Fußball-C-Klasse:Bunt kickt gut

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"Kontinuierlich gewachsen": Die Münchner Streetboys haben mittlerweile 19 Sparten mit 700 Mitgliedern - auch Heteros. (Foto: Privat/OH)

Die Münchner Streetboys, die einzige homosexuell ausgerichtete Mannschaft im Ligabetrieb des DFB, starten als Tabellenführer in die Rückrunde. Nach wie vor kämpfen sie um Akzeptanz und gegen Pöbeleien.

Von Philipp Jakob, München

Sieben oder acht Jahre ist es her, so ganz kann sich Nils nicht mehr erinnern. Das Bild, das sich damals vor ihm abspielte, hat er allerdings noch genau vor Augen. Die Szene glich einer Hetzjagd quer über einen Fußballplatz an einem bis dahin gewöhnlichen Spieltag in der C-Klasse. Einer von Nils' Mitspielern von den Streetboys flüchtete, hinter ihm nahmen gleich mehrere Gegenspieler die Verfolgung auf. "Da ging es wirklich brutal zu", erzählt Nils im Rückblick auf sein schlimmstes Erlebnis in seinem Fußballerleben. "Die gegnerische Mannschaft hatte sich auf uns eingeschossen. Die waren richtig aggressiv." Das Spiel musste abgebrochen werden.

Zum Glück blieb dies eine einmalige Erfahrung für die Streetboys aus München. Vereinzelten Anfeindungen, Pöbeleien und Beleidigungen sieht sich das Team jedoch auch heute noch ausgesetzt. Denn die meisten Spieler des Teams sind homosexuell. Die Streetboys sind der einzige homosexuell ausgerichtete Verein, der am offiziellen Liga-Spielbetrieb des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) teilnimmt. Seit 2001 spielen sie in der C-Klasse, nur unterbrochen von kurzen Ausflügen in höhere Ligen. Der Kampf um Akzeptanz ist für sie allerdings noch immer ein Thema.

In der aktuellen Saison wurde es bei zwei Spielen "heftig", wie Nils, der seinen vollen Namen nicht nennen möchte, sagt. "Da gab es Verbalanfeindungen vom Allerfeinsten", erzählt der Abteilungsleiter der Streetboys, "blöde Schwuchtel war da noch das netteste Wort." Nach den Verbalattacken auf dem Feld kam es nach dem Duschen zu weiteren Konflikten. "Das bestätigt aber nicht unsere Erfahrungen aus den vergangenen Jahren, wo es eigentlich recht ruhig war", sagt Nils. Immerhin: Im Vergleich zu ihrer Anfangszeit in Münchens untersten Ligen gehören Provokationen und Beleidigungen für die Streetboys nicht mehr zum Alltag. Dennoch sei es ein Trugschluss, zu denken, "dass mittlerweile alles Friede, Freude, Eierkuchen ist".

Gelegentlich fällt eben doch der eine oder andere Spruch, in dem die Vorurteile gegenüber schwulen Fußballern zum Vorschein kommen. Nils und seine Kollegen versuchen, dies weitestgehend zu ignorieren. Oder liefern eine Antwort prompt auf dem Platz. "Manche Mannschaften sind überrascht, dass wir doch relativ gut kicken können", sagt der 35-Jährige lachend. Wie gut, das beweist die Tabelle der Münchner C-Klasse 5: Die Streetboys stehen unangefochten an der Spitze, nach 13 Spielen haben sie elf Siege sowie zwei Unentschieden auf dem Konto. Als ungeschlagener Tabellenführer nach der Hinrunde ist klar, wohin die Reise in dieser Saison gehen soll: Die B-Klasse ist das Ziel.

Der Ursprung dieser Reise findet sich im Jahr 1994, als sich die Streetboys zunächst als reine Freizeitmannschaft gründeten. Eine Handvoll Hobbykicker trafen sich damals im Englischen Garten, mittlerweile ist das Team auf mehr als 80 Mitglieder angewachsen. 2001 folgte neben der Anmeldung zum offiziellen Spielbetrieb der Beitritt in das zwei Jahre zuvor gegründete Team München. Dort bilden die Streetboys nun die Fußballabteilung, eine von 19 Sparten in dem rund 700 Mitglieder starken Verein für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender (LGBT) - und natürlich Heteros. "Unsere Entwicklung ist wirklich enorm, wir sind kontinuierlich gewachsen", freut sich Thorsten Wiedemann, Vorstandsmitglied im Team München.

Mit einer Handvoll Hobbykicker fing 1994 alles an. Jetzt plant der Klub ein eigenes Rugby-Team

Hinter der Gründung des Vereins steckte zunächst ein Schutzgedanke, "um den Sportlern eine diskriminierungsarme Umgebung zu ermöglichen", erzählt der 40-Jährige. Heute sei das Klima in vielen Vereinen LGBT-freundlicher geworden. Offen homosexuelle Sportler könnten sich auch in anderen Mannschaften wohlfühlen - und im regulären Spielbetrieb.

Dass das geht, zeigen nicht nur die Streetboys im Fußball, sondern auch die Badminton-, Tischtennis-, Tanz- und Volleyball-Sparten im Team München, die eine oder mehrere Mannschaften im Spielbetrieb stellen. Ein wichtiger Aspekt im Verein ist zudem das Engagement für Toleranz und Gleichberechtigung im Sport. Beim Christopher Street Day (CSD) ist das Team München beispielsweise mit einem eigenen Wagen vertreten. So etwas kommt gut an bei den Sportverbänden. Wiedemann ist gerade damit beschäftigt, eine Rugby-Mannschaft im Klub aufzubauen. "Der Rugby-Verband Bayern hat uns mit offenen Armen empfangen", erzählt er.

Auch Nils und die Streetboys pflegen ein gutes Verhältnis zum Bayerischen Fußball-Verband (BFV). "Mit Bernhard Slawinski haben wir einen super Ansprechpartner, der sich stark für uns einsetzt", sagt Nils. Münchens Kreisvorsitzender Slawinski wird das Team München in diesem Jahr sogar beim CSD begleiten. Zudem ist eine Internetseite in Zusammenarbeit mit dem BFV geplant, auf der über das Thema Homosexualität im Sport aufgeklärt und Ratschläge erteilt werden sollen. Das Projekt soll weiter zur Akzeptanz der Streetboys in Münchens Fußballszene beitragen - und dafür sorgen, dass Ereignisse wie die vor sieben oder acht Jahren ganz der Vergangenheit angehören.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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