Süddeutsche Zeitung

Fußball:Mann mit Mission

Vierzehn Jahre lang stand Michael Hofmann beim TSV 1860 München zwischen den Pfosten. Von seinem Herzensverein ist er enttäuscht. Mit 42 versucht er nun, als Trainer seinen Ehrgeiz zu befriedigen. Aber der Alltag in der sechsten Liga verlangt viel Geduld

Von Stefan Galler

Diese Einladung hat gut getan. Gerade für jemanden wie Michael Hofmann, der bei allem Selbstvertrauen halt auch sensibel ist und dann und wann Zweifel entwickelt. An dem, was er tut. Und daran, wie er es tut. Als man ihn aber fragte, ob er zum Bruno-Pezzey-Turnier nach Flachau ins Salzburger Land kommen wolle, da musste der mittlerweile 42 Jahre alte ehemalige Bundesligatorwart nicht lange überlegen. Mit Michael Wiesinger, Manfred Bender, Jens Keller, Thomas Ziemer, Oliver Kreuzer, Jörn Andersen und Francisco Copado kickte er dort in einer "Bayern-Auswahl" aus früheren Sechzigern, FC-Bayern- und Nürnberg-Profis. Und wehrte beim Shoot-Out-Sieg gegen eine internationale Auswahl mit Guido Buchwald, Fredi Bobic, Stefan Beinlich und Souleyman Sané zwei Penaltys ab. "Ein tolles Erlebnis" sei das gewesen, sagt Hofmann. Allerdings auch ein schmerzvolles: "Wir haben da auf Parkett gespielt, nicht auf Kunstrasen. Mir tut alles weh."

Spätfolgen einer langen Karriere, in deren Verlauf Hofmann für die Münchner Löwen 162 Spiele in der ersten und zweiten Liga bestritt. Gegen Ende seiner Laufbahn kamen dann bei Jahn Regensburg noch einmal 75 Drittliga- und zwölf Zweitligaspiele hinzu, ehe er in der Winterpause 2012/13 die Handschuhe abstreifte. "Der damals neue Trainer Franciszek Smuda hatte die Hierarchien im Team über den Haufen geworfen und sagte mir, dass er nicht mehr mit mir plant. Dazu kamen die Folgen einer Ellbogenoperation. Es ging einfach nicht mehr", sagt Hofmann.

Seither versuchte der gebürtige Oberfranke, als Trainer im Fußballbusiness Fuß zu fassen. Er verstärkte bis zum Ende seines Vertrags das Torwarttrainer-Team der Regensburger, erwarb den A-Schein für Übungsleiter an der Sportschule in Hennef und sammelte im Frühjahr 2014 erste Erfahrungen als Assistenzcoach der U17 der SpVgg Unterhaching. Seit Sommer ist Hofmann nun für die sportlichen Geschicke des Kirchheimer SC, Landesliga Südost, verantwortlich. Sechste Liga.

Nachdem der Verein erst nach einer langwierigen Relegation die Klasse gehalten hatte, verläuft auch die aktuelle Spielzeit nicht nach Wunsch: Der KSC liegt nach 20 von 30 Spielen mit 21 Punkten auf dem zwölften Rang, nur einen Zähler vor den Relegationsplätzen. "Es soll etwas aufgebaut werden, dazu braucht man vor allem Geduld", sagt Hofmann. "Nur weil hier jetzt jemand Trainer ist, der mal in der Bundesliga gehalten hat, heißt das nicht, dass man jedes Spiel gewinnt."

Er selbst wurde wegen des späten Saisonendes erst zwei Wochen vor dem Vorbereitungsstart verpflichtet - und musste akzeptieren, dass eine ganze Reihe von Leistungsträgern den Verein verließ. Allen voran Maximilian Hintermaier (SV Heimstetten), Georg Münch (FC Unterföhring) und Maximilian Kirmeyer (FC Ismaning). "Um ehrlich zu sein, wusste ich bei meiner Zusage nicht, dass es personell so laufen würde", sagt Hofmann. In dem früheren Unterhachinger Juniorenspieler Kevin Staudigl (zuletzt TSV Grünwald) kam zumindest ein namhafter Zugang, doch der verletzte sich schon nach sieben Spieltagen schwer (Innenbandanriss im Knie) und fällt bis zum Frühjahr aus. Und obwohl es unter diesen Voraussetzungen schlichtweg nicht möglich ist, vorne in der Tabelle mitzumischen, ist Hofmann mit der Situation keineswegs unzufrieden: "Es macht großen Spaß, den Jungs etwas beizubringen. Wir haben eine gute Trainingsbeteiligung, immer sind 18 bis 20 Spieler da. Das ist für Leute, die Fußball als Hobby sehen, nicht selbstverständlich."

Und es sind ein paar dabei, die richtig kicken können. Der 21 Jahre alte Sebastian Schimschal zum Beispiel, der bei 13 Saisoneinsätzen schon fünfmal getroffen hat. "Er spielt bei mir immer, denn er ist Löwen-Fan", witzelt Hofmann. "Als Blauer habe ich es nämlich in Kirchheim unter den vielen Roten nicht immer leicht."

Und doch schwingt zwischen den Zeilen durch, dass sich der Vater zweier Töchter, der mit seiner Familie im Brunnthaler Ortsteil Faistenhaar lebt, doch früher oder später etwas anderes wünscht, als "Studenten und frühere Kreisligaspieler" (Hofmann) zu trainieren. Denn die Bedingungen sind denkbar schwierig: Der Kirchheimer SC ist ein Breitensportverein mit zahlreichen Abteilungen, das Trainingsgelände überschaubar. "In Heimstetten, Dornach oder Aschheim haben sie Wahnsinnsflächen zur Verfügung. Und dann sehe ich, dass wir eine Einheit mit drei Mannschaften gleichzeitig auf unserem Kunstrasen abhalten müssen", klagt Hofmann.

Sein täglich Brot verdient er im Munich Soccer Camp (MSC), der Fußballschule seiner früheren Kollegen Paul Agostino und Roman Tyce. Und am Abend, wenn er die Einheiten in der Fußballschule und in Kirchheim hinter sich hat, läuft er draußen in Faistenhaar durchs Gehölz, oftmals zehn bis zwölf Kilometer. Im vergangenen Oktober startete Hofmann erstmals beim München Marathon - und schaffte die Distanz in 3:36 Stunden.

Der Ehrgeiz hat ihn immer noch fest im Griff, den früheren Bayreuther, der nach 139 Bayernligaspielen für die "Altstadt" 1996 zum TSV 1860 gekommen war. Und der weiterhin davon träumt, irgendwann zurückzukehren zum Verein seines Herzens. Obwohl Hofmann zu den vielen ehemaligen Löwen gehört, denen es nach ihrem Weggang nicht leicht gemacht wurde, ihre Liebe aufrechtzuerhalten. Zum Abschied 2010 gab es nicht einmal einen Blumenstrauß. "Den haben sie mir zwei Jahre später gegeben, als ich mit dem Jahn zum Zweitligaspiel in die Arena gekommen bin", sagt Hofmann, der die aktuelle Entwicklung im Verein für "sehr bedenklich" hält. "Es haben zu viele Leute das Sagen, die Sechzig nicht verkörpern", sagt die einstige Löwen-Identifikationsfigur. Er selbst habe in Bezug auf den Klub "immer die Wahrheit gesagt, man wollte sie aber nicht immer hören". Im November 2013, beim Benefizspiel für den an einer Nervenkrankheit leidenden früheren Mitspieler Olaf Bodden, hätten Klubverantwortliche ihm eine Tätigkeit im Verein in Aussicht gestellt. "Da waren 100 Leute mit dabei, aber letztlich hat sich nie jemand bei mir gemeldet. Das war nur Geschwätz."

Michael Hofmann wirkt bitter, wenn er über die Löwen spricht. Und doch kann man davon ausgehen, dass er barfuß nach Giesing laufen würde, wenn sie ihm eines Tages doch einen Job gäben. Denn eines stellt er klar: "Wenn ich etwas anpacken kann, egal ob in der Bundesliga oder in der A-Klasse, dann immer zu hundert Prozent."

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Quelle:
SZ vom 03.01.2015
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