Fußball-Landesliga:Wider die Hierarchie

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„Keine Trainerentlassung ist populär“: Nach vielen vergeblichen Anläufen führte Andreas Koch den TSV in die Landesliga. Nun musste der Meistermacher gehen. (Foto: Lackovic/imago)

Aufsteiger TSV Grünwald gelingt ein 4:1-Überraschungssieg gegen die Spitzenmannschaft FC Töging.

Von Christoph Leischwitz, Grünwald

Gäbe es in der Landesliga die technische Möglichkeit, nach dem Spiel eine "Heatmap" anzusehen - jenen Plan, der durch Farbschattierungen aufzeigt, wo welcher Spieler am meisten Zeit auf dem Platz verbracht hat - dann wäre bei Sandro Volz der Raum vor dem Anstoßkreis tiefrot gewesen. So wie bei einem Sechser oder eventuell einem Innenverteidiger. Sandro Volz vom FC Töging ist aber Torwart, ein mitspielender Torwart mit Regionalliga-Erfahrung, ein Libero mit Handschuhen quasi, der den Spielaufbau übernimmt. "Du tust dir sehr schwer, da in die Tiefe zu spielen, weil er dann die Bälle hat", sagt Andreas Koch, Trainer des TSV Grünwald.

Doch im Grunde war das den Grünwaldern ziemlich egal gewesen. Denn sie hatten von den hoch stehenden Tögingern so viel Platz zum Kombinieren bekommen, dass sie diese Pässe gar nicht spielen mussten. Mehrmals hatten sie in dieser Partie schon versucht, Volz mit einem Weitschuss zu überlisten. Offensichtlich kein Grund zur Sorge für den Keeper, zumindest stand er in der 39. Spielminute immer noch vor dem Strafraum, obwohl Grünwald im Mittelfeld in Ballbesitz war. Dann zog Ivan Bakovic aus gut 40 Metern ab, von irgendwo ertönte ein "Jaaaaa, jaaaa", ein Schrei aus dem Halbfeld zwischen Gewissheit und Hoffnung. Der Ball segelte halbhoch neben dem rechten Pfosten ins Netz, und Volz fluchte so laut, dass man es wahrscheinlich noch bei seinem früheren Verein, dem einen guten Kilometer Luftlinie entfernten SV Pullach, hören konnte.

Die Hierarchien in der Landesliga Südost sind klar strukturiert. Oben balgen sich die üblichen Verdächtigen und Türkgücü-Ataspor um den Aufstieg, dann folgen eine Reihe von Traditionsteams wie Landshut, der ASV Dachau oder SB Rosenheim. Und unten stehen die sechs Aufsteiger, denen selten ein Überraschungscoup gelingt, und von denen deshalb auch keiner besser steht als auf Platz zwölf steht.

Dort rangiert seit Samstag aber der TSV Grünwald, weil es dem gelang, den Dritten Töging 4:1 (2:0) zu schlagen - und das auch noch verdient. Töging spielte von Beginn an auf Sieg, setzte Grünwald sofort unter Druck. Doch der TSV, der zuletzt mit einem 2:2-Remis eine Niederlagenserie von fünf Spielen beendet hatte, ließ sich nicht so recht unter Druck setzen, befreite sich oft geschickt aus der Umklammerung. "In der ersten Halbzeit haben wir das gut gemacht", fand Trainer Koch.

Die Personalsituation ist immer noch alles andere als ideal, gegen Töging fehlte unter anderem Stammkeeper Patrick Nothhaft erkrankt, weshalb nicht einmal ein Ersatzkeeper auf der Bank saß. Doch immerhin kommt Angreifer Ivan Bakovic nach langer Verletzungspause allmählich wieder in Fahrt. Vor dem Heber zum 2:0 hatte er nach einem schnellen Gegenzug auch schon das erste Tor des Spiels mit einem abgefälschten Schuss erzielt (10.). Ab und zu hatte der TSV auch Glück. Kapitän Luka Coporda klärte einmal einen Meter vor dem Tor mit einem Fallrückzieher (29.), in der 48. Minute klatschte ein Töginger Fernschuss an die Latte. Auf der Gegenseite stand Volz immer wieder im Mittelpunkt. Zunächst sah er Gelb, weil der Schiedsrichter es beim zweiten Mal gehört hatte, dass er diesen einen "Osterhasen" genannt hatte. Er lieferte sich als letzter Mann immer wieder Zweikämpfe mit Bakovic oder Max Stampf. Dann hielt er einen schlecht geschossenen Handelfmeter von Coporda (81.), musste drei Minuten später trotzdem das 3:0 der Grünwalder hinnehmen - und stand in der 89. Minute erneut zu weit vor dem Tor, als der andere Bakovic, Tomislav, das Spielgerät zum 4:1-Endstand ins Töginger Tornetz lupfte. Den Anschlusstreffer zum 1:3 hatte Benedikt Basslsperger erzielt. Ersatzkeeper Florian Lerch spielte abgesehen von einem einzigen Schnitzer solide und unauffällig.

"Es sieht von außen so leicht aus, aber es wird jeder Fehler bestraft", sagt Koch auf die Frage, warum sich die Aufsteiger so schwertun. Es müsse alles perfekt laufen, um eine gute Rolle zu spielen. "Aber es ist toll für den Verein, die meisten haben vorher fünf Jahre Bezirksliga gespielt", sagt er. In dieser Liga falle es auch leichter, den Kader zusammenzuhalten, zuvor hatten die Besten den TSV auch mal verlassen. Jetzt müssen sie nur alle mal fit werden, um sich endgültig aus dem Abstiegskampf zu befreien.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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