt: "Körperlich und technisch sind die Spieler super ausgebildet, taktisch gibt es aber oft Defizite." Noch größer sind die Unterschiede im finanziellen Bereich. Laut transfermarkt.de hat Bangkok United einen Kader im Wert von 4,2 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Drittligaspieler der SpVgg Unterhaching sind zusammen mehr als fünf Millionen Euro wert.

Taktisch hat Sieghart in Thailand keine Probleme. Er wurde nach seinen Anfängen beim SC Fürstenfeldbruck in der Jugend des FC Bayern ausgebildet und verbrachte anschließend zwei Jahre in der Amateurmannschaft des Rekordmeisters. Der Durchbruch zu den Profis gelang ihm dort nicht, Verletzungen bremsten ihn immer wieder aus. Dennoch: "Diese Ausbildung ist schon ein Riesenvorteil." Durch sein gutes Spielverständnis reifte Sieghart im ländlichen Buriram (knapp 28 000 Einwohner) schnell zum Leistungsträger. Sogar die Nationalmannschaft wurde Thema. "Der Nationaltrainer hat mir mitgeteilt, dass er mich auf dem Zettel hat", berichtet Sieghart. Dennoch zog er bereits nach einem halben Jahr bei Buriram von Tabellenplatz drei weiter nach Bangkok: "Ich wollte in eine größere Stadt, wo man auch mit Englisch besser zurechtkommt." Thai spricht Sieghart nur in Grundzügen.

In der 28-Millionen-Metropole muss sich Sieghart nicht mal mehr auf Englisch beschränken, er kommt sogar mit Deutsch gut über die Runden - zumindest bei seinem Klub. Bangkok United versucht mit aller Macht, die Lücke zu den Topvereinen aus Südkorea, Japan und China zu schließen, um mittelfristig um die asiatische Champions League mitzuspielen. Dabei setzen die Hauptstädter auch auf Knowhow aus Deutschland. Arminia Bielefelds "Jahrhundert"-Trainer Ernst Middendorp fungiert als Sportlicher Leiter, Trainer ist Alexandre Pölking, ein Deutsch-Brasilianer. Außerdem steht in Innenverteidiger Manuel Bihr noch ein weiterer Deutsch-Thailänder im Kader.

Sowohl Bihr als auch Sieghart leben in einer Wohnanlage des Vereins, etwas außerhalb des Stadtzentrums und nur 30 Minuten vom Trainingsgelände entfernt. "Es ist definitiv ein Vorteil, nicht jeden Tag mit dem Auto durch die Innenstadt zu müssen", sagt Sieghart. Er schätzt die Ruhe und genießt seine Freizeit mit Freundin Isabell, die ihm im April nachgereist ist und mittlerweile ein Fernstudium in Bangkok absolviert. Ins Zentrum der Hauptstadt zieht es das Paar eher selten. "Dort gibt es zwar alles, was man sich vorstellen kann", berichtet Sieghart, "aber ich bin ja zum Fußballspielen hier." Am liebsten verbringen die beiden ihre Freizeit mit ihrer französischen Bulldogge Louis. "Das ist eine schöne Abwechslung." Er lebe aber, das ist Sieghart wichtig, nicht in einer Parallelwelt: "Wir unternehmen viel mit dem Team. Mittlerweile komme ich auch mehr mit den Einheimischen in Kontakt." Dieser entstehe zwangsläufig, Bangkoks Spieler werden auf der Straße erkannt und angesprochen.

Auch sportlich ist der Spielmacher in Thailands Hauptstadt angekommen, wenngleich mit Verzögerung. Da er erst nach der Vorbereitung zu United wechselte, fand er sich oft auf der Ersatzbank wieder oder musste auf der linken Außenbahn spielen. "Ich habe dem Trainer dann mitgeteilt, dass ich mich im Zentrum deutlich wohler fühle", sagt Sieghart. Seitdem kommt er wieder vermehrt auf seiner Lieblingsposition im halblinken Mittelfeld zum Einsatz, wo er mit starken Leistungen glänzt, zwei Tore erzielte und weiter auf ein Debüt in der thailändischen Nationalmannschaft hofft.

Den nächsten Schritt in diese Richtung will Sieghart in der kommenden Saison machen, die Mitte Februar beginnt. Nach zuletzt Platz drei hat sich der Linksfuß einiges vorgenommen: "Vergangene Saison sind wir schwach gestartet und haben uns noch nach vorne gearbeitet. Wenn wir diesen Fehlstart vermeiden, wer weiß ...", sagt Sieghart. Meister wurde übrigens ausgerechnet sein ehemaliger Klub, Buriram United.

In "Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs" schaffte Sieghart es seit seinem Wechsel übrigens nicht mehr, was ihm nicht unrecht sein dürfte. Vielleicht sieht man ihn aber bald in der Sportschau. Zum Tor des Monats können Treffer von Spielern in Deutschland oder in der Nationalmannschaft gewählt werden. Und von deutschen Profis im Ausland.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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