Fußball:Ein Puzzle mit fehlenden Teilen

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Bangen um die richtige Entscheidung? Türkgücü (hier Patrick Hasenhüttl) hält sich mit Äußerungen zurück. (Foto: Claus Schunk)

"Wenn sich einer infiziert, ist wieder alles vorbei": Mit einigen Bedenken, aber grundsätzlich zustimmend nehmen die Amateurklubs die aktuellen Pläne des BFV auf.

Von Stefan Galler, Garching/Pipinsried

Nun zeichnet sich also ab, dass die bayerischen Amateur-Fußballvereine zumindest ansatzweise Planungssicherheit erhalten: Über das Wochenende hat der Bayerische Fußball-Verband (BFV) in zahlreichen Webinaren allen Klubs im gesamten Freistaat ein Modell für den Spielbetrieb vorgestellt, "das rechtlich haltbar ist und dem Sinn eines fairen Wettbewerbs Rechnung trägt", wie der Verband mitteilt. Nachdem Bund und Länder am Mittwoch bekannt gegeben haben, dass bis 31. August Großveranstaltungen ruhen, soll nun auch der Amateurfußball im Freistaat von der Regionalliga bis zur C-Klasse, sowie der Frauen- und Jugendfußball bis dahin pausieren. Dann aber will man zumindest bei den Männern die aktuelle Saison auf alle Fälle zu Ende bringen.

Keinesfalls soll das Spieljahr 2019/20 annulliert werden wie in Österreich. Dort hat man von der drittklassigen Regionalliga bis zur untersten Klasse den gesamten Spielbetrieb ausgesetzt und wird ihn auch nicht mehr aufnehmen, bis die Spielzeit 2020/21 beginnt. Auch eine Regelung, wie sie in Schottland praktiziert wird, wo die Tabellen mit Stand jetzt eingefroren werden und sich daraus Auf- und Absteiger rekrutieren, soll es in Bayern nicht geben.

"Damit hätte ich auch leben können", sagt Uli Bergmann, Geschäftsführer der FC Pipinsried GmbH, der zumindest mal erleichtert ist, dass es nicht zu einer Annullierung kommt, schließlich führt sein Verein die Bayernliga Süd elf Spieltage vor Saisonschluss mit 21 Punkten Vorsprung an. "Es wäre eine Farce und ein Fiasko gewesen, wenn man die Saison einfach so gestrichen hätte", sagt Bergmann. "Das hätten sich einige Vereine, die in ihren Ligen weit vorne liegen, nicht gefallen lassen. Wir übrigens auch nicht", so der Geschäftsführer. Er könne sich gut vorstellen, dass der Spielbetrieb nach zwei- bis dreiwöchiger Vorbereitung "am 13. oder 20. September wieder startet", die Saison bis zum 30. November zu Ende gebracht wird und man dann im neuen Kalenderjahr wieder anfängt. "Dann machen wir es wie viele Ost- und Südeuropäer und spielen von Februar bis November. Und schon haben wir uns auch an die Winter-WM in Katar 2022 angepasst", sagt Bergmann augenzwinkernd.

Finanziell lasse sich eine so lange Pause nur durchhalten, wenn der Verein die Zahlungen an die Spieler einstelle, erläutert er. "Die bekommen erst wieder Geld, wenn wir wieder spielen, sonst zerreißt es den Verein." Inwiefern die Aktiven diesen Weg mitgehen, müsse sich zeigen. "Im Zweifelsfall gehen wir mit einem schlanken Kader in die verbleibenden Spiele."

Auch eine Liga höher, beim VfR Garching, stößt der Plan des BFV auf Zustimmung. "Das ist der richtige Weg", sagt Sportdirektor Ludwig Trifellner. "Nur so kann man den vielen Rechtsstreitigkeiten, die es gegeben hätte, wenn man die Saison annulliert hätte, aus dem Weg gehen." Die Garchinger hätten in diesem Fall profitiert, schließlich liegen sie aktuell mit fünf Punkten Rückstand auf die Relegationsränge auf dem letzten Tabellenplatz. "Egal wie man weiter verfährt, Verlierer wird es immer geben. Aber das ist sicher die fairste Variante", sagt der Sportchef. Er vermute, dass der BFV mit dem Plan, bis Ende August zu pausieren, vor allem Zeit gewinnen möchte. "Ich denke, es kann Kontaktsport wie Fußball erst wieder geben, wenn ein Impfstoff gefunden ist. Deshalb hat man in Österreich auch nur die Freigabe von Tennis, Golf und Leichtathletik in Aussicht gestellt." Es sei im Amateurbereich nicht möglich, ganze Teams wochenlang in Quarantäne zu schicken, um eine Ansteckung zu verhindern. "So wird man es vielleicht schaffen, die Profiligen zu Ende zu bringen, aber Amateure gehen ja nebenbei arbeiten und haben auch niemanden, der ihnen die Einkäufe erledigt. Und wenn sich nur einer infiziert, ist alles wieder vorbei."

Der ehemalige Torhüter macht sich noch über einen anderen Aspekt Sorgen: So sei es zwar eine gute Regelung, wenn die Regionalliga erst im September wieder losgehe, doch zu diesem Zeitpunkt werde die dritte Liga längst ihre neue Saison gestartet haben, "sonst gibt es nur noch zehn der zwanzig Vereine dort, der Rest wäre pleite". Deshalb müsse für die beiden einzigen Regionalligavereine, die Lizenzunterlagen für die dritthöchste Spielklasse eingereicht haben, Türkgücü München und Schweinfurt 05, eine Sonderregelung gefunden werden. "Man könnte zum Beispiel den Meister ermitteln und danach dessen bisherige Spiele herausrechnen." Kompliziert werde das alles in jedem Fall: "Ich will nicht in der Haut der Entscheidungsträger stecken", so Trifellner.

Bei Regionalliga-Spitzenreiter Türkgücü halten sie sich mit Äußerungen zur aktuellen Situation zurück. "Bevor wir keine Entscheidung des DFB bezüglich der Fortführung der dritten Liga und einer Aufstiegsregelung haben, kann ich keine seriöse Aussage dazu geben", sagt der neue Geschäftsführer Max Kothny. Derzeit gebe es noch "zu viele fehlende Teile in diesem großen Puzzle". Klar ist, dass eine Annullierung der Saison den ambitionierten Verein weit zurückgeworfen hätte. "Aber dagegen hat sich der BFV ja schon ausgesprochen", so Kothny.

© SZ vom 20.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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