Füstenfeldbruck: Boxer mit Leidenschaft:Sie holen sie ja doch wieder

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Zwei Männer, die mehr bewegen "als jeder Sozialarbeiter": Seit fast 50 Jahren prägen Wolfgang Schwamberger und Manfred Kaltenhäuser den Boxclub Fürstenfeldbruck. Ans Aufhören denken sie nicht.

Ralf Tögel

Wenn Manfred Kaltenhäuser und Wolfgang Schwamberger von den alten Zeiten erzählen, sollte man Zeit mitbringen. Anekdoten und Deutsche Meistertitel fliegen einem nur so um die Ohren, die beiden haben eine bewegte Vita. Kaltenhäuser ist Präsident des Boxclubs Piccolo Fürstenfeldbruck, Schwamberger der Cheftrainer. Seit 1962 prägen die beiden maßgeblich die Geschicke des Vereins, was man auch für den Bayerischen Amateurboxverband (BAVB) sagen darf.

"Schwamberger (rechts) ist die Seele des Vereins, Kaltenhäuser macht sich um alles und jeden Gedanken" - so werden die beiden Box-Veteranen von ihren Freunden beim Boxclub Piccolo Fürstenfeldbruck beschrieben. (Foto: Günther Reger)

Es riecht nach Schweiß in dem kleinen Kellerraum der Brucker Hauptschule Nord, der gerade so groß ist, dass ein Boxring und ein Schreibtisch hineinpassen. Die Plakate und Flyer für die nächste große Veranstaltung liegen bereit, am 27. Juni kämpft die Piccolo-Staffel gegen Boxring Stein/Nürnberg auf dem Brucker Volksfest. Drei Wochen später ist eine Auswahl aus Tschechien der Gegner im Germeringer Festzelt.

Mit Folklore haben die Boxer aber wenig zu tun. Volksfeste sind vielmehr eine gute Gelegenheit, die Nachwuchskämpfer einem großen Publikum zu präsentieren und Wettkampfpraxis gegen starke Gegner zu sammeln - nicht ganz unerheblich in diesem Sport. Das Amateurboxen ist harte Arbeit, da sind sich beide einig. "Seriöser Sport", schiebt Kaltenhäuser nach. Dann hebt sich seine Stimme urplötzlich, wie eine rechte Gerade schießt es aus ihm heraus: "Nicht so wie bei manchem Profiboxstall. Da geht es nur um den Kommerz." Immer schneller hageln die Worte auf das Gegenüber ein, Kaltenhäuser erzählt von verheizten Talenten, dubiosen Verträgen und Gesundheitsgefährdung. "Das sind keine Boxer, das sind Gladiatoren", brummt Schwamberger.

Er muss es wissen. 20 Jahre lang war er bayerischer Verbandstrainer. Zahlreiche Deutsche Meister hat er geformt, Michael Parthenis, in den 80ern das größte deutsche Talent, holte Bronze bei der Jugend-EM. Ganz beiläufig sagt Schwamberger, dass unter ihm ein gewisser Abraham seinen ersten Titel gewonnen hat. Auf Nachfrage bestätigt er: "Ja, ja, der Arthur Abraham, das war Ende der Neunziger." Ganz genau 1997: Mit Schwamberger in der Ecke holte der heutige Weltmeister den Internationalen Deutschen Titel im Mittelgewicht der Junioren.

Aber auch die Arbeit in Bruck war erfolgreich. In den achtziger Jahren war der BC Piccolo die Top-Adresse in Deutschland. 17 deutsche Einzeltitel im Jugendbereich, WM- und EM-Teilnahmen, weit mehr als 100 Meistertitel auf bayerischer und süddeutscher Ebene; zwei Mal richtete Piccolo deutsche Meisterschaften aus, 15 Länderkämpfe für den deutschen und den bayerischen Verband und so weiter. Eine Leistung findet in den Statistiken keinen Einzug, obwohl sie die wohl größte ist: "Der Wolfgang bewegt mehr als jeder Sozialarbeiter", sagt Kaltenhäuser.

"Fast wie ein Opa"

Draußen wird es lauter. Im Vorraum zur Turnhalle bearbeiten die Boxerinnen und Boxer die Sandsäcke, Trainer Jens Seipelt gibt Kommandos. Wenn die Jungen hereinkommen, um ihre Handschuhe zum Trocknen aufzuhängen, wird der Respekt vor Schwamberger und Kaltenhäuser greifbar. Die beiden werden von allen gesiezt, die Kämpfer verabschieden sich höflich per Handschlag. Viele Jugendliche haben Migrationshintergrund, manche stammen aus problematischen Verhältnissen. "Bei uns ist aus jedem etwas geworden", betont Schwamberger.

Der Verein bietet den Talenten mehr als Training. Er kümmert sich auch um Schule oder Lehrstelle, gibt Hilfestellung: "Wir sind für unsere Buben und Mädchen da." Das sind keine Lippenbekenntnisse. Einmal musste ein Piccolo-Schützling einsitzen. Schwamberger ließ ihn nicht fallen. Er besuchte ihn im Gefängnis, nahm ihn nach der Entlassung wieder in die Gruppe auf. "Er hat es noch gepackt", sagt der Trainer. Sein wohl größter Sieg.

"Für mich ist der Herr Schwamberger fast wie ein Opa", beschreibt Katinka Semrau das familiäre Umfeld im Verein. "Sie kümmern sich um uns, unterstützen uns bei Problemen in der Schule oder zu Hause." Die 16-Jährige gilt als Toptalent, nimmt demnächst an den Deutschen Meisterschaften teil. Piccolo-Trainer Seipelt beschreibt das Duo so: "Schwamberger ist die Seele des Vereins, Kaltenhäuser macht sich um alles und jeden Gedanken." Solche Aussagen sind den beiden peinlich, Ehrungen oder Auszeichnungen kein Thema. Ja, stimmt, das Bundesverdienstkreuz, das haben sie beide bekommen.

Auf eine Frage weiß keiner eine Antwort: Wie lange sie noch aktiv sein wollen? Schwamberger wird nächstes Jahr 80 (was man ihm nicht ansieht), immer noch steht er viermal pro Woche in der Halle. Kaltenhäuser ist 70, opfert ebenfalls seine ganze Freizeit. Er hat den Absprung schon einmal versucht. Erfolglos. "Sie holen dich ja doch wieder."

© SZ vom 16.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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