Fußball-Bayernliga:Auf der Zufriedenheitsskala zwischen 0 und 1000

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Selbst im milden Licht der untergehenden Herbstsonne betrachtet war das Remis für Pullach, rechts Justin Gaigl, gegen die jungen Löwen, links Timo Spennesberger, ein zu geringer Ertrag. (Foto: Sebastian Gabriel)

Nur ein Punkt für Pullach, zehn Jahre Ruhm für 1860 II: Das letzte Derby vor der Winterpause hinterlässt zwei völlig unterschiedlich gestimmte Trainer.

Von Jonas Kraus, Pullach

Auch in komischen Zeiten wie diesen bleibt doch manches wie immer. Zum Beispiel, dass ein Unentschieden von den Beteiligten höchst unterschiedlich interpretiert werden kann. Die einen freuen sich über den Punktgewinn, die andern ärgern sich über zwei verpasste Zähler. Am Samstag nach dem Bayernliga-Derby zwischen dem SV Pullach und 1860 München II waren beide Sichtweisen vertreten. Pullachs Spielertrainer Alexander Benede stapfte nach dem hitzigen 3:3 (1:1) wütend vom Platz. "Das war auf gar keinen Fall gut", schimpfte er. Der eine Zähler? Sei viel zu wenig und bringe Pullach überhaupt nicht weiter. Was angesichts der Tabelle stimmt: Pullach ist nun Drittletzter, mit einem Spiel mehr, aber vier Punkten Rückstand auf den SV Donaustauf, der über den Relegationsplätzen steht. Die kämpferisch gute Leistung? Unwichtig. "Das Einzige, was mich interessiert hätte, wären drei Punkte gewesen", knurrte Benede.

Gänzlich anders war die Gemütslage bei Frank Schmöller, dem Trainer der jungen Löwen aus Giesing. Mit der Leistung gegen sein ehemaliges Team Pullach, wo er bis zum Ende der Vorsaison mehr als fünf Jahre lang an der Linie stand, war er zu "1000 Prozent zufrieden". Sein Team hat als Tabellensechster nun 40 Punkte, die letzten Abstiegssorgen haben sich, sollte es sie je gegeben haben, erledigt.

Dass sich Schmöller derart über ein Pünktchen bei einem Abstiegskandidaten freute, hatte vor allem zwei Gründe. Zum einen spielte seine Mannschaft von der 36. Minute an in Unterzahl, nachdem Ahanna Francis Agbowo nach seinem zweiten Foul mit Gelb-Rot vom Platz musste. Zum anderen, so Schmöller, stehe Pullach zu Unrecht so weit hinten in der Tabelle: "Die sind eigentlich viel besser."

Das zeigte der SVP auch. Von Anfang an war Pullach die tonangebende Mannschaft. In Führung gingen aber die Löwen - per Elfmeter. Pullachs Verteidiger Simon Rauscheder war im Strafraum zu spät gekommen, Timo Spennesberger schoss den Ball locker in die Mitte (28.). Wenig später der Rückschlag für 1860: Erst der Platzverweis für Agbowo, dann drückte Pullach aufs Tempo und kam durch Daniel Brändle zum überfälligen Ausgleich (44.). Die 50 zugelassenen Zuschauer bekamen ein Spektakel geboten im letzten Bayernligaspiel vor der neuerlichen Zwangspause.

Viel sprach nun für Pullach. Auch deshalb wählte Löwen-Trainer Schmöller in der Pause reichlich pathetische Worte. "Jetzt könnt ihr beweisen, dass ihr Kerle seid", gab Schmöller eigenen Angaben zufolge seinen jungen Spielern mit, und außerdem: "Da wird man sich noch in zehn Jahren dran erinnern, wenn ihr das dreht." Nun ja. Zwar gingen die Pullacher nach der Pause durch Özgür Sütlü in Führung (55.), die Löwen aber konterten postwendend. Der sträflich allein gelassene Moritz Heigl glich das Spiel wieder aus (57.). Damit nicht genug: Kurze Zeit später war Pullachs Abwehr erneut unter Bedrängnis, die Kommunikation klappte überhaupt nicht. Benede bekam im Strafraum den Ball, realisierte den Druck des Gegners zu spät und spielte einen fatalen Fehlpass. Sascha Hingerl bedankte sich mit dem 2:3 (60.). "Das war wie ein Filmriss", sagte Benede.

Allein die schlampige Abwehrleistung war es aber nicht, die Pullach Probleme bereitete. Zwar kämpfte der SVP verbissen, spielerisch aber ging wenig. Immer wieder wählten die Pullacher trotz Überzahl den langen Ball. "Wir müssen noch viel ruhiger bleiben", forderte Benede. Oft fehle einfach die taktische Cleverness und ein Stück weit auch die Qualität, meinte der Spielertrainer.

Dennoch reichte es immerhin noch zu einem Punkt für Pullach, auch weil Benede auf einen fast vollständigen Kader zugreifen konnte. "Das tut gut, wenn man von der Bank nachfeuern kann", sagte er. Zwanzig Minuten vor dem Ende brachte der Trainer in Max Zander und Gilbert Diep zwei frische Offensivkräfte. Diep ließ zwei gute Chancen aus, Zander machte es besser. Eine Flanke nahm der 28-Jährige mit Risiko und traf kurz vor Schluss zum 3:3 (87.).

Mehr ging aber nicht mehr. Benede ärgerte sich über die ausgelassenen Chancen, Schmöller freute sich über den Punktgewinn nach langer Unterzahl. Einig waren sich beide Trainer in einem Punkt: "Es war gut, dass wir das Spiel noch durchgezogen haben." Spielfreie Wochenenden kämen nun eh wieder zu viele.

Während sich Pullach in die vorzeitige Winterpause verabschiedet, hofft Schmöller, dass er seine Mannschaft noch ein paar Wochen sehen darf. Man stehe im Austausch mit den Behörden, sagte er. Amateursport ist von Montag an verboten, Profisport aber bleibt erlaubt. "Und wir sind ja die Ausbildungsmannschaft eines Profiteams", sagt Schmöller. Er jedenfalls wolle weiterhin trainieren, seine Spieler ebenso. "Für die Jungs ist das eh schon keine einfache Zeit. Weder für meine Jungs noch für alle anderen Fußballer."

© SZ vom 02.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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