Fußball-Bayernliga:Dreier für den Älteren

Lesezeit: 3 min

Trainer Andreas Pummer schlägt mit Türkgücü-Ataspor München den von seinem Bruder Sebastian gecoachten TuS Holzkirchen - und ist Tabellenführer.

Von Matthias Schmid, Kirchheim

Andreas Pummer schlurfte langsam aus der Kabine und blieb im Schatten eines kleinen Baumes stehen. Es war kurz nach halb fünf Uhr am frühen Sonntagabend, als der Cheftrainer des SV Türkgücü-Ataspor München das Aufwärmprogramm seiner Mannschaft vor dem Bayernligaspiel gegen den TuS Holzkirchen aus sicherer Entfernung beobachtete: lockeres Laufen, Stretching und noch ein paar Passstafetten und Torschüsse. Es war keine gewöhnliche Partie für Pummer, 36, es war ein Spiel gegen seinen drei Jahre jüngeren Bruder Sebastian, der viel früher aus den Katakomben kam und den Weg direkt auf den Trainingsplatz im Heimstettener Sportpark suchte, wo Türkgücü auf dem Hauptplatz seine Heimspiele austrägt. Der Holzkirchner Trainer verteilte in der prallen Sonne die Hütchen und gab Anweisungen an seine Spieler. All das überließ sein Bruder Andreas seinen drei Assistenten. "Ich bin ja schon braun", merkte der blasse Andreas Pummer trocken an.

Als er da im Schatten in sich ruhte, gesellten sich auch sein Vater, seine Frau und seine Schwägerin samt Kindern und Nichte dazu. "Für wen sind wir heute?", stellte der Vater die naheliegende Frage. Andreas Pummer lächelte nur, antwortete aber nichts.

Später kurz vor dem Anpfiff kam Sebastian als Letzter aus der Kabine, er lief an der Bank von Ataspor vorbei und klatschte jeden einzelnen Spieler, Betreuer und Assistenztrainer ab. Dann blieb er vor seinem Bruder stehen, gab ihm die Hand, kurzer Plausch, wieder Händeschütteln. Dann verteilte der Ältere dem Jüngeren noch einen fürsorglichen Klaps auf den Hintern.

Etwas mehr als 90 Minuten später musste Sebastian Andreas zum Sieg gratulieren, München gewann ein lebhaftes und intensives Spiel gegen stark aufspielende Holzkirchner mit 3:2 (2:1). Während die Gäste als Tabellenletzter weiter sieglos bleiben in dieser Saison, übernahm die Heimmannschaft nun die Tabellenführung. "Das bedeutet mir zu diesem Zeitpunkt gar nichts", bekannte Andreas Pummer danach. "Wichtig ist nur, dass wir heute das Spiel gewonnen haben gegen einen Gegner, der sich nicht als Tabellenletzter präsentiert hat." Für seinen geschlagenen Bruder hatte er keine mitfühlenden Worte parat: "Er kennt mich und weiß, dass ich nicht verlieren kann. Das war früher schon so, als wir Karten gespielt haben. Und ist heute so, wenn wir gegeneinander Fußball spielen. Und Lob hilft ihm in dieser schwierigen Situation auch nicht weiter. Das hat er schon genug gehört."

Die Partie hatte mit zwei formidablen Chancen für Türkgücü begonnen. Eine Flanke des linken Außenverteidigers Arbnor Segashi fand zunächst Jérôme Fayé im Fünfmeterraum, der bullige Stürmer traf in der dritten Minute den Ball wuchtig, aber mit zu viel Rückenlage, sodass das Spielgerät übers Tor flog. Sechs Minuten später schoss Pablo Pigl im linken Strafraum aus acht Metern am langen Eck vorbei, nachdem Masaaki Takahara den Ball fein mit der Hacke abgelegt hatte.

Die Holzkirchner machten es besser, sehr viel effizienter, gleich ihre erste Chance landete im Tor, für Türkgücü war es der erste Gegentreffer nach sechs makellosen Spielen. Gilbert Dieps Kopfball flog über Freund und Feind und auch über Torhüter Issa Ndiaye per Bogenlampe hinweg ins Tor, fast so als hätte jemand die Flugbahn zuvor mit einer komplizierten mathematischen Formel perfekt berechnet - ein sehenswerter Treffer, den beide Trainer mit gespielter Gleichgültigkeit hinnahmen. Nach einer ereignislosen Phase rückte dann wieder der Senegalese Fayé in den Mittelpunkt, erst traf der 31-Jährige nach Vorarbeit von Segashi im Fallen zum Ausgleich (36.), ehe er drei Minuten später nach einem Eckball mit seinem fünften Saisontor die Führung köpfelte. Die Reaktion der beiden Pummers: keine.

Nach dem Seitenwechsel kehrte Andreas Pummer verändert aus der Kabine zurück, er hatte sich eine schwarze Baseballkappe aufgesetzt, um das Spiel seiner Mannschaft ob der tief stehenden Sonne besser verfolgen zu können. Doch was er sah, gefiel ihm nicht. Zunächst scheiterte Fayé an Torhüter Benedikt Zeisel (53.), dann kam Holzkirchen zum 2:2-Ausgleich (54.). Tayfun Arkadas zirkelte einen Freistoß aus sechzehn Metern in zentraler Position durch die Mauer, die so viele Löcher aufwies wie ein Schweizer Emmentaler. Während Sebastian Pummer danach jubelnd den Arm hochriss, schimpfte sein Bruder - die Pummers sind doch menschliche Wesen mit Emotionen. Das bestätigte sich anschließend, als Christoph Rech die 3:2-Führung nach einem gechippten Freistoß von Segashi köpfelte (69.) und Andreas seine Assistenten abklatschte. Es sollte das letzte Tor an diesem Abend bleiben, obwohl beide Mannschaften noch gute Gelegenheiten hatten.

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: