Süddeutsche Zeitung

Fußball:Go! Go! Go!

Erst mal mit der Ruhe: Bei einer Fan-Veranstaltung stimmt sich der TSV 1860 München auf die neue Saison ein. Der Bruder des Investors verkündet, dass das Budget für den Kader erst von einem Ausschuss bewilligt werden muss

Von Philipp Schneider, Dietfurt an der Altmühl

Ich weiß schon, sagt Ritchy aus Olching, der selbsternannte "deutsche Meatloaf", ehe er das große Finale einleitet in einer Turnhalle in Dietfurt an der Altmühl. "Ich weiß schon, worauf alle warten: Wir machen jetzt auch noch die schnelle Nummer: 1860 Go! Go! Go!" Und als Ritchy dann zu singen beginnt ("Wir sind Löwen in weißblauer Tarnung, tiefe Spuren der Pranken im Grün"), als Ritchy seine Meatloafhüfte kreisen lässt, steigen die Fans einer nach dem anderen auf die Bühne. Hoch auf ein Podium, auf dem am Samstag fast die gesamte Führungsriege des TSV 1860 München versammelt ist. Sogar Abdelrahman Ismaik ist einer Einladung zur Jahreshauptversammlung der Fan-Organisation Arge ins Altmühltal gefolgt. Der Bruder des Investors hat nun einen Fan in seinem linken Arm, einen anderen im rechten. Er grinst, streckt einen Daumen und lässt sich fotografieren. Dazu dichtet Ritchy: "Mit geballter Kraft auf den Feldern, frischer Wind macht uns stark wie noch nie. 1860 Go! Go! Go!"

Eine Weile hatte es ja so ausgesehen, als würde die schnelle Nummer beim Münchner Fußball-Zweitligisten auch in dieser Saisonvorbereitung mal wieder ausfallen. Oder sich zumindest dehnen zur langsamen Nummer. Aber am Samstag saß dann eine vollständige Sportliche Leitung in einer Turnhalle in Dietfurt an der Altmühl: Sportdirektor Oliver Kreuzer war da. Und auch Kosta Runjaic, der neue Trainer.

Mitte Mai hatte 1860 nach einigem innenpolitischen Ringen mit Ismaik die Gründung eines sogenannten Strategie-Ausschusses bekanntgegeben. Seither darf gerätselt werden, wer wohl in diesem geheimnisvollen Gremium sitzt und vor allem: was die geheimnisvollen Mitglieder des geheimnisvollen Gremiums an geheimen Beschlüssen zu beschließen gedenken. In einer Pressemitteilung war immerhin bekanntgegeben worden: "Der Strategieausschuss hat nun eine Strategie festgelegt". Und: "Der von dem Strategieausschuss ausgearbeitete Plan umfasst sowohl die Konzeption eines neuen schlagkräftigen Teams als auch den Plan." Den Plan. Das klang nach Alternativlosigkeit. Das klang nach dem ganz großen Wurf.

Man ahnte bereits: Die sportliche Kompetenz, die in anderen Vereinen lediglich eine (meist Sportdirektor genannte) Person besitzt, war bei 1860 auf maximal viele Schultern verteilt worden. Aus Sicht der geistigen Väter des Strategieausschusses brachte dies wohl den Wettbewerbsvorteil mit sich, dass Transfers, die Kreuzer schnell tätigen könnte, sobald sich eine günstige Gelegenheit ergibt, zunächst ganz in Ruhe durchdacht werden. Von einem schlagkräftigen Team.

Überhaupt vergeht ja seither kein Tag bei Sechzig, an dem nicht einer der Verantwortlichen Geduld predigt. Auch die Findung und Installation von Runjaic hatte sich sicher nicht ohne Grund so lang hingezogen. Schließlich hätte Kreuzer beinahe schon vor Wochen voreilig jemand anders eingestellt, Franco Foda oder Mirko Slomka. Und daher geht jetzt alles schön langsam weiter. "Der Sportchef und der Trainer sind aufgefordert, einen Plan und ein Budget zusammenzustellen", kündigte Abdelrahman Ismaik in Dietfurt an der Altmühl an. "Beides wird dann an den Strategieausschuss weitergereicht. Und dieses Mal werden wir den Plan genau studieren, damit die Fehler der Vergangenheit nicht wieder gemacht werden." Der größte Fehler in der vergangen Saison war relativ unstrittig, dass man sich im Sommer zu viel Zeit gelassen hatte bei der Zusammenstellung des Kaders.

Das lag wohl aber vor allem daran, dass es noch keinen Strategieausschuss gab, in dem sich die Beteiligten auf eine Kündigung des damaligen Sportchefs Gerhard Poschner hätten einigen können. Jetzt aber gibt es ja ein schlagkräftiges Team. Also bloß keine Hast. Mahnte auch Kreuzer. "Wie wir alle wissen, ist Kosta Runjaic erst drei, vier Tage bei 1860. Er hat Ideen, ich habe Ideen. Ich denke, dass wir in den nächsten Tagen einen genauen Plan haben." Wäre Runjaic der Wunschtrainer von Kreuzer gewesen, hätte er sich sicher schon vorher mit ihm beraten. Nun wird irgendwann die Schnittmenge der Ideen von Kreuzer und Runjaic weitergereicht werden an den Ausschuss. Dort wird die Schnittmenge noch etwas verkleinert, dann kommt der optimierte Plan wieder zurück zu Kreuzer, der guten Gewissens zugreifen kann auf dem Transfermarkt. Kein Stress. "Wir haben ein Zeitdefizit, aber das können wir mit Kompetenz und harter Arbeit aufholen", verspricht Runjaic. In einer ersten Maßnahme wurden die Nachwuchsspieler Moritz Heinrich, 19, und Nicholas Helmbrecht, 21, bis 2019 mit Profiverträgen ausgestattet.

Große Fortschritte macht auch das Trainingsgelände an der Grünwalder Straße, wo fleißige Handwerker in Siebenmeilenstiefeln die Sanierung der Fußballplätze vorantreiben werden, die Ismaik im vergangenen Sommer versprochen hatte. "Die Vorbereitung der Sanierung der Plätze ist fast abgeschlossen", verkündete Abdelrahman Ismaik. "Wir haben drei Kostenvoranschläge von drei Firmen bekommen. Der Zuschlag steht kurz vor der Unterschrift." Und dann rollen die Bagger an. Womöglich noch vor Saisonbeginn, sodass der Trainingsbetrieb kaum behindert wird. Die ersehnte schnelle Nummer.

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SZ vom 13.06.2016
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