Fußball-Bayernliga:"Dümmste Mannschaft"

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Unhaltbar: Kevin Nsimba (links) versucht Sonthofens Doppel-Torschützen Burak Kesici zu stoppen. (Foto: Claus Schunk)

Im letzten Spiel des Jahres verpasst Pullach trotz 2:0-Führung Platz eins - Trainer Schmöller tobt.

Von Raphael Weiss, Pullach

Vor dem Anpfiff hatte Pullachs Trainer Frank Schmöller noch gute Laune. Schließlich musste er sich, anders als seine Spieler, nicht bei Minusgraden 90 Minuten auf Kunstrasen plagen. Er sah sowieso alles für einen schönen Abschluss des "erfolgreichsten Jahres der Vereinsgeschichte" angerichtet: Letzter Spieltag vor der Winterpause, mit einem Sieg das Jahr als Tabellenführer zu beenden - und das im Duell mit dem altbekannten Kollegen Esad Kahric. Der hatte in Sonthofen fast gleichzeitig wie Schmöller in Pullach übernommen. Vor dem Anpfiff trafen sich die Trainer auf Höhe der Mittellinie, Umarmung, kurzer Smalltalk: "Ist ja wie beim Skifahren hier, und Du hast keine Mütze auf?" sagte Kahric. Schmöller lachte, noch.

Der Tabellenzweite Pullach ging trotz einiger Ausfälle als Favorit ins Spiel gegen seit sechs Spielen sieglose Sonthofener. Der Gastgeber begann konzentriert, ließ sich Zeit beim Spielaufbau und wartete bis sich in der gut gestaffelten Verteidigung der Gäste Lücken auftaten. Immer wieder ließ sich Michael Hutterer bei Ballbesitz zwischen die beiden Innenverteidiger fallen und versuchte gemeinsam mit Alexander Jobst und Alexander Benede mit langen Pässen auf die Außen Raum zu gewinnen. Aus Schmöllers Sicht lief alles nach Plan: Pullach legte sich den Gegner zurecht und ließ hinten keine Chancen zu. Trotzdem musste der Trainer nach wenigen Minuten eines ändern: Aus seiner Trainingsjacke zog er eine schwarze Pudelmütze hervor, der Kollege aus dem Allgäu hatte ja vor der Kälte gewarnt.

Auch Lukas Dotzler, der beste Torschütze des SV, hatte sich ähnlich unbedarft gegen ein langes Unterhemd entschieden und stand frierend und weitestgehend unbeteiligt im Sturmzentrum. Sonthofens Abwehr nahm ihn konsequent aus dem Spiel. "Ich hatte immer einen Spieler vor mir und zwei im Rücken", sagte Dotzler, einmal aber entwischte er in den Strafraum und wurde mit einem feinen Chip-Ball von Benede bedient. Die Direktabnahme ins linke Eck war in Minute 18 Treffer Nummer 18 für Dotzler - und das 1:0 für Pullach. Fortan kontrollierte der SV Ball und Gegner, spätestens 25 Meter vor dem gegnerischen Tor war aber Schluss. Pullach war einzig durch Weitschüsse oder Standards gefährlich, wie nach einer halben Stunde: Kapitän Andreas Roth fand mit einem Eckball den Kopf von Max Zander, jener bediente den freistehenden Jobst und der erhöhte mit einem sehenswerten Flugkopfball auf 2:0. Lediglich ein Mal wurde es in der ersten Halbzeit für Pullachs Torwart Marjan Krasnic gefährlich, als Sonthofens Stürmer Armin Rausch sich durch das gesamte Pullacher Mittelfeld tankte und nur durch ein Foul zu stoppen war. Die anschließende Freistoß-Hereingabe veredelte er mit einem Lupfer zum 1:2 (40.), zum vermeintlichen 1:2, denn der Schiedsrichter sah ein Foul und erkannte den Treffer nicht an.

In sechs Minuten macht Sonthofen aus einem 0:2 ein 2:2. Keeper Krasnic verhindert Schlimmeres

Der Halbzeitpfiff war gleichzeitig Startschuss für die knapp 100 Zuschauer, sich im Vereinsheim bei Kaffee und Kuchen aufzuwärmen. Zwanzig Minuten später fand nur die Hälfte den Weg zurück ans Spielfeld, doch diejenigen, die der Kälte trotzten, sahen ein komplett verändertes Spiel.

Auf einmal drückten die Sonthofener, behaupteten den Ball und kamen immer wieder zu Chancen. Die erste richtig gute Gelegenheit hatte Verteidiger Benjamin Müller, der nach einer Ecke völlig frei und unbedrängt aus fünf Metern zum Kopfball kam. Ein klasse Reflex von Krasnic verhinderte den Anschluss.

Der 1. FC Sonthofen spielte im zweiten Durchgang deutlich offensiver, kam aber nur selten gefährlich zum Abschluss. Aber auch Pullach schaffte es nicht, die neuen Räume durch Konter zu nutzen. Es dauerte 20 eiskalte Minuten bis zur nächsten gefährlichen Szene: Sonthofens Manuel Wiedemann zögerte keinen Moment, um einen zweifelhaften Freistoß auszuführen, überspielte mit seinem Pass die unsortierte Abwehr und bediente Burak Kesici, der aus 15 Metern den Ball ins Kreuzeck schoss (76.). "Sonthofen führt die Freistöße immer schnell aus. Das hab ich meiner Mannschaft 1000 Mal gesagt - das nächste Mal leg ich vielleicht einfach die Trikots vor dem Spiel in die Mitte. Vorbesprechungen bringen ja anscheinend nichts", schimpfte Schmöller nach dem Spiel auf sein Personal, das binnen sechs Minuten die Tabellenführung verspielt hatte. Denn kurz nach dem Anschluss war es erneut Kesici, der den Ball mit viel Effet von der Strafraumgrenze zu platziert für Krasnic zum 2:2-Ausgleich ins Pullacher Tor schlenzte (82.). Danach musste Pullachs Torwart gar eine Niederlage verhindern.

"Wir sind über 90 Minuten die dümmste Mannschaft dieser Liga", sagte Schmöller nach dem Spiel, dabei ging er vor dem Kabinengang auf und ab. "Irgendwann hören wir auf, Fußball zu spielen. Sorry an jeden Kreisliga-Spieler, aber wir haben wie eine richtig miese Kreisliga-Mannschaft gespielt." Eine Weihnachtsfeier wird es trotz des missratenen Jahresabschlusses geben. Uneingeschränkt sollten sich die Spieler allerdings nicht freuen: "Vielleicht kommt dieses Jahr der Krampus," sagte Schmöller.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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